Den Älteren tat er leid, weil er noch so klein war und nun Vater und Mutter verloren hatte. Die Jungen freuten sich, weil es nun unter ihnen endlich einen gab, dem alle gehorchten, vor dem selbst die Generäle strammstehen und die großen Soldaten das Gewehr präsentieren mußten. Auch den kleinen Mädchen gefiel der kleine König auf dem hübschen Pferdchen. Aber am meisten liebten ihn doch die Waisenkinder.

Als die Königin noch lebte, hatte sie immer zu allen Feiertagen Bonbons in die Waisenhäuser geschickt. Als sie starb, befahl der König, die Bonbons sollten weiter hingeschickt werden. Hänschen wußte gar nichts davon, aber seit langer Zeit waren den Kindern in seinem Namen Süßigkeiten und Spielsachen geschickt worden. Viel später erst sollte Hänschen begreifen, wieviel Freude man den Menschen bereiten kann, ohne überhaupt davon zu wissen, wenn nur im Haushaltsplan Geld dafür vorgesehen ist.

Etwa ein halbes Jahr nach seiner Thronbesteigung wollte es der Zufall, daß Hänschen beim Volk sehr beliebt wurde. Das bedeutet, daß alle von ihm sprachen, aber nicht, weil er eben der König war, sondern weil er etwas getan hatte, das den Menschen gefiel.

Aber ich will euch erzählen, wie das zugegangen war. Hänschen hatte sich mit Hilfe des Doktors die Erlaubnis zu Spaziergängen in der Stadt erbettelt. Lange hatte Hänschen den Doktor gequält, man möchte ihn doch wenigstens einmal in der Woche in den Garten führen, in dem alle Kinder spielten.

„Ich weiß, daß es im Schloßpark hübsch ist, aber wenn man allein ist, dann hat man auch den allerhübschesten Garten bald satt.“

Schließlich versprach der Doktor ihm zu helfen, und er ging erst zum Hofmarschall und dann zur Schloßverwaltung, damit der Kammerherr des Königs im Ministerrat für den König Hänschen die Erlaubnis zu drei Spaziergängen in Abständen von je vierzehn Tagen erwirke.

Vielleicht kommt euch das komisch vor, daß es für einen König so schwer sein soll, ganz einfach spazierenzugehen. Ich will noch hinzufügen, daß sich der Hofmarschall nur deshalb einverstanden erklärte, weil ihn der Doktor vor kurzem von seinen Schmerzen kuriert hatte, als er nicht mehr ganz frischen Fisch gegessen hatte. Die Schloßverwaltung bemühte sich schon seit langem um Geld für den Bau eines neuen Stalles, in dem auch der Kammerherr des Königs seine Pferde unterstellen sollte, und der Innenminister war einverstanden, um den Finanzminister zu ärgern. Für jeden Spaziergang des Königs erhielt nämlich die Polizei dreitausend Dukaten, die Sanitätsabteilung aber eine ganze Tonne Kölnischwasser und tausend Goldstücke.

Denn vor jedem Spaziergang von Hänschen reinigten zweihundert Arbeiter und hundert Frauen ganz gründlich den Garten. Sie fegten ihn aus, malten die Bänke an, alle Alleen wurden mit Kölnischwasser begossen, und von den Bäumen und Blättern wurde der Staub gewischt. Die Doktoren achteten darauf, daß es überall schön sauber war, daß es keinen Staub gab, denn Schmutz und Staub schaden der Gesundheit. Und die Polizei paßte auf, daß während des Spaziergangs keine ungezogenen Rangen im Garten waren, solche, die immer mit Steinen werfen, andere stoßen, sich schlagen und schreien.

König Hänschen amüsierte sich sehr gut. Er war angezogen wie andere Kinder auch, also wußte niemand, daß er ein König war, denn keiner erkannte ihn. Und niemand kam auf den Gedanken, der König könne in einen ganz gewöhnlichen Garten kommen. König Hänschen ging zweimal durch den ganzen Garten, dann sagte er, er wolle sich auf eine Bank bei dem Platz setzen, wo die Kinder spielten. Aber kaum hatte er ein wenig gesessen, da kam ein kleines Mädchen auf ihn zu und fragte: „Willst du nicht mit im Kreis spielen, Junge?“

Sie nahm Hänschen bei der Hand, und sie spielten zusammen. Die Mädchen sangen Lieder und drehten sich im Kreis. Und dann, als sie auf ein neues Spiel warteten, begann das Mädchen, sich mit ihm zu unterhalten.

„Hast du eine Schwester, Junge?“

„Nein, die habe ich nicht.“

„Und was ist dein Vati, Junge?“

„Mein Vati ist tot. Er war König.“

Vielleicht dachte das Mädchen, Hänschen mache einen Witz, denn es fing an zu lachen und sagte: „Wenn mein Papa König wäre, dann müßte er mir eine Puppe kaufen, die bis an die Decke reicht.“

König Hänschen erfuhr, daß der Vater des Mädchens Feuerwehrhauptmann war, daß es Irene hieß und die Feuerwehrleute sehr gern hatte, weil die ihm manchmal erlaubten, auf einem richtigen Pferd zu reiten.

Hänschen wäre gerne noch lange geblieben, aber er hatte nur bis vier Uhr zwanzig Minuten und dreiundvierzig Sekunden Zeit.

Ungeduldig wartete Hänschen auf den nächsten Spaziergang, aber da regnete es, und der Doktor ließ ihn nicht gehen, damit er sich nicht erkälte.

Beim zweiten Mal passierte Hänschen ein Mißgeschick. Er spielte wieder mit den Mädchen im Kreis, da kamen ein paar Jungen, und einer von ihnen rief: „Schau nur, ein Junge, der mit Mädchen spielt.“ Und sie fingen alle an zu lachen.

Da sah König Hänschen, daß er wirklich der einzige Junge war, der im Kreis spielte.

„Spiel lieber mit uns“, sagte der Junge.

Hänschen schaute ihn sich genau an.

Nanu, das war ja Fritz, den er doch schon so lange kennenlernen wollte. Auch Fritz schaute ihn aufmerksam an und schrie, so laut er konnte: „Sieht der aber dem König Hänschen ähnlich!“

Hänschen war es schrecklich unangenehm, weil ihn jetzt alle anstarrten, und er wollte so schnell er konnte zu dem Adjutanten laufen, der sich auch verkleidet hatte und einen ganz gewöhnlichen Anzug trug, damit ihn niemand erkennen sollte. Weil er sich aber so beeilte, vielleicht auch, weil er sich schämte, fiel er hin und schlug sich das Knie auf.

Auf der Sitzung des Ministerrats wurde beschlossen, man könne es dem König nicht mehr gestatten, in den Garten zu gehen. Es würde alles getan werden, was der König sich auch nur wünschen sollte, aber in den Stadtpark dürfe er nicht gehen, denn dort seien ungezogene Kinder, die ihn anrempelten und über ihn lachten, und der Ministerrat könne nicht gestatten, daß über den König gelacht würde, das vertrage die königliche Ehre nicht.

Hänschen war sehr traurig, und er dachte lange über seine beiden lustigen Spiele im Stadtpark nach, und dabei fiel ihm Irenes Wunsch ein: Sie will eine Puppe bis zur Decke haben.

Der Gedanke ließ ihm keine Ruhe mehr.

Ich bin der König, also habe ich das Recht, zu befehlen. Und dabei muß ich allen gehorchen. Ich lerne lesen und schreiben genauso wie alle anderen Kinder. Ich muß mir Ohren und Hals waschen und die Zähne putzen wie die anderen Kinder. Das Einmaleins ist für die Könige genauso da wie für die anderen. Was habe ich nun eigentlich davon, daß ich König bin? Hänschen bockte, und während der Audienz forderte er mit lauter Stimme vom Ministerpräsidenten, es solle die größte Puppe der Welt gekauft und Irene geschickt werden.

„Geruhen Majestät zu berücksichtigen...“, begann der Ministerpräsident.

Hänschen dachte sich gleich, was nun kommen würde; dieser unerträgliche Mensch würde nun lange über viele unverständliche Dinge sprechen, und zum Schluß würde aus der ganzen Puppe nichts werden. Es fiel ihm ein, wie der gleiche Minister einmal dem Vater ganz ebenso etwas zu erklären angefangen hatte.