Als es dunkel ward, schlüpften Dirnen herbei, hinter ihnen her der Bangah und hinter dem Bangah eine ansehnliche Portion Wein, um welche er des Pfaffen Köchin zu Kriegsstetten erleichtert hatte. Nun kam Feuer ins Pulverfaß. Wegen Kurts Unliebenswürdigkeit und anfechtigem Wesen, und weil am Ende Gleiches und Gleiches zusammenhält, die Niederen nicht ungern die Gelegenheit ergreifen, sich zusammenzutun gegen einen Höheren, wenn auch nur für Augenblicke, waren alle gegen ihn, erst mit Worten, dann handgreiflich, bis Kurt das Bewußtsein schwand. Als er wieder zu sich selbst kam, war es Tag, einsam um ihn, er wußte lange nicht, war er auf Erden oder des Teufels. Ganz natürlich schienen ihm Busch und Bäume, aber Kopf und Glieder brannten ihn mit dem Feuer, mit welchem nach dem Glauben, welchen Kurt oft verlacht, der Teufel die ihm Zugefallenen brennen soll. Kurios dünkte ihm, daß er einsam sei. Wärs die Hölle, dachte er, müßten viele dasein, der Bangah namentlich, ein viel greulicherer Sünder als er. Da kam es ihm endlich, daß er noch im Subiger Walde sei, aber zum Tode matt, und daß Wunden ihn brannten, als wäre höllisches Feuer darin. Nach und nach kam ihm das Gedächtnis wieder; neu loderte in ihm der Zorn auf, ein Glück wars, daß er an niemand ihn auslassen konnte, aber für immer schwur er der alten Gesellschaft ab, schwur ihr Rache nach seinen Kräften. Der Durst trieb ihn auf, mühsam schleppte er sich zu einem der vielen Bäche, stärkte sich und wusch sich rein. Er mußte heim, doch nicht gern kam er mit leeren Händen, und daß man seinen Anteil an der Beute ihm nicht hatte liegenlassen, versteht sich. Kurt knurrte wohl gegen die Mutter, aber innerlich hatte er doch großen Respekt vor ihr. Wenn die Mutter ein räß, resolut Weib ist, ihre Zunge zu handhaben weiß in Hohn und Zorn wie einen zweischneidenden Dolch, so hat ein Sohn, wie stark und wild er auch wird, Furcht und Bangen vor der Mutter. Es ist seltsam und doch so, daß man die Gewalt über die Söhne viel öfter bei den Müttern als bei den Vätern findet.

Es war Herbst, die Fastnachtszeit des Wildes im Walde, denn da schüttelt ihnen die milde Hand, welche sich auftut jeglicher Kreatur, wahre Herrenfressen von der mächtigen Eiche und der rotbelaubten Buche, die ein Aussehen hat wie ein alter Ritter, der sein Antlitz täglich von früh bis spät mit Rheinwein feucht erhalten hat. Auch tat sich das Wild gütlich in Laub und Gras. Zahlreich, fast wie Heuschrecken, flatterten die wilden Tauben in den reichbehängten Ästen, und kühn und trotzig führten die alten Schweine die jungen spazieren unter die wohlbekannten, großgeästeten Bäume. So wild Kurt war, so leise konnte er gleiten durch der Wälder Schatten, wenn er etwas beschleichen wollte. Ein altes Schwein tat mit einem Rudel Jungen unter einer großen Buche sich gütlich. Kurts Speer warf ein Tier nieder, über dem Geräusch erschrak der Haufe, rannte weiter, die Alte mit. Daß ein Junges fehlte, merkte sie nicht.

Kurt war von je nicht gewohnt, nach Grenzsteinen sich umzusehen, in seiner gegenwärtigen Stimmung tat er es vollends nicht; daß er in des Herrn von Halten Gebiet war und zunächst seinem Schlößlein, achtete er nicht. Der Herr von Halten war ein ehrbarer Mann, aber so eine Art von Nachthaube, wie man heutzutage sagen würde, er dachte nicht viel, tat nicht viel, aß und trank desto mehr und so gut, wie er es haben konnte, doch war er leider auch bloß so gleichsam vornehm, aber nicht reich. Seine zahlreichste Habe waren neun Töchterlein, die um so vornehmer taten, je ärmer sie wurden, und um so spröder sich gebärdeten, je lieber sie einen Mann gehabt. Sie waren nicht so arm wie die von Koppigen, sie hatten noch Pferde und Kühe, sie spotteten daher grimmig über die von Koppigen, und doch wäre unter allen neunen vielleicht nicht eine zu finden gewesen, welche es verschmäht hätte, Frau von Koppigen zu werden; daß es keine ward, lag bloß daran, daß Kurt nicht von ferne daran dachte, eine Frau zu nehmen. Sie waren auch im Walde, lasen ebenfalls Buchnüsse zusammen, um Öl zu pressen zu ihren Lämplein, welche sie brennen mußten zur Winterszeit in ihrem dunkeln Schlößlein, das noch heutzutage zu sehen ist.

In diese hinein lief Kurt unversehens mit dem jungen Schweine auf der Achsel. Es ging den Fräuleins fast wie dem alten Schweine und seinen Jungen, sie wollten davonlaufen, als sie den Burschen erblickten, so wild und wüst anzusehen. Aber alsbald sahen sie, daß es Kurt ging wie ihnen, daß er lieber einige hundert Schritte weiter wäre als mitten unter ihnen. Denn so viel hatte er doch von einem Ritterssohn, daß er sich schämte, unter den benachbarten Fräuleins zu erscheinen in solchem Aufzug wie ein Räuber und als Wilddieb. Trotzig und stumm ging er vorüber, sie aber höhnten hinter ihm her, manch bitteres Wort kam bis zu seinem Ohre, klebte sich an seine Seele einer Klette gleich, welche man nicht wieder loswerden kann. Es juckte ihm die Hand, den Speer unter die Fräuleins zu werfen wie früher unter die Schweine, doch hatte er so viel Verstand, dem Gelüste zu wehren, denn so viel Macht hatte der Herr von Halten noch, daß er einen solchen Frevel blutig und mit der Zerstörung von Koppigen hätte rächen können.

Aber jetzt kam ihm, was Jürg und die Mutter ihm längst gesagt hatten, es war, als hätte man ihm ganz andere Augen eingesetzt. Er begriff, wie nichtsnutzig ein Bursche sei, der von Gesindel, von einem Bangah sich mußte schlagen, von Weibern höhnen lassen, was ein Leben sei in solcher Schmach, und wie weit es führe, wenn man zur Not als Beute vieler Tage ein junges Schwein nach Hause bringe.