Während diese Proben gemacht wurden, war dem Abt Bericht erstattet worden und namentlich, daß zwei Fuder in Langenthal zurückgeblieben seien. Der Abt war ein sehr kluger Mann, kannte seine Leute und namentlich die Familie Durstig in Langenthal, er wußte, daß diese, wenn sie Wein in der Nähe hatten, nicht mehr wußten, was sie taten, wie auch eine Koppel Jagdhunde, welche einen Hasen in die Nase kriegen, blindlings ins Gebüsch sich stürzen. Darum sandte der Abt zwei seiner besten Leute nach Langenthal, Wache und Ordnung zu halten. Diese, nur ihren Auftrag im Auge, gerieten im Walde gegen Langenthal hin unter des Ritters Bande, wurden aber nicht erkannt; der eine schlich sich sogleich zurück, Barthlis Nähe zu melden, während der andere das Weitere zu erspähen suchte. Der Abt machte auf den ersten Bericht nicht unnötigen Lärm, sondern ließ bloß in aller Stille rüsten, was bei solcher Lage üblich ist, und spähen ums Kloster herum, ob etwa ein Überfall bereitet werde. Bald brachte der zweite Bote die Nachricht, es gelte Langenthal, soeben breche der wilde Ritter dort ein und werde sich wohl säumen bei der unerwarteten Beute. Die Herren und Brüder waren eben in der allerlustigsten Laune, noch nicht schwerfällig, sondern in dem Tempo, wo man gerne etwas Tolles treibt oder Händel sucht. Diesmal behielt der Abt den Bericht nicht für sich, sondern teilte ihn den Herren mit, und wie eine Flamme in eine Tonne voll Branntwein fiel die Nachricht unter sie. In wildem Jubel fuhr alles auf, und ohne Rat war alles einig, dem Barthli über den Hals zu kommen so schnell als möglich. Mancher Klosterbruder gesellte sich den Herren bei, fuhr kundiger in eine Rüstung als aus der Klosterkutte, und als er in der Rüstung war, glich er dem besten Ritter, und als er zu Roß war, hätte keine Seele ihn für einen Mönch gehalten. Er war wahrscheinlich auch länger Ritter gewesen als Mönch. Müde der Welt, hatte er Ruhe gesucht im Kloster, hatte begraben geglaubt den alten Menschen, und siehe, da erwachte er wieder bei der ersten Gelegenheit mit der alten Lust. Selten mag wohl eine lustigere, mutigere Schar, so eben recht in der Stimmung zu einem wilden Strauße, aus einer Klosterpforte geritten sein. An Zahl waren sie dem Barthli weit überlegen, an Kunde und Kraft standen mehrere ihm nicht nach, und als sie Langenthal sich näherten, hatte der Instinkt des Handwerkes Stille gebracht in die wilden Haufen, sogar die Pferde schienen leiser aufzutreten, um so unerwarteter über den Feind zu kommen.

Unterdessen ging es lustig und laut zu in Langenthal, und ungestört in die Nähe zu kommen war eben keine Kunst. Des Ritters Leute schienen den Langenthalern verwandt und wirklich auch von der Familie Durstig zu sein, sie klebten an den Fässern wie Wespen an den Trauben; je mehr sie tranken, desto besser dünkte sie der Wein. Dem Ritter schien es Zeit aufzubrechen, aber seinen Leuten nicht, und diese waren gar seltsam zusammengewürfelt, gar lose die Bande, welche sie an den Ritter knüpften. Ihm schien die Sache nicht geheuer, er setzte sich zu Roß, mehr und mehr schien ihm, als höre er verdächtiges Getrappel; er mahnte, aber umsonst, er hieb ein Faß auseinander und erweckte mehr Wut als Gehorsam. Da brauste es wieder die Straße herauf, es kam eine gewaltige Schar in wildem Rosseslauf. Das begriffen einige, warfen sich mit Kurt und dem Ritter dem Feinde entgegen; der Ritter von Luthernau sah aber alsbald, daß die Macht zu groß sei, ein Hinhalten, bis die Trunkenen besonnen geworden, die Beute in Sicherheit sei, unmöglich; er wich aus dem Streite, welcher ihm zu unbedeutend war, um Leben oder Freiheit in ihm zu wagen, die andern folgten ihm bis auf Kurt. Kurt, vom Weine aufgeregt, in den Jahren, wo man gerne in das, was man tut, die Seele legt, sah der andern Rückzug nicht, stritt, als ob es ginge ums Himmelreich, fesselte den Streit mit seiner gewaltigen Leibeskraft. Die Feinde fochten anfangs nicht mit dem gleichen Ernste, den Tod suchten sie nicht bei solchen Sträußen; wo wenig zu gewinnen war, ging man damals mit Manier miteinander um, fing gern lebendig Roß und Mann oder rettete Roß und Leben. Indessen war das Ding einem riesigen Klosterbruder endlich langweilig; er ritt Kurt an, fing dessen Schwerthieb mit wohlbeschlagener Keule auf, schmetterte sie dann gleich einem Blitzstrahl auf dessen Helm, daß er splitterte wie Glas, das Haupt sich beugte, die Glieder erschlafften, der ganze Körper bewußtlos zur Erde sank.

Dieser Schlag endete den Kampf, wie oft ein gewaltiger Donnerschlag der Schluß eines Gewitters ist. Die Verfolgung der Fliehenden dauerte noch fort, doch nicht lange, in der dunklen Nacht nützte sie nicht viel und war gefährlich. Der Ritter von Luthernau entkam glücklich, die Hitzigsten wendeten um und fanden die Behaglicheren um die Fässer geschart und bemüht, zu retten, was zu retten war, das heißt vor allem zum eigenen Genuß, ob dann noch etwas für das Kloster übrigblieb, überließen sie der Vorsehung. Als die Langenthaler den Ausgang merkten, fanden sie sich auch wieder ein, vor allem war die Familie Durstig zahlreich auf dem Platze, rühmte sich ihrer Heldentaten, und wie sie dem Barthli heiß gemacht, und wie sie ihm noch heißer gemacht hätten, wenn die Herren nicht selbst gekommen wären, so daß es wirklich ein himmelschreiendes Unglück für Langenthal schien für ewige Zeiten, daß die Herren gekommen, und die Heldentaten der Einwohner, welche sie im Sinne gehabt, nun im Sacke blieben. Im Glück ist man nicht mißgünstig, man tröstete die guten Leute mit vollen Bechern, und ein lustiger Morgen ging über den Ort auf, denn da war mancher, der zwei Sonnen am Himmel sah, viele noch dazu Mond und Sterne; die Glücklichsten merkten noch, daß er voll Geigen war, konnten kein Bein mehr fest stellen, sondern liefen wie Sonne, Mond und Sterne rundum.

Als endlich der Wein nicht mehr laufen wollte, kamen einigen die Gedanken wieder, sie mahnten zum Aufbruch; man suchte die Pferde, suchte überhaupt zusammen, was herum am Boden lag, fand so auch Kurt. Die Rüstung gefiel, an den Leib, der drinnen stak, dachte man nicht, glaubte ihn tot. Als man die Rüstung nahm, fand man noch Leben im Leibe, wußte nur nicht, was mit ihm machen, die einen wollten ihn liegenlassen, andere ihn mitnehmen, noch andere ihn totschlagen. Da kam ein dicker Herr, der munter zu Roß und im Streit gewesen war, doch noch munterer beim Faß, jetzt waren ihm die Beine etwas schwach, die Augen hell dabei, er schien des Zustandes nicht ungewohnt; derselbe erkannte Kurt nach einigem Besehen, hatte Mitleid mit ihm, befahl zweien seiner Leute, ihn aufzunehmen und heim nach Önz zu bringen. Es war der Alte von Önz, der dieses befahl; wahrscheinlich dachte er, in Önz sei er näher seiner Mutter, es möge gehen, wie es wolle, dachte vielleicht, wenn er genese, habe er an ihm einen tapferen Gefährten beim Becher, dachte vielleicht auch gar nichts, sondern gehorchte einfach einem guten Triebe.