Der Kriegsminister runzelte die Stirn und notierte sich die Forderung des Königs.

Hänschen seufzte: Er wußte schon, was er nun hören würde. „Ich werde die Forderung Eurer Majestät auf der nächsten Sitzung dem Ministerrat unterbreiten.“

Es wird nichts draus; gewiß würde man ihn zu irgendeinem alten General schicken. Aber es kam anders.

Auf der nächsten Sitzung der Minister gab es nur ein Thema aller Gespräche und Beratungen: Drei Staaten gleichzeitig hatten König Hänschen den Krieg erklärt.

Krieg!

Nicht umsonst war Hänschen der Urenkel des kühnen Pauls des Siegreichen — sein Blut begann zu wallen.

Ach, wenn er doch jetzt das Brennglas hätte, das aus weiter Ferne das feindliche Schießpulver entzünden würde, und die Tarnkappe!

Hänschen wartete bis zum Abend, er wartete bis zum nächsten Mittag. Und nichts geschah. Vom Krieg hatte ihm Fritz berichtet. Bei den früheren Briefen hatte Fritz nur dreimal Kuckuck gerufen, heute waren es wohl hundertmal. Hänschen begriff, daß der Brief eine außergewöhnliche Nachricht enthalten mußte. Aber er wußte nicht, daß sie so außergewöhnlich war. Es hatte schon lange keinen Krieg mehr gegeben, denn Stefan der Vernünftige hatte es verstanden, mit seinen Nachbarn so zu leben, daß er selbst niemandem den Kampf ansagte und daß niemand wagte, ihm den Krieg zu erklären, wenn auch die Freundschaft nicht sehr herzlich gewesen war.

Es war klar: Sie wollten Hänschens Jugend und Unerfahrenheit ausnutzen.

Aber Hänschen wollte ihnen beweisen, wie sehr sie sich getäuscht hatten, und daß König Hänschen, wenn auch noch klein, imstande war, sein Land zu verteidigen. Fritzens Brief lautete:

Drei Staaten haben Eurer Majestät den Krieg erklärt. Mein Vater hat immer gesagt, bei der ersten Nachricht von einem Krieg würde er sich vor Freude betrinken. Ich warte darauf, denn wir müssen uns sehen.

Und Hänschen wartete. Er dachte, noch an diesem Tage würde man ihn zu einer Sondersitzung des Ministerrates rufen, und dann würde er, Hänschen, der rechtmäßige König, das Steuer des Staates ergreifen. Und wirklich gab es in der Nacht irgendeine Beratung, aber Hänschen wurde nicht gerufen.

Am nächsten Tag unterrichtete ihn der ausländische Lehrer ganz wie gewöhnlich.

Hänschen kannte die Hofetikette, er wußte, ein König darf keine Launen haben, nicht eigensinnig sein und sich nicht ärgern, und in einem so ernsten Augenblick wollte er der königlichen Würde und Ehre um gar keinen Preis Abbruch tun. Er runzelte nur die Stirn und zog die Augenbrauen zusammen, und als sein Blick während des Unterrichts in den Spiegel fiel, da kam ihm der Gedanke: Ich sehe fast so aus wie König Heinrich der Aufbrausende. Hänschen wartete auf die Stunde der Audienz.

Als ihm jedoch der Zeremonienmeister mitteilte, die Audienz falle heute aus, da sagte Hänschen ruhig, aber sehr bleich und entschieden: „Ich fordere, daß der Kriegsminister unverzüglich in den Thronsaal gerufen wird.“ Das Wort Kriegsminister sprach Hänschen mit solchem Nachdruck aus, daß der Zeremonienmeister gleich merkte, Hänschen wußte schon über alles Bescheid.

„Der Kriegsminister ist auf der Sitzung.“

„Dann werde auch ich auf der Sitzung sein“, erwiderte König Hänschen und wollte zum Sitzungssaal gehen.

„Geruhen Majestät nur ein Augenblickchen zu warten. Geruhen Majestät Mitleid mit mir zu haben. Ich darf das doch nicht. Ich trage die Verantwortung.“ Und der Alte begann laut zu weinen.

Hänschen tat der Zeremonienmeister leid, der ja wirklich ganz genau wußte, was ein König tun kann und was sich für ihn nicht geziemt. Manchmal hatten sie lange Abende zusammen am Kamin gesessen, und es hatte viel Spaß gemacht, den interessanten Erzählungen vom König-Vater und der Königin-Mutter, von der Hofetikette, den Bällen im Ausland, den Galavorstellungen im Theater und den Manövern zu lauschen, an denen der König teilgenommen hatte.

Hänschen hatte kein ganz reines Gewissen. Das Briefeschreiben an den Sohn eines Unteroffiziers war eine schwere Verfehlung, am meisten aber quälten Hänschen die Kirschen und Himbeeren, die er für Fritz gemaust hatte. Der Garten gehörte zwar ihm, und er hatte die Früchte nicht für sich selbst gepflückt, sondern sie verschenkt, aber er hatte das heimlich getan, und wer konnte wissen, ob damit nicht die ritterliche Ehre seiner großen Vorfahren geschändet war.

Im übrigen hatte Hänschen ein gutes Herz, er war ja auch der Urenkel von Anna der Frommen, und die Tränen des Alten ergriffen ihn. Und vielleicht hätte Hänschen jetzt wieder etwas Falsches getan, nämlich seine Rührung zu erkennen gegeben, doch beherrschte er sich im letzten Augenblick und sagte nur kalt, wobei er die Stirn noch stärker runzelte: „Ich warte zehn Minuten.“

Der Zeremonienmeister lief hinaus. Im Königsschloß herrschte große Aufregung.

„Woher hat Hänschen das nur erfahren?“ fragte der Innenminister.

„Was hat dieser Lausebengel vor?“ rief aufbrausend der Ministerpräsident. Doch da rief ihn der Justizminister zur Ordnung: „Herr Ministerpräsident, das Gesetz verbietet, bei öffentlichen Sitzungen so über den König zu sprechen. Privat können Sie sagen, was Sie wollen, aber unsere Beratung ist offiziell, und Sie dürfen so etwas nur denken, es aber nicht aussprechen.“

„Die Beratung wurde unterbrochen“, versuchte sich der überrumpelte Ministerpräsident zu verteidigen.

„Dann hätten Sie sagen müssen, daß Sie die Sitzung unterbrechen, das haben Sie aber nicht getan.“

„Verzeihung, ich habe es vergessen.“

Der Kriegsminister schaute auf die Uhr:

„Meine Herren, der König hat uns zehn Minuten Bedenkzeit gegeben. Vier Minuten sind schon vergangen. Also wollen wir uns doch nicht zanken. Ich bin Militär und muß einen königlichen Befehl erfüllen.“

Der arme Ministerpräsident hatte Grund zur Furcht; auf dem Tisch lag das Blatt Papier, auf dem mit Blaustift deutlich geschrieben stand: Gut, dann also Krieg.

Damals war es leicht gewesen, den Mutigen zu spielen, aber jetzt war es schwer, die Verantwortung für diese unbedacht hingeschriebenen Worte zu tragen. Und was sollte er auch sagen, wenn ihn der König fragen würde, warum er das damals geschrieben hatte? Denn alles hatte ja damit begonnen, daß sie Hänschen nach dem Tode des alten Königs nicht hatten wählen wollen.