Er trieb sich zwischen Solothurn und Büren, zwischen Solothurn und dem Aargau, zwischen dem Aargau und Burgdorf herum, kannte alle Wildwege durch Wald und Sumpf, aber spärlich war doch seine Beute; das Beste durfte er nie fassen, weil nach dem Werte der Ware dieselbe bewacht und beschirmt war. Er wagte sich wohl an zwei, sprang, wenn der erste vom Bolzen der Armbrust fiel, auf den zweiten mit der Keule ein; aber zu solchem fand die Gelegenheit sich selten, und oft bei der größten Gefahr war die Beute am kleinsten.
Damals war gar viel herrenloses Gesindel im Lande, das unstet lebte und so gut als möglich vom Raube. Mit solchem mußte Kurt bekannt werden; er wurde es zuerst mit dem Speer in der Hand, als ein halbes Dutzend wilder Gesellen aus einem Busche sprangen, um mit ihm eine von ihm erlegte Beute zu teilen. Aber wie Gleiches und Gleiches sich gerne gesellt, wurde bald der Friede vermittelt und gute Bekanntschaft gemacht.
Das Leben in der neuen Genossenschaft machte Kurt glücklich, gefiel ihm unendlich; nun hatte er Zeugen seiner Heldentaten, die hoch zu rühmen wußten, was er vollbrachte, und gar sehr vervielfältigten sich die Gelegenheiten zu denselben, da mit mehreren mehr zu unternehmen war, und weit in der Runde ihnen alles verkundschaftet wurde. Dann ward in Klüften und Wäldern reich getafelt, mit wilden Dirnen ein wildes Spiel getrieben, und, war man dessen satt, mit den Männern um die Beute gewürfelt. Das war ein ander Leben im weiten Wald bei lustigen Dirnen als im engen Schlößlein zu Koppigen bei der keifenden Mutter; darum sah man ihn auch immer seltener im engen Schlößlein.
Diesem hätte Frau Grimhilde eben soviel nicht nachgefragt, aber Kurt kam auch mit immer leereren Händen; das war, was ihr Kurts Leben mißfallen ließ. Er wurde in der Teilung betrogen und verlor am Ende noch in dem doppelten Spiele das wenige, was ihm zugefallen war; darum hatte sie ihn nicht zum gemeinen Räuber geraten lassen, wo sie nichts hatte davon und Kurt auch nichts als die einförmige Aussicht auf einen simplen Galgen. Auch Jürg, dem Knecht, war dieses Leben nicht recht, so hatte er es doch nicht gemeint, als er anfänglich dazu die Hand bot; er war einer der Knechte, welche am Hause hängen fast ebensosehr als am Herrn, welche alles dransetzen, des Hauses Glanz zu mehren, seinen Verfall zu wenden. Im Räuberleben sah er nichts Unrechtes, aber da hatte es der Vater doch anders getrieben als der Sohn, nicht als ein Buschschleicher, sondern auf ritterliche Weise zu Roß mit Schwert und Lanze, und er, Jürge, hintendrein, nicht viel geringer anzusehen als der Ritter selbst. Daß das Schloß zu Koppigen nichts Besseres werden solle als eine gemeine Räuberhöhle, in die und aus welcher man leise zu Fuße schlich wie die Maus aus ihrem Loche, so hatte er es sich nicht gedacht, das wollte nicht in seinen alten Kopf. Frau Grimhilde schalt, Jürg bat, aber nun hatte Kurt seinen Kopf und keinen Glauben zu Mutter und Knecht. Das neue Leben in der wilden Gesellschaft gefiel ihm allzu wohl, ein lustigeres hatte er nicht erlebt, was fragte er der Zukunft nach, da er so lustig lebte, was fragte er Koppigen nach, da es so lustig war im weiten, grünen Walde! Je mehr man ihn mit solchem Gerede plagte, desto weniger kam er heim, es ging ehedem akkurat wie heute.
Es kam der Herbst und mit ihm ein Markt zu Solothurn. Dort wohnte von je ein lustiges Volk, welches sein wahres Leben mehr außerhalb des Hauses als im Hause selbst hatte, lieber Gast war als Gäste hatte; darum, wer lustig leben wollte, im lustigen Solothurn zahlreich an den Märkten sich fand, wo man die weiten Herbergen voll Lustbarkeit und Solothurner fand. Begreiflich waren für Kurt und seine Freunde solche Tage, was Schweinemetzgen für Krähen ist im Winter. Von weitem her kommen die schwarzen Vögel geflogen, sobald ein Schwein zu seufzen und zu schreien beginnt; von weitem sperren sie die Schnäbel auf nach Schweinefleisch und Blut. Mit den Männern kommen die Dirnen gezogen, die jungen als Lockvögel, die alten als Spürhunde, durch den Markt streifen sie, wie die Schwalben fliegen durch die Luft nach Beute. Da findet sich viel Gesindel zusammen, wie von allen Winden zusammengetragen, und kennt sich von weitem. Da gibt es viele Konkurrenz, findet sich alte Liebe, entsteht neuer Haß; was man des Tags gemeinsam erbeutet, zerstört man des Nachts in wildem Streite. Kurt war auch dort, verließ aber bald die Stadt. Bestmöglichst hatte er sich unkenntlich gemacht, doch sah er bekannte Augen, welchen er ebenfalls bekannt vorzukommen schien. Zudem ärgerte ihn das fremde Gesindel aus dem Buchsgau herauf und von den Ufern der Ergolz her. Dasselbe war vertraut mit seinen Bekannten, behandelte ihn aber gröblich und schnöde. Kurt hatte noch nicht die Weise der Erfahrenen, welche sich alsbald und unmittelbar Respekt zu verschaffen wissen. Ihm schien, seine alten Freunde täten nicht das Gehörige, ihm zum Respekt zu verhelfen. Zudem schienen ihm ihre Dirnen dem Bangah, so hießen die von der Ergolz her ihr jeweiliges Haupt, überflüssige Aufmerksamkeit zu erweisen. Es war ein Bursche von schlüpfrigem Ansehen mit weitem Maul und schlechten Gliedern. Kurt hätte ihn gerne zwischen seine Finger genommen, denn ihn plagte Eifersucht von allen Sorten, aber Solothurn war zu nahe bei Koppigen, sein Inkognito durfte er nicht gefährden.
Mißmutig marschierte er nach Subigen, wo sie zwischen Wald und Sumpf eine sichere Stätte hatten, wohin nach der Abrede zunächst die Beute des Marktes geschleppt werden sollte. Groll in wildem Gemüte kommt gar gewaltig in Gärung in der Einsamkeit, rumpelt und poltert dumpf wie eine Gewitterwolke am fernen Horizont, bis er endlich loskracht und Feuer speit. Nach und nach fanden sich einzelne Glieder ihrer Bande ein; da Kurt mürrisch tat, taten sie ebenfalls nicht höflich mit ihm. Dies hielt Kurt für absichtliche Verhöhnung, für eine allgemeine Verschwörung gegen sich.
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