Er stellte sein Roß an den besten Platz im Stalle, setzte sich auf die beste Stelle am Herde und ließ sich traktieren, und die Leute ließen es sich gefallen und taten das möglichstes akkurat wie man es noch heutzutage mit den modernen Reisenden macht, welche, nach allerneuesten Berichten, im Morgenlande als die eilfte Plage angesehen werden. Die guten Leute fürchteten Ungelegenheit, sie kannten Josts Verbindungen, wußten auch nicht, wie weit Kurt noch kommen und es erzählen könnte (von Drucken war bekanntlich damals noch nicht die Rede), wenn sie ihm nicht das Beste aus Keller und Küche gegeben, der Wein nach was gerochen, das Fleisch zäh gewesen. Kurt hatte alle Ursache, zufrieden zu sein, wohlgepflegt ritt er endlich weiter, und Abend wards, als er vor sich das Kirchlein von Luthern sah und über demselben die alte, graue Burg.

Es war ein wildes Bergtal, doch sah man an den Talwänden gute Gehöfte; rar waren die Kühe nicht im Tale, Barthli stahl keine aus dem Tale, aber manche außerhalb demselben gestohlene Kuh lief darin herum. Die Burg stand offen, der Ritter von Luthern fürchtete keinen Überfall, es wohnte kein Mensch im Tale, der, wenn er was Verdächtiges bemerkt, es dem Ritter nicht alsbald gemeldet hätte, denn sie hatten alle Anteil an seinem Raube, und wenn seine Hand schon hart war, so wohnte es sich doch sicher unter derselben. Wild sah es im Hofe aus, aus einer offenen Türe flog eben ein Knecht heraus wie der Stein von der Schleuder, kroch dann weiter, winselnd und heulend. Fluchend kam ein gewaltiger Mann nach und hätte wahrscheinlich noch nachgebessert und vollends zerschlagen, was der Knecht noch Ganzes an sich hatte, wenn ihm nicht Kurts fremde Erscheinung in die Augen gefallen wäre. Es war der Ritter in eigener Person, der mit selbsteigener Hand einem Knechte, der Pferde mit Fußtritten mißhandelte, Verstand gegen die Tiere einbläute. Der Ritter von Luthernau war ein Mann wie eine Eiche; schon hatte es ihm auf den Schädel geschneit, aber heiß rann doch das Blut unter der weißen Decke und heißer am Abend als am Morgen, wie es übrigens noch heutzutage bei vielen Edeln und Unedeln der Fall sein soll. Fast wars, als wollte er den Rest seines Zornes an Kurt auslassen; barsch fuhr er ihn an, was er da wolle. Doch Kurt war nicht erschrockener Natur, er bringe einen Gruß von Jost im Tobel, sagte er.

Das Losungswort zog, ein heller Schein flog über des Ritters dunkeles Gesicht, er führte Kurt in die Halle, wo auf dem Tische Essen und Trinken die Fülle stand und zwar den ganzen Tag. Wer etwas mochte oder sonst nichts zu tun hatte, setzte sich an den Tisch, besondere Eßstunde war keine. Er hatte, wie es schien, durch Kurt eine Botschaft erwartet, auch das Begehren um Dienst war ihm nicht unangenehm, jedoch vergaß er besondere Vorsicht nicht. Schon damals war es Sitte, jemanden, an den man offen nicht kommen konnte, einen falschen Freund in den Busen zu schieben, der dann mit Verrat vollbringt, was Gewalt nicht vermochte. Indessen Kurt bestand gut im Examen und gewann des Ritters Vertrauen. Derselbe kannte Uli von Gütsch wohl und war dessen Freund gewesen, war auch ein Feind derer, die des Ritters Feinde waren. Zudem hatte derselbe Kurts Vater wohl gekannt und mit ihm manchen Streich verübt. Als Kurt sich als des Vertrauens würdig ausgewiesen, vernahm er, daß morgen schon ein Auszug vorbereitet sei, des Klosters Gebiet zu plündern und zu verbrennen was brennen wollte. Barthli hatte Lust, das Kloster selbst zu zerstören, indessen war es zur selben Zeit etwas bedenklich, Hand an geweihte Mauern zu legen, das Ding konnte schwere Folgen haben.

Früh ward es lebendig in der Burg zu Luthern. Die Leute schienen aus dem Boden herauszuwachsen, waren in Wetter und Krieg gehärtet und gestählt und gar heiteren Muts, sie hofften auf reiche »Beute«. Das Wort Beute hat seinen schönen Klang behalten bis auf den heutigen Tag, nur mit dem Unterschied, daß das moderne Bewußtsein sich des Raubens und Stehlens schämt, es indessen doch tut und je mehr je lieber, hintendrein es dann ableugnet gedruckt und ungedruckt mit moderner Unverschämtheit. Der Ritter wäre gern durch Wald und Berg gebrochen nach Eriswyl, Huttwyl, Rohrbach usw., das reiche Tal hinab, welches die Langeten bewässert. Aber dort wohnten viele Edle, Freunde des neuen Klosters, absonderlich auch die Edlen von Madiswyl. Alle hätte er aufgejagt, auf seine Fährte gezogen, und viele Hunde sind bekanntlich des Hasen Tod. Er zog daher östlich das Tal abwärts, Großdietwyl und Altbüren zu. Mancher Freund gesellte sich zu ihm auf dem Wege, und als er seine angeschwollene Schar übersah, drängte es ihn, an St. Urban sich selbst zu versuchen, mit einem kühnen Streich all dem Ding ein Ende zu machen. Er wußte, daß einer seiner Vettern dort sich aufhielt; konnte er den als Geisel in seine Hände bekommen, so hatte er von den Folgen des Überfalls nicht viel zu fürchten. Er hielt, zog Kunde ein, aber sie gefiel ihm nicht; er vernahm, daß viele Edle mit Gefolge im Kloster sich aufhielten, daß noch mehr erwartet würden, ein Überfall also nicht rätlich sei. Er bog links ins waldige Gebirge, durch dasselbe konnte er unbemerkt bis gegen die reichen Langenthaler Höfe ziehen, dieselben plündern und auf der dortigen Straße vielleicht einen reichen Fang tun, einen schnappen, der nach dem Kloster wollte.

In Langenthal ruhte die ländliche Arbeit, das Vieh war eingetrieben, das Gesinde heimgekehrt, die Mutter kochte, die Töchter kämmten ihre Haare, was von jeher in Langenthal stark getrieben wurde, nicht allein wegen der Hoffart, sondern wegen der Kurzweil. Ob dem Kämmen glitt die Zeit vorüber, ganz gleich wie durch die Finger die Haare, und je glatter die Haare glitten, desto rascher lief ihnen auch die Zeit vorüber.