(Gotthilde)
O bis zum Vermessen
Liebt ich dich so sehr,
Du, hast mich vergessen,
Du, liebst mich nicht mehr.
Deine Küsse zünden
Noch so tief und süß,
Und es sollte schwinden,
Was sie zünden hieß?
Glut, du bist verglommen,
Flamme, du bist todt,
Die mich einst benommen
Aller Erdennoth;
Als wir treu zusammen
Theilten Freud und Leid,
Und die heilgen Flammen
Schürte nur – der Neid!
O wer kann ihn messen
Diesen bittern Schmerz?
O wer kann vergessen
So ein treues Herz!
Eine Seele schicken
In das dunkle Nichts,
Und zum Himmel blicken
Frischen Angesichts!
Paradiese schenken
Heute seelengroß,
Morgen tödtlich kränken,
Ruhig reuelos;
Unter Menschen wandeln,
Heischen ihre Huld,
Leben, wirken, handeln,
In der Brust die Schuld!
11. (Gotthilde)
An deinen frischen Lippen
Hing ich so glühend und so bang –
So manches liebe manches Mal –
Da ging mir durch die Seele tief
Ein wunderbarer Drang.
In deinen schönen Gliedern
Entschlummert ich mit heißem Blut
So manches liebe manches Mal,
Da ward mir, o so todessüß,
So überwohl zu Muth.
Warum in deinen Blicken
Kein hold Verlangen nimmermehr?
O wehe mir, ach, nimmermehr!
Da zieht es auch in meine Brust
So todt, so freudenleer.
12. (Gotthilde)
Wenn nur ein Gefühl der Liebe
Noch zu mir dich zieht,
Einer jener Triebe
Deine Brust durchglüht,
O so küsse, Theurer, mich denn noch einmal,
O so sende deiner Augen einen Strahl
In mein armes krankes Herz!
Schmerz um dich und wilde Qualen
Hab ich heiß gepflegt,
Mich zu tausendmalen
Schlummerlos gelegt.
O verstehe du den ausgeweinten Blick,
O nicht ganz zusammen brich mein zitternd Glück
Und mein armes krankes Herz!
Du nur kannst mir neubeleben
Den erloschnen Muth,
Du nur wiedergeben
Heitre Lebensglut.
O so küsse, Theurer, mich denn noch einmal,
Nur dein Kuß erweckt und nur dein Augenstrahl
Dieses arme kranke Herz!
13. (Faust)
Ach! die vergangenen Freuden
Die waren wohl so schön!
Jetzt will mir Alles verleiden
Verwehen und vergehn.
Es bricht mir überm Haupte
Die finstre Zeit herein,
Und was ich niemals glaubte,
Das trifft allmälig ein.
14. (Faust)
Was ist, daß allerorten
Mich meidet Lieb und Lust,
Ich glaube mir verdorrten
Die Rosen in der Brust.
Es fallen so viele Sterne
Vom Firmament herab,
Es gähnet aus der Ferne
Mich an wie Nacht und Grab.
15. (Faust)
Ich hatte Freund und Feinde,
Schuf mir und ihnen Weh,
Ich bin so müd, ihr Freunde,
Gebt mir die Hand, ade!
Ich möchte gerne schlafen
In einem wiegenden Kahn,
Der endlich in dem Hafen
Der ewigen Ruh hielt an.
16. (Faust)
Es war doch nur im Spielen,
Was ich bis heut errang,
So wenig von dem Vielen,
Was ich gewollt, gelang.
Ich trat in einen Orden,
Der Trost und Antwort hat,
Ich bin mir untreu worden,
Ich bin des Lebens satt.
17. (Faust)
Wie, rosig in Nacht und Schlummer,
Die Abendwolken verblühn,
So will ein stiller Kummer
In meiner Brust verglühn.
Der Abendstern der blanke
Steigt in das Blau herauf,
So steht ein heller Gedanke
In meiner Seele auf.
18. (Faust)
Nun hab ichs endlich überstanden,
Ich fühle mich so frei und froh,
Weil ich aus den verruchten Banden
Mit einer kühnen That entfloh;
Ich hab auf ewig sie verschworen
Die schmähliche Vergangenheit.
Von heute bin ich neu geboren.
Und morgen kommt die bessre Zeit.
Schon hat das Glück mir hergesendet
Aus seiner Sonne einen Strahl,
Ich jauchze, denn sie ist geendet,
Die tausendfache Seelenqual.
Dich, goldne Freiheit, hab ich wieder,
Mir schickt die Freude ihren Gruß,
Und zu mir selber kehr ich wieder
Und meinem heitern Genius!
Ein Abschied
»Laß, o laß mich weinen, laß mich klagen,
Wolle nicht nach meinen Thränen fragen,
Ach mein Klagen, ach mein seltsam Weinen
Locket in die Augen auch die Deinen.
Leb wohl, leb wohl!
Ich weiß nicht, was ich sagen soll.
Und was ich gerne sagen möcht,
Ueber die Zung ichs nimmer brächt.
Blicke freundlich, liebe gute Seele,
Deinen stillen Kummer nicht verhehle!
Sprich du nur, in einem sanften Herzen
Will ich treu bewahren deine Schmerzen.
Du bist so weich,
Ach, schönes Kind, du bist so bleich!
Gib mir die Hand, wie stumm du bist!
Du weißt, daß man zum Abschied küßt.
Laß, o laß, denn ich muß immer weinen,
Mond und Sonne werden nicht mehr scheinen,
Lenz und Lust sind ewig mir verflogen,
Mit den Schwalben sind sie fortgezogen.
Du theurer Mann!
Verzeih, daß ich nur weinen kann.
Ein Wörtlein drückt das Herz mir ab,
Und Schweigen selber ist mein Grab.«
Kannst du reden nicht, und kannst nicht schweigen,
Möchtest mir dein ganzes Innre zeigen –
Lebe wohl! laß dich zum Abschied küssen;
Sollten wir für immer scheiden müssen?
Geliebte du!
Nimm diesen Kuß und den dazu!
Schon sind wir uns gesunken, sieh!
Ans Herz und wissen selbst nicht wie.
Maria
Unter allen Schmerzen,
Die mir zugetheilt,
Wühlet mir im wunden Herzen
Einer, der nicht heilt,
Den ich stets erneue –
Ach, unsäglich ist der Schmerz der Reue!
Reue, daß ich Einen
Von mir lassen hieß,
Heiße, bittre Thränen weinen
Einen weinen ließ;
Den ich treulos nannte,
Einzig liebte, liebt und ganz verkannte.
Könnt ich rufen, weinen
Ihn, ach ihn zurück,
Ohne Thränen ließ ich keinen,
Keinen Augenblick!
Doch in welchen Stunden
Habt ihr klaren Auges mich gefunden?
Trügen Thränenfluthen
Mich zur ewgen Ruh!
Dem willkommnen Tode bluten
Meine Wunden zu.
Im gebrochnen Herzen
Heilen alle unheilbaren Schmerzen.
Die Braut
So sitz ich am Morgen,
Bei Tag und Nacht,
Und geb auf die flüchtigen
Wellen Acht.
Die Wellen, sie kommen,
Sie bleiben, sie gehn,
Doch keine läßt wieder
Den Freund mich sehn.
Und bin ich zu Hause,
So treibts immer mehr
Zum Platze, dem grausigen,
Aermste mich her.
Die Wellen, sie wandern,
Sie kommen und nahn,
Es bringet mir keine
Den Freund heran.
O bin ich so einsam,
Verlassen allein!
Mein Liebster muß ewig
Verloren sein.
Es brüllte der Donner,
Es tobte der Bach,
Die Brück ist geborsten,
Er stürzte so jach.
So ist er versunken
Ins nasse Grab,
Doch muß er noch kommen
Zu mir herab.
Nun schau ich ins Wasser,
Sitz hin und harr,
Wann kommt sie die Leiche
So bleich und starr?
O schäumet ihr Wasser,
Nimm auf mich du Bach,
Und treibt mich dem Freunde,
Dem liebenden nach!
Ein Lebewohl
Leb wohl, ich will dich nimmer sehn,
Will Nichts mehr von dir wissen,
Ob Thränen mir im Auge stehn,
Ich hab den Schmerz verbissen.
Als wie ein Vogel flattert fort,
Als wie ein Blatt im Lenz verdorrt,
Als wie ein Lenz vergeht,
Sei unser Traum verweht!
Es ist vorbei, es thut kein gut,
Wir passen nicht zusammen,
In gleichem Takte springt das Blut
Und prasseln unsre Flammen.
Wir liebten uns, es war ein Wahn,
Wir beteten uns selber an.
Geheimniß, tief und groß,
Zieht an und läßt nicht los!
Wir konnten auf der Herzen Grund
Uns schauen und erlauschen –
Wir könnten schließen neuen Bund
Und Lieb in Freundschaft tauschen,
Geschwisterlich zusammengehn,
Uns friedlich in die Augen sehn,
Doch nein! Leb wohl, leb wohl!
– So flieht sich gleicher Pol.
Ein Sylvester-Lied
Wohlauf Musik zum kommenden Morgen!
Nun werf ich hinweg die bleichen Sorgen,
Den eiteln Kummer,
Den Herzensverdummer,
Und allen Gram und jeden Verdruß –
Der Freundschaft geb ich neuen Kuß!
Nun bringet mir wieder den schäumenden Becher,
Ich werde schon wieder ein löblicher Zecher.
In rauschende Lieder
Schwärmender Brüder
Misch ich fortan meinen Jubel ein –
Es lebe die Freude, es lebe der Wein!
Das lumpichte Schmachten, das leidige Sehnen
Es tauget nicht, bringt statt Gedanken nur Thränen,
Nur Wanken und Schwanken,
Grübeln und Kranken,
Ein mißtrauisch Wesen, Jedwedem Halbfeind,
Und bringt zur Verzweiflung den besten Freund.
Begraben der Liebe Lust und Schmerzen!
Ich habe euch wieder, ihr fröhlichen Herzen!
Die kleinen Leiden
Sterben und scheiden,
Wir kosten den schönen Augenblick,
Und träumen laut von der Zukunft Glück.
Drum sollen sich alle Stimmen lösen,
Es ist ein tüchtiges Herz genesen.
Gesang erschalle,
Der Böller knalle!
Schaut vorwärts nur und nie zurück –
Gesundheit Brüder! Wohlauf Musik!
Stern der Zecher
Wer schenket den Wein
Den flammenden ein?
Wer schenket den Wein, den ich trinke?
Es ist die Marianne, die flinke!
Der Becher ist leer –
Wer schwebet daher
Mit voller, mit blitzender Kanne?
Die Fröhliche ists, die Marianne!
Das tanzet und nickt,
Das lächelt und blickt
So siegenden Augs in die Runde!
Da wird zur Sekunde die Stunde.
Ich mag nimmer fort
Vom seligen Ort,
Ich mag nur trinken und schauen
In ihre Augen die blauen!
Wär sie nimmer da,
Ach sie nimmer da,
Der Wein mir mundete nimmer,
Und Alles verwünscht ich in Trümmer!
Die Harmlosen
So lang uns aus den Bechern
Ein volles Leben lacht,
So mag die Welt uns lächern,
Die sich Gedanken macht;
Gedanken, ob es schicklich,
Zu tollen bei dem Wein –
Wir wollen nichts als glücklich
Und ungeschoren sein!
Ein Häuflein von Gedanken
Durchbrauset jetzt die Welt,
Und aus den alten Schranken
Tritt ein verjüngter Held.
Er wird dereinst besiegen
Die alte morsche Macht,
Das stolze Reich der Lügen
Umstürzen über Nacht.
Wir halten an den Bechern,
Sie trösten heut allein –
Bis Zeit ist, von den Dächern
Zu predigen vom Wein!
Es soll der Wein der Reben
Verscheuchen jeden Schmerz;
Der Liebe Wein beleben
Berauschen jedes Herz!
So lange drum gebunden
Die Zunge und der Arm,
Verzechen wir die Stunden,
Verjubeln wir den Harm.
Wir fragen nicht, ob schicklich,
Zu tollen bei dem Wein –
Und wollen nichts als glücklich
Und ungeschoren sein.
Unbestimmtheit
War ich nicht ein stiller Knabe?
Der in Büchern gern gelesen?
Seit ich sie gesehen habe,
Hab ich gar ein fahrig Wesen.
Durch die Fluren ohne Sorgen,
Durch die Wälder ohne Härmen
Möcht ich jetzt den guten Morgen
Und den lieben Mittag schwärmen.
Abends unter duftgen Bäumen,
Wo Musik erschallet, möchte
Ich zum trauten Becher träumen
Tief bis in die Mitternächte.
Ein Lebtag
Wir lagern in dem grünen Gras,
Wir ruhn im goldnen Sonnenschein,
Es blitzt der Wein im grünen Glas,
Es blitzt vom Aug der goldne Wein.
Abwechselnd Küsse geben
Dem Liebchen und den Reben,
Die Herzen und die Becher voll,
Ja – ja das heiß ich Leben!
Uns blaut der Himmel ins Gesicht,
Der laute Strom erquickt das Ohr,
Uns malt der Ferne Zauberlicht
Gar wunderselge Träume vor.
So Arm in Arm geschlungen,
Von Lieb und Wein durchklungen,
Sei durch den grünen hallenden Wald
Der Freude Preis gesungen.
Hört ihr das milde Säuseln schon?
Es kündet schattenvolle Ruh,
Es wispert durch die Buchenkron
Und küßt im Gras die Blumen zu,
Es rauschet auf und nieder
Wie singendes Gefieder,
Das sind der Tageskönigin
Schauersüße Schlummerlieder.
Und vor uns glüht der Himmel auf,
Auch wir sind rosig überhaucht,
Vollendet ist der Sonnenlauf!
Der große Stern ins Meer getaucht.
Die letzten Perlenfunken
Zum Scheidegruß getrunken!
Füllt an, füllt an, uns hat das Licht
Auf Wiedersehn gewunken.
Schaut um und auf! im tiefen Blau
Der goldne Brachmond schwimmt heran,
Er wandelt durch die Sternenau
So leuchtende verschwiegne Bahn.
Steht auf, steht auf, Genossen!
Die Nacht ist ausgegossen –
Den kühnen Wünschen in der Brust
Die Herzen aufgeschlossen!
Besitz
Das hat mich oft dem Glück
Der Götter nahgebracht,
Erwog ich treu, wie Liebe glücklich macht;
Nicht aber in schmachtender duftiger Fern,
Nein nein, recht in der Nähe lieb ich gern.
Es ist mein lieber Schatz
Ein frisches junges Blut,
Das Arm in Arm an meiner Seite ruht;
Nicht aber voll klagender nagender Pein,
Nein nein, recht voll von Küssen soll die Liebe sein.
Durch unsre Pulse schwellt
Das Feuer und die Kraft,
Wir halten uns zweibeid in süßer Haft;
Nicht aber in duftiger klagender Fern –
Nein nein, so ganz und heftig lieben wir gern.
Beim Wein
Wenn laute Becher klingen
Und golden grüßt der Wein,
So wollen wir auch singen
Und guter Dinge sein,
So wollen wir, so sollen
Wir bis der Tag erwacht,
Durchjubeln und durchtollen
Die ganze schöne Nacht.
Wenn sich aus allen Winden,
Nach langer leerer Zeit,
Die Freunde wieder finden
Mit alter Herzlichkeit,
So sei, was unterdessen
Bekümmerniß gemacht,
Vertrunken und vergessen
Die ganze schöne Nacht!
Es soll kein Achselzucken
Uns Grund zum Aerger sein,
Und müßten wir ihn schlucken,
Wir schluckten ihn mit Wein;
Die Heuchler und die Neider,
Sie seien ausgelacht,
Zum Aergernisse Beider,
Die ganze schöne Nacht!
Und wessen wir gedenken,
Worauf wir Häuser baun,
Worauf wir hocheinschenken –
Noch immer sinds die Fraun!
Laßt nicht den Geist verschäumen,
Der Liebsten seis gebracht!
Sie möge süß verträumen
Die ganze schöne Nacht.
Wenn laute Becher klingen
Und golden grüßt der Wein,
So soll ein fröhlich Singen
Und tüchtig Trinken sein!
Mit Schwächen und Gebrechen
Sind wir nur schlecht bedacht,
Die alten Deutschen zechen
Die ganze schöne Nacht!
Gesang der guten Seelen
Stoßt an mit fröhlichem Singen,
Und seid drei Farben hold,
Schön dunkel sind die Straßen,
Schön roth sind unsre Nasen,
Der Wein ist pures Gold!
Wo unsre Farben gelten,
Verschwindet alles Leid;
Wir sind ein Volk von Brüdern,
Und Freiheit in den Liedern
Sie kommt in Wirklichkeit.
Zwar sind verpönt die Farben
Im deutschen Vaterland;
Ach, nur in stillen Symbolen
Verehret sie verstohlen,
Ein trauter Zechverband.
Ob alle untreu werden,
Wir bleiben den Farben hold!
Wir halten sie hoch in Ehren,
Wir werden die Welt bekehren
Zum Schwarz und Roth und Gold!
Wanderlied
Freunde, flinke fröhliche Schaar,
Streift durch Berg und Wald!
Strömendes Wasser, wild und klar –
Durch! kein Aufenthalt!
Morgensonne, fröhliches Licht,
Sei gegrüßet vielmal!
Jammerseelen scheine du nicht,
Goldener Freudenstrahl.
Rausche, du grüner fröhlicher Wald,
Unsern Liedern zu,
Wer sie grüßend wiederhallt,
Rauschender, sei du!
Morgenwind, o fröhlicher Wind,
Brause du frisch voraus,
Kerlen, die ganz lang-weilig sind,
Blase den Odem aus!
Festlied
Erschalle, Lied, aus froher Zecher Mitte,
Durchschüttre, Becherklang, den Saal!
So freun wir uns der guten alten Sitte,
Und füllen dreimal den Pokal.
Auf! seid mit Herz und Mund dabei,
Und hebet die Becher, eins, zwei, drei!
Du Erster, leuchtend ein verzehrend Glühen,
Mach unsre Geister phönixjung,
Verflüchtige an kleine Noth und Mühen
Den Nebel der Erinnerung!
Denn soll uns der Himmel recht sonnig blühn,
Müssen die alten Gewölke fliehn.
Das andre Glas: der Heuchler soll erblassen!
Der Freude ist das Glas geweiht!
O sagt, wer kann sie all im Busen fassen
Die süße Unermeßlichkeit?
Wir hoffen, wir schwärmen, es träumet das Herz,
Es hat nichts erfahren, kennt keinen Schmerz.
Drum noch einmal! Gruß unserm Zechgelage!
Der Zukunft – Gruß! dem Lebensmuth!
Ein Morgenroth beglückter Sonnentage
Sei dieses Festes Freudengluth!
Laßt nimmermehr ab von deutscher Art,
Dann ist euch die Zukunft in Treuen bewahrt.
Metaphysisches Lied
Was macht das Leben wünschenswerth?
Was reizt die Geister, was begehrt
Der Weise, hör ich fragen.
O geht zu einem Weisen hin!
Denn ich, der ich kein Weiser bin,
Ich darf es euch nicht sagen.
Was ist es, so dich aufrecht hält,
Was mit dem Dasein auf der Welt
Kann dich, o Mensch, vesöhnen?
Geht doch zu einem Weisen hin!
Denn mich, der ich ein Dichter bin,
Mich würdet ihr verhöhnen.
Doch ihr kommt wieder? Um vielleicht
Zu hören was den Thoren däucht?
So laßt den Rath euch geben:
Thut, was ihr wollt und bleibt gesund,
Gesund, gesund, dann wird euch kund
Warum der Mensch will leben!
Dann lebet in den Tag hinein,
Und schlafet Nachts und bleibet rein
Von Grundsatz und von Sünde!
Dies ist ein Kunststück, wer es kann,
Beherrscht die Welt, er frage dann
Nicht nach, wie ers begründe!
Eulenspiegler
Gehn wir allein im grünen Wald,
Durchschauert es uns die Seele so kalt,
Da denken wir nur an Eis und Schnee
Und allen Elends häßlich Weh.
Und gehn wir durch das weiße Gefild,
Durchschauert es uns so süß und mild,
Da träumen wir von der lenzigen Lust
Und von der klopfenden Menschenbrust.
O Herz, du bist nicht schuld daran,
Das haben die bösen Menschen gethan,
Dieweil sie an der vielschönen Welt
Uns alle Liebe und Lust vergällt.
Drum sitzen wir lieber im Kämmerlein
Beim Freund, dem treuen, dem alten Wein,
Wohl, der ist in allen Dingen zu Haus,
Er hat uns getröstet Jahr ein Jahr aus.
Simples Neujahrslied
Vorüber ist das alte Jahr,
Ich wünsche Glück zum neun!
Was euch das alte noch nicht war,
Soll euch das neue sein.
Ich greife zu dem vollen Glas,
Und trink es aus und sag,
Ich wünsche Jedem Alles was
Er selbst sich wünschen mag.
Ich wünsch euch Alles, was auch euch
Befriediget und reizt,
Und daß mit euern Wünschen sich
Der meinen keiner kreuzt!
So treten wir ins neue Jahr
Getrosten Muthes ein –
Und was im alten noch nicht war,
Erfülle sich im neun!
Der Weinenthusiast
Ihr rechnet mit des Lebens Größen,
Und ihr gelanget nur zum Schmerz.
An unvermeidlichen Verstößen
Verblutet bald des Menschen Herz.
Was bleibt ihm übrig, als zu flüchten
In das Mysterium des Weins?
Mit Seelengröße zu verzichten,
Beim goldnen Flascheneinmaleins.
Die Freunde müssen uns verlassen,
Das Schicksal treibt sie alle fort;
Doch Menschen, die den Wein nicht hassen,
Hat jede Zeit, hat jeder Ort.
Und wenn die Menschheit selber glücklich
Sich heute nicht zu nennen wagt,
So ist das Wort schon unerquicklich,
Das auch den Becher mir verklagt.
Was war dem Weisesten der Weisen
Der Werth der ganzen Wissenschaft?
Im Tod ein Trinker noch zu heißen,
Trank er mit Lust den Schierlingssaft.
Und Noah, der schon am Ertrinken,
Blieb doch dem Trinken freundlich nur;
Auch Doktor Luther, will mich dünken,
Begriff des Kelches Heilnatur.
Vergebens singen wir die Erben
Der Sklaverei im Liebesnetz,
Die Liebe aber kann auch sterben,
Und untreu werden kann sie stets.
Den Becher können sie nicht nehmen,
So lang dies Ich sich nicht verliert,
So lang sie diesen Geist nicht lähmen,
Und dieser Leib nicht müde wird!
Bleibt mir der Becher nur, der volle,
So miß ich keinen Erdenreiz,
So fluch ich jedem eitlen Grolle,
So spott ich alles eitlen Leids.
Gelassen will ich stets erscheinen,
Wenn jedes Auge feucht erscheint,
Und nur noch mit der Rebe weinen,
Die ächte Freudenthränen weint!
Im Keller
Das Trinkhorn her! und lasset kreisen
Die dunkle Fluth bei Sangesweisen!
Ein tüchtger Schluck, ein voller Zug,
Thu Jeder, was er kann!
Und ist es um und nicht genug,
So fangt von vornen an!
Das Horn herbei! hoch lasset schäumen
Den Saft zu süßen Zecherträumen!
Der Wein entgleitet, leise kömmt
Vom Rand der Fluthenschwall,
Wie aus erstarrtem Leibe strömt
Die Seel ins Weltenall.
Das Horn herbei! vom Wein das Singen
Ist keine That noch und Vollbringen.
Das Trinken, wenn die Schale kreist,
Erkenntniß schafft und Lust,
Es ruht in jeder Form ein Geist –
O macht ihn euch bewußt!
Das Horn herbei! wem soll er gelten,
Der tiefe Trunk, den Thoren schelten?
O prahlet nur mit Seelenruh
Und anderer Sympathie,
Wir trinken hoher Liebe zu
Und ihrer Poesie!
Das Horn herbei! und leert es muthig!
Einst stritt es Kämpfe hart und blutig,
Als tief in Westens Wälder noch
Es trug ein freies Thier,
Das nie den Nacken bog ins Joch,
Halsstarrig – so wie wir.
Das Horn herbei! es ist ein Zeichen
Beherzten Kampfes ohne Weichen!
Trinkt Alle draus! so war es eh,
Als man noch Frohsinn kannt,
Und noch nicht so viel feiges Weh
Im alten Vaterland.
Freundschaft
Was aber hätt ich von dieser Welt,
Und hätt ich, was ich wünscht, im Nu,
Was Herz erwärmt und Geist erhellt,
Und hätt keinen Freund dazu?
Was hätt ich von aller Liebe gar,
Was hätt ich von dem funkelnden Wein,
Wenn Alles, was süß mir ist und war,
Nur blühte für mich allein?
Was wollt ich mit der schwellenden Brust
Und schütte sie arglos nimmer aus?
Vergrabenes Leid, verschlossene Lust,
Das ist der Seelengraus.
Der Alles überdauern muß,
Wenn dir so manche Blüthe geknickt,
Das ist des Geistes kräftiger Genuß,
Der ewig verjüngt, erquickt.
Es ist allein der liebende Freund,
Der Einen ganz und gar versteht,
Der mitgelacht und mitgeweint,
Geärntet, was mitgesät.
Dann erst, o dann, geschähs einmal,
Da würd es einsam in dir und leer,
Wenn deine Freunde wegstürben all,
Würde dirs Leben schwer.
Persisch-Deutsch
Die Welt mit ihren Vorurtheilen
Besiegt allein das volle Glas,
Oft müßt ihr mit den Wölfen heulen,
Drum sühnet euch mit Feuernaß!
Und aus der vollsten, tiefsten Brust
Schlagt an das Lied, das Lied der Lust!
So führt zum Mund den Sprudelbecher
Und trinkt ihn aus mit frischem Zug –
Des Lebens rasch vernünftger Zecher
Hat an dem Tropfen nicht genug:
Jedweder tiefe Becherkuß
Ist ein vollkommener Genuß!
Laßt Heuchler und Philister schwatzen,
Ach! ihr Verdienst ist ohnegleich;
Ist, ihre Herzen brandzuschatzen
Für ein begehrend Himmelreich:
Von Sinnengluth und Seelenfeuer!
Wär uns der Loskauf allzutheuer.
So prallt die Gläser aneinander!
Und springet eines auch dabei,
Der Ton ist uns kein unbekannter:
So bricht ein fröhlich Herz entzwei.
Der Lust und süßer Flammen voll
Das Herz des Menschen brechen soll!
Die Lieder schlafen auf den Zungen
Und unsre Häupter wiegen schwer –
Zum Letztenmal denn angeklungen,
Zum Letztenmal die Becher leer!
Das Eine Lied gelingt uns noch:
Die Freiheit lebe, lebe hoch!
Augenlust
Es thut mir in der Seele wohl,
Seh ich ein grünes Thal,
Darein die Sommersonne voll
Ergießet ihren Strahl;
Und um und um der Bergeswald,
Und durch die Matten, jach,
Hinstrudelt, daß es wiederhallt,
Die wilde Well im Bach.
Es thut mir in der Seele wohl,
Seh ich ein stolzes Blut,
Die Wange klar, das Aug nicht hohl
Von ausgebrannter Glut.
Und einen feinen starken Leib
Und einen edlen Schritt –
Ach, ist es gar ein schönes Weib,
Nimmt sie das Herz mir mit!
Aus dem Feld
Ab die Helme! weg die Schwerter!
Werfet euch ins Gras!
Weicher ruht kein Ehegärter –
Jetzt nur Wein ins Glas!
Marketendrin, schenke ein!
Marketendrin, hast du Wein?
Lustig wollen wir sein.
Freunde trinkt, der letzte Batzen
Soll hinunter heut!
Aus, vorbei sind die Strapatzen,
Und der Feind zerstreut.
Spielleut, stellt euch in die Reihn,
Macht Musik und schenkt euch ein,
Trommler wirble drein!
Heisa lustig Lagerleben
Nach der bittern Schlacht!
Gott hat uns den Sieg gegeben,
Er hats brav gemacht.
Herrlich ist, nach Noth und Pein
Auszuruhn im Sonnenschein,
Wieder lustig sein.
Hoch soll unser Feldherr leben,
Er ist unser Mann!
Liebt die Schlacht, das Weib, die Reben,
Weil er Alles kann.
Marketendrin, schenk doch ein!
Marketendrin, bessern Wein,
Wenn wir Vivat schrein!
Unsre Brüder sollen leben,
Die verscharrt im Sand,
Wir, und selbst der Feind daneben,
Der uns wacker stand!
Hurra heisa schenket ein!
Vaterland, auf dein Gedeihn!
Marketendrin, Wein!
Weinlied
Eine Kanne guten Weins lasset fröhlich kreisen!
Besser Liedchen weiß ich keins, als den Wein zu preisen.
Thut er nicht die Herzen auf,
Bringt er die Gedanken
Nicht in hellen Schwung und Lauf,
Die in Schlummer sanken?
Setzet er mit starkem Hauch manchen Kopf in Flammen,
Führt er die Gemüther auch wieder schnell zusammen.
Keinen besseren Geselln,
Muß ich frei bekennen,
Als den Wein, den immerhelln,
Weiß ich dir zu nennen!
Solche Glut und solchen Witz find ich nirgends wieder,
Wenn ich diesen Freund besitz, hab ich tausend Brüder!
Daß er selber ist ein Gott,
Duldet keinen Zweifel,
Hat er auch im Leibe flott
Den leibhaftgen Teufel.
Lied zum Wein
Seid immer weise und beharrlich,
Und von dem Weine lasset nie!
Das nenn ich deutsche Treue, wahrlich,
Das nenn ich mir Philosophie!
Am lieben Becher festzuhalten,
Macht Leib und Seele mir zur Pflicht;
Wie auch mein Schicksal möge walten,
Den guten Menschen beugt es nicht.
Die Demuth schickt sich für den Christen;
Doch richtet mich ein Freund empor,
Und hilft mirs Leben weiterfristen,
Das ist der göttliche Humor.
Auf allen meinen Lebensreisen
Führ ich den Freund mit mir herum –
Den braven Kerl, den Stern der Weisen,
Das Taschenevangelium.
Mostlied
Kommt herein, ihr frohen Freunde,
Eilt heran, ihr Brüder all,
Rosenjunge, sonngebräunte,
Geisteskönig und Vasall!
Nur ein freudiges Gemüth,
Das in Zecherwonnen glüht,
Ist der Paß, den wir begehren,
Einen Becher heut zu leeren.
Eure Kehlen sind so trocken,
Eure Zungen, o wie stumm,
Eppich windet um die Locken,
Blumen um den Leib herum!
Auf den Rasen lagert euch
Neben duftiges Gesträuch,
Fangt zu trinken an, zu singen,
Und wer tanzen will, soll springen!
Ausgegohrnen Weisheitsbecher,
Wein, wir trinken keinen Wein!
Ehrentrunk biderber Zecher,
Saft der Gerste wird es sein?
Kunstgewässer? schlechte Post!
Nein wir trinken Traubenmost,
Most, der vor dem Wein erfunden,
Most der Trauben soll uns munden!
Ihr müßt werden wie die Kinder,
Darum trinket einmal Most,
Und den Wein, den alten Sünder,
Lasset schlafen nur getrost!
Gerne liegt er träg im Faß,
Freut sich, so zu werden baß,
Daß er gar gesetzt, beim Lüften,
Weniger Unheil möchte stiften.
Wer vermag den Most zu preisen,
Rühmen unter Sang und Klang,
Athmen nicht schon unsre Weisen
Munterkeit und Thatendrang?
Schaut mir an den tollen Most,
Wie er tobt im Glas und tost!
Ohne Tücke, ausgelassen,
Wie ein Trotzkopf auf der Gassen.
Wer soll leben, wer ist würdig
Eines donnervollen Tosts?
Wer ist Geistesebenbürtig,
Wer verwandt der Kraft des Mosts?
Helden gibt es nur genug:
David, der den Goliath schlug!
Jung Roland, jung Siegfried lebe!
Und – das Götterkind jung Hebe!
Lied
Wer nie geprüft, wer nie gefragt
Nach aller Dinge Grund,
Wer nie um Wahrheit sich geplagt,
Ob sie ihm werde kund?
Wer nicht den freien Blick bewahrt
Der Vorwelt und der Gegenwart,
Die er genießt, begreift –
Ist nicht zum Mann gereift.
Wer nie an einer That der Kraft
Den frischen Geist gelabt,
Wer niemals eine Leidenschaft
Sein Lebenlang gehabt,
Und nie ein überschwänglich Glück,
Und keinen großen Augenblick,
Der läutert und erhebt –
Umsonst hat er gelebt!
Wer nie ein liebes Weib umarmt,
Den Becher nie geküßt,
Er ist an Leib und Seel verarmt,
Von keinem Stern gegrüßt;
Dem hat sich auch kein Freund gesellt,
Der schleichet durch die schöne Welt
Ein Trostverlaßner hin –
Er hat es nicht Gewinn.
Ein ander Lied
Nun singt einmal und stimmt die Saiten
Zu einem Lied von besserm Klang!
Verrauschet sind die matten Zeiten,
Wo man nur Wein und Freude sang –
Wenn eine Welt zusammenfällt,
Klingt laut heran die neue Welt.
Wir sind geworden andre Zecher
In einem Wein von kühnerm Gischt,
Doch klirret an die alten Becher,
Daß sich der Klang bezaubernd mischt!
Ein alt Gefäß, ein neuer Kern!
Bis es zerschellt, hab ich es gern.
Wir werden schönre Becher finden
Von reinem Klang zum neuen Wein,
Wir werden bessre Formen gründen,
Die unser Kleinod schließen ein.
So singt, und stimmt die Saiten klar,
Einst wird die süße Hoffnung wahr!
Was heut im Trunk der Zecher leiste,
Und jedes herzgesungne Lied,
Es sei gebracht dem hohen Geiste,
Der nur für Lieb und Wahrheit glüht:
In diesen schwelgt der neue Ruhm,
Sie sind das beste Menschenthum!
Badisch Trinklied
Mein Heimathland, mein badisch Land,
Wer preiset dich und hat Verstand
Und lobt nicht deinen Wein?
Markgräfler schenket ein!
Wohlan, der ist wie gelbes Gold,
Was aus dem Rhein der Landsmann holt,
Doch schenkt ihr Rothen ein,
Solls Affenthaler sein!
Fürwahr das heiß ich Rebenblut!
Und Roth und Gelb das dünk euch gut,
Trinkt Landesfarb im Wein!
Wie lustig blickt sie drein!
Ein muthiger, ein froher Sinn,
Ein treuer Sinn vom Rhein bis in
Die Berge weit hinein
Soll immerdar gedeihn!
Mein Heimathland, mein badisch Land,
Dich preis ich laut, wer hat Verstand
Und Herz, der stimme ein!
Gut leben ist am Rhein!
Wandern im Dahner Thal
Wie lieb ich dich, o Dahner Thal,
Im alten Wasgenwald,
Wie bist du schön im Morgenstrahl,
Vom Vogelsang durchschallt!
Von deinen Höhen winkt ein Gruß,
Der zieht den Wandrer hin,
Weiß nicht, wie ihm geschieht, er muß
Durch diese Berge ziehn!
Da schaut vom Felsen hoch und schroff
Herab manch grauer Thurm,
Auf den umsonst die Wolke troff
Im kalten Nebelsturm.
Drin haußete ein kühn Geschlecht,
Heut ist es Moder nur,
Doch deine Jugendkraft ist ächt,
Unsterbliche Natur!
Windhauch wie süßer Odem weht
Zum düstern Rothelstein,
Der ist vor allen hocherhöht
Ins Himmelblau hinein.
Du rufst hinaus mit hellem Schall,
Hinaus ins Sonnenthal,
Da rufen euch die Berge all,
Die Berge sonder Zahl.
Erst tönt es hohl am Lindelbronn,
Das ist ein stolzes Schloß,
Dann klingt es feierlich, davon
Erwacht der Barbaroß.
Der ruht im Trifels ferne, fern,
Da ritt er hin bei Nacht,
Zum Haus, wo er den Tag so gern
Im Leben zugebracht.
Wohlauf, Genossen, wandern wir
Dahin mit Sang und Klang!
Frau Wirthin hat gut Wein und Bier,
Das wissen wir schon lang.
Zu Heidelberg im faulen Pelz
Ist nicht so traut Quartier,
Vorüber denn am Drachenfels,
Zum Trifels wandern wir!
Fürwahr, das ist ein Kaiserschloß!
Glüht purpurn himmelwärts!
Seht doch ins tiefste Erdgeschoß!
Dort saß der Löwenherz.
Schon dämmerts kühl, der Tag war lang,
Wir rasten hier zur Nacht!
Freund Blondel stimmt in unsern Sang
Getrost mit ein, gebt Acht!
Wie lieb ich dich, du holdes Thal,
Im alten Wasgenwald,
Wie bist du schön im Abendstrahl,
Vom Wandersang durchschallt!
Von allen Höhen winkt ein Gruß
Herab, hinaus zum Rhein,
O grüße wieder, trauter Fluß,
Blick auf im Vollmondschein!
Am Rhein
Laßt klingen tröstlichen Feierklang
Vom schäumenden Rebenglas!
Laßt brausen festlichen Rundgesang,
Durch ihn schon Mancher genas!
Auch dieser Stunde Spur
Wird einst verwischt und verschwunden sein,
Doch still davon,
Wir wissen schon –
Ach! einmal leben wir nur!
Was eifert ihr um der Wahrheit Licht,
Die Wahrheit findet sich schon,
Und will auch Uns noch erklingen nicht
Ihr lauterer Glockenton!
Klingt an mit lichtem Pokal!
Aneinander o prüfet der Kelche Klang!
Ein Gott soll sein
Im edeln Wein,
Erlöset den Gott einmal!
Und trinkend lauschet des Herzens Wort,
Dort kündigt der Gott sich an,
Die beste Wahrheit, sie kömmt von dort,
Die frohe für Jedermann.
Es ist die Blume des Weins
Der Athem des Gotts und der Gott er ist
Der Liebe Geist,
Den Alles preist
Am glücklichen Ufer des Rheins!
Traum und Bild
Maigesang
Ihn will ich schauen
Den tiefen blauen
Südlichen Himmel!
Das reine, ewige Azur,
Das blaue Meer der Wonne,
Darinnen prächtig blitzt
Die goldne Mittagssonne.
O Wonn, o Wonne!
Ich ruht im kühlen Schattengrün
Bei Freund und Liebchen und Gesang,
Und Worte, geisteskühn,
Kuß und Klang
Sprudelten durch die Blumen hin.
Grüßende Augen,
Grüßender Wein
Goldener kreiset im holden Verein!
Buche weht lieblichen Duft,
Linde würzt schmeichelnde Luft,
Waldvögelein ruft,
Die Wasser rauschen durch Berg und Kluft.
O Wonn, o Wonne!
Seele, du freue dich,
Lachendes Herz, erquicke dich!
Und du versöhnter,
Neuaufathmender Geist,
Herrlich entfalte dich!
Die Freud allein,
Die Lust und Lieb allein,
Strahlende Heiterkeit
Ist der bewegende Gott
In Menschenbrust –
Machet sie weit,
Machet sie stark,
Hier nur ist Leben,
Hier Gedeihn.
Zum tiefen blauen
Azurnen Himmel
Lasset uns schauen!
Also von Wolken rein,
Rein vom Nebel der Sorge,
Rein vom feuchten Kummer,
Von düstrer Entsagung
Sei die Seele, sie sei
Heiter in lachender Menschenbrust!
Jammer und Noth und Qual
Wirket das Widrige,
Die Kraft der Verzweiflung
Fürchterlich nur,
Grausam nur ist sie,
Zeuget das Schreckliche.
Der Wolken grollen,
Donnerrollen,
Der grasse Schein,
Zernichtender Wetterschlag
Schaffet wohl endlichen Tag –
Aber nur dieser,
Leuchtender, freundlicher Tag
Ist auch der dauernde.
Stark allein und mächtig
Machet das Glück!
Nur der fröhliche Geist
Wird das Unsterbliche thun,
Das Weltentzückende,
Edle und Ewige.
Segen dem Wein.
Segen der Liebe!
Wer sie vertriebe,
Löschte den Sonnenschein.
Komm Freund,
Wein, Liebchen, komm Gesang!
Kuß und Klang!
Froh rausche, Strom, das Thal entlang!
Wo sind sie, die Schmerzen?
Thut auf euch, ihr Herzen,
Thut auf euch, ihr Augen,
Zu spiegeln, zu saugen
Das süße Dasein nur!
Der Wein vermähle
Geist, Herz, Natur
Zu einer Seele..
O Wonn, o Wonne!
Auf die Berge!
Auf die Berge möcht ich wieder,
Auf die sonnenfrohen Höhen,
Wo die schönen Lüfte wehen,
Aus der Stube, aus der Stadt!
Ha, die Brust, voll neuer Lieder,
Steig ich nieder in die Thale,
Sitze wonnig müd zum Mahle,
Das so viel der Freuden hat.
Schau dem Freund ins kühne Auge,
Lache mit dem blauen Himmel,
Mit dem ungetrübten Himmel,
Mit der ganzen heitern Welt.
Fühle wieder, was ich tauge,
So zur Freude so zum Streite,
Noch zuvor des Unmuths Beute,
Weiß ich heute mich ein Held.
War die Mühe doch vergebens
All der zähen Plagegeister!
Zeig ich ihnen jetzt den Meister
Wohl zum Spott und zum Verdruß!
Freue mich so recht des Lebens,
Allem Guten, Freien, Schönen
Will ich glühen, will ich fröhnen,
Mich erfüllt ein Genius.
Rigi
Ist mir oft der Wunsch gekommen
Abzuschütteln diese Glieder,
Dieses Herz voll Sturm und Wunden –
Seid mir theuer, bittre Stunden,
Aber kehret niemals wieder!
Kannst du zwischen Zeilen lesen,
Steht es flammend dir geschrieben:
Nur der Wahnsinn flucht dem Leben,
Nur den Thoren macht es beben –
Wers begriffen, wird es lieben.
Ausflug in den Schwarzwald
1.
Im Höllenthale drohen
Die Felsen hoch herein,
Die schauerlichen schüchtern
Den frühen Wandrer ein.
Dann öffnen sich die Berge
Der hohen Ebene zu,
Die Tannen und die Matten
Prangen in grüner Ruh.
Am dunkelblauen Himmel
Milchweiße Wolken ziehn,
Lieblich in wilder Gegend
Himmel und Blumen blühn.
Und ehe die Hügel schließen
Das Thal mit sanfter Höh,
Da spiegelt sich die Sonne
Im tiefen Titi-See.
Es baden die müden Freunde
In seiner frischen Fluth,
Und stärken Leib und Seele
Und wandern wieder gut.
2.
Zum allerhöchsten Gipfel
Richten sie spät den Lauf,
Es steigen die steinigen Wege
Zum großen Feldberg auf.
Tief unten an seinem Fuße
Ein finster Wasser steht,
Drein fallen die Felsenwände,
Und Geisterflüstern weht.
Von oben schaut herunter
Der königliche Berg;
Ihm hütet den Spiegel unten
Ein tannengrüner Zwerg.
Durch unerträglich Schimpfen
Scheucht er den Wandrer fort,
Der störend wollte weilen
Am heimlich heiligen Ort.
Ein fürwitzvoller Bursche
War einst, es ist verbürgt,
Dort, wo die Quelle röchelt,
Hat ihn der Zwerg erwürgt.
3.
Hinauf denn über die Klippen!
Ringsum der endlose Wald.
Hinauf, hinan die Haide!
Wir sind da droben bald.
Seht dort die seltsamen Wolken,
Sie bleiben dieselben stets,
Sie scheinen nicht zu folgen
Dem Wind und Wettergesetz.
Das sind die Alpen, Alpen,
O wunderherrliche Schau!
Aus Süden herüberglänzend
Golden und silbergrau.
Und immer höher und höher
Beim brechenden Abendlicht!
Die Hirten sind abgezogen,
Es klinget die Weide nicht,
Hochoben auf dem Kulme,
Welch unverhofftes Glück!
Erhaschen wir der Sonne
Allerletzten Scheideblick!
Auf purpurreichem Pfühle
Der Gott des Tages ruht,
Die Winde tragen ihn schwebend
Hinunter in ferne Fluth.
4.
Mit ihrem holden Ernste
Anziehet die sternvolle Nacht
Und weilet, bis mit dem Vogel
Der Morgenwind erwacht.
Da streifen rosige Lichter
Den Himmelsaum umher,
Es fluthet über die Berge
Der Düfte wogendes Meer.
Ha, schautet ihr das Blitzen
Fern über den fernsten Höhn?
Und jetzt, die Feuerkugel
Siegend im Himmel stehn!
Sie steiget stolz und freudig
Heran ins blaue Feld;
Sie strahlet und sie glänzet,
Vor Wonne zittert die Welt.
5.
Und um und um, die Lande,
Das Auge schweift hinaus,
Entzückenvolle Schönheit!
O süß gewaltger Graus!
Dort unten in den Thälern
Noch immer Schlaf und Nacht,
Hier oben Tag und Leben,
Daß Herz und Himmel lacht!
Hier oben Schnee und Blumen –
Schneeglöckchen läutet: Platz
Den schönen Töchtern des Sommers!
Der Schnee ruft: sachte Schatz!
Ich weiche gern, doch jede
Von deinen Schwestern muß
Die liebliche Stirne reichen
Dem Schnee zuvor zum Kuß!
Das ist die Ehre des Alters.
– Voran jetzt durch den Teich
Dem Bach entlang thalauswärts
Zum grünen »Himmelreich«!
Im Breisgau
Welt der Berge!
Wie du wogst vor freudigen Augen!
Mein Gedank ist neu erhellt
Darf er also freigestellt
In die blauen Gründe tauchen.
Berghäupter unwillkürlich erscheinen
Gleich lebendigen dunkeln Wesen,
Ich mags an den finstern Stirnen lesen,
Wie sie sich zaubergewaltig meinen
Berghäupter riesengroß
Schauerlich herübergrüßen
Aus der Ferne unendlichem Schoos.
Ich schaus wie die Zwergesrücken,
Die kleinen Hügel sich bücken,
Krümmen sich vor ihren Füßen.
Ueber den Wald hin spielet das Himmelslicht,
Und die Tannenberge stehen
In silbergrau blendendem Glanze,
Liebliche Lüfte wehen,
Kosen mit üppiger Pflanze,
Oder sie drehen
Sich hinunter im Wirbeltanze
In die aufgähnenden Schluchten.
Dort hausen die Brüder des Sturms
All die brausenden Stimmen
Die von Abend und Morgen und Mitternacht
Rasend durchs Luftmeer schwimmen.
Und mit sich reißen sie
Nebeldünste,
Die langsam den Tiefen entsteigen,
Thürmen sie auf zu Wolken,
Daß Donner erkracht
Und die starren Wälder sich beugen –
Das ist der Winde Macht.
Im düsteren Wirrwarr zucket der Schein,
Wenn es gähret und lange gegohren,
Der Blitzstrahl glühet die Lüfte rein –
Da wird die Frische geboren.
Unendliche Bergwelt,
In dir woget ein göttliches Schaffen,
Unsichtbar sichtbar
Rauschend Leben
Weben und Leben.
Wie frohaufschäumend
Kühn sich übers Geklüfte bäumend
Das sprudelnde Wasser zur Tiefe fällt!
Durch Busch und Gestein
Rieselt es in die Thäler herein,
Wohin sich dränget sein Lauf
Springen lebendige Blumen auf.
– Und rings ein lustiges Grün!
O reiche Natur, o liebende Mutter –
Da fliehn die erheiterten Wesen,
Auch deine Menschen hin!
Dahner Thal
Von dem Himmel rauschet rascher Regen,
Schwer und trüb durchstreicht der Wind die Räume,
Nebel raubt des Lichtes goldnen Segen,
Um der Tannenberge dunkle Säume
Lagert Dunst.
Fürder schritt ich, öfter wars ein Waten,
In dem losen Wege, über Trümmer;
Hingeschmettert sah ich hohe Saaten,
Felsen draufgerollet; steiler immer
Ward der Berg.
Welchem Zauber ist das Thal erlegen?
Welcher Bann hat seinen Reiz getroffen?
Wie ein Herz erbebt in Wonneschlägen
Bebte sonst in träumerischem Hoffen
Hier Natur.
Haine tönten, süße Schlummerfrühe
War gebreitet über Berg und Auen,
Eh die Sonne heiße Tagesmühe
Land und Leuten brachte unterm blauen
Himmelszelt.
Heute schweigt der einst so heitre Morgen,
Wolken beugen um die feuchten Hügel,
Und Gesichter voll Verdruß und Sorgen
Schneiden sie herunter in den Spiegel
Seichter Seen.
Trauerselig von dem Walle nicken
Ritterburgen, alter Herrlichkeiten
Düstre Zeugen, Wehmuthsgrüße schicken
Sie zu Thal, gedenkend beßrer Zeiten
Eisenglanz.
Herrlich wohl und schrecklich ist gewesen,
Als die Ungewitter sie umrollten!
Donner schlug die Mauer, wankend lösen
Von dem Fels die Schlösser sich, als wollten
Sie vergehn.
Sieh! ein neues Wetter hängt im Osten,
Fernab grollt es, grelle Blitze zucken,
Bang erzittern wieder die verschloßten
Saatgefilde, sieh, die Halme ducken
Sich mit Hast.
Mitleid weckt ihr säuselndes Gewimmer,
Und vorüber saust das stolze Wetter.
Welcher Sturmwind, hinter ihm der Schimmer,
Wirft die Nebel, gleich unnützem Volke,
Thalhinaus!
Welche Bläue! milden Tages Helle!
Himmelsfarbe, keusche, seligreine,
Sei gegrüßt mir, lichte Aetherwelle!
Sei gegrüßt mit deinem Sonnenscheine
Maientag!
Nieder, nieder auf den heilgen Boden!
Dort wohin das Gottesauge blickte!
Wecken müßt es einen Starren, Todten,
Wenn die kühle Erde ihn nicht drückte
Allzutief!
Drüben blüht ein Kirchhof! Sie verscharrten
Einen Todten in die kühle Erde.
Sänge dringen aus dem Friedensgarten
Voll herauf, sie tönen voll: es werde,
Ihm auch, Licht!
Von der Bergwand ringen sich die Lieder,
Klang für Klang auf unsichtbaren Saiten
Fortgeschwungen; was ins Grab die Brüder
Ihm gesungen, zittert in die Weiten
Hundertfach.
Denn sie singen, er ist werth der Thränen,
Wandrer, seiner Heimath Berge sagens!
Diese, fernhin schattend, klagens jenen,
Hoch und niedre, und die letzten tragens
Himmelan.
Hell und rein, dann tief und voll ertönet
Berg um Berg, bald wie Gesang des Mannes –
Dorther, wo ein Fels den Gipfel krönet –
Wieder bald wie Jungfraustimme, wann es
Lieblich klingt.
Selber sind die Berge Männer, Frauen!
Wie die schönen Königskinder klagen
Sie sich Liebe – können sich nur schauen,
Winde kommen hin und her zu tragen
Gruß und Kuß.
Auf und fort! du wirst ein weicher Schwärmer,
Wandrer, auf den sonnenwarmen Höhen,
Trinken Wein jetzt, und an Träumen ärmer
Wirst du nicht aus trauter Schenke gehen
Von Marien.
Yburg
Ruinen – Mauersturz, Geröll,
Getrümmer, Schutt und Raub;
Doch allwärts spinnt der blühende Dorn,
Und fröhlich sproßt das Laub.
Es klafft der Fels ins weite Thal
Hinab, hoch ist der Berg,
Die riesigen Tannen überkrönt
Das alte Menschenwerk.
Dort sitzt ein runzlig Köhlerweib
Am Strauch, dort ist ein Haus,
Die stolzen Steine der Herrenburg
Sie halfen der Nothdurft aus.
Das Mütterlein ist ganz vergnügt,
Der Himmel ist ihr auch blau,
Der Sommer hat bunt mit Blumen gefüllt
Den Garten der alten Frau.
Da wuchert es wild von Rosmarin,
Von Nelken und Hagebutt,
Großköpfige Sonnenblumen genug
Wiegen sich über dem Schutt.
Wies grünt und blüht, wies farbig spricht!
Welch üppige Blumengluth!
Ein guter Boden ist Graben und Wall
– Gedüngt mit Menschenblut.
Da ist nicht Ordnung, und ist kein Pfad,
Zum sanften Spazierengehn,
Das Unkraut blüht glückselig mit,
Man kann es wachsen sehn.
Du gutes Weib! verkümmern soll
In deiner Schöpfung kein Trieb.
Die Kinder des warmen Sommers sind
Dir alle schön und lieb!
O paradiesischer Wohlgeruch!
Kraftsüßer Honigduft,
Wie labst du mich, wie lieb ich dich
In der himmelreinen Luft!
Die Sonne scheint. Doch Alles still.
Kein Nachtigallenschlag.
Nur wispernd leise fliegt ein Traum
Hinüber den Blüthenhag.
Was ist das? Welcher rührende Reiz
Durchweht den einsamen Ort?
In einem Mährchen wandle ich –
Ist eine Fee die dort?
Madenburg
Trümmer eines alten Schlosses
Sucht der stille Wandrer auf,
Wandelt rasch den späten Lauf
Zu der Burg, die oben thront.
Er bescheinet die Gestalt
Zwiefach Licht,
Oben kalt
Bleich der Mond
Unten bricht
An dem fernsten Horizont
Sich der Abendsonne Strahl;
Tief im Dunkel ruht das Thal.
Drüben sprühn
Rosigen Schimmer
Alte Trümmer
Von der Sonne letztem Glühn.
Durchs Geklüft der Thürme pfeifend,
Weht der melancholsche Wind.
Sieh! der Schein des Mondes spinnt
Ueber wankendes Gemäuer
Einen lichtgewobnen Schleier,
Sanft am Glühn vorüberstreifend.
Geisterathmen hauchet aus
Der Verschüttung düstrer Graus,
Schatten ziehn sich lang
Schauerbergend zu dem Felsenhang.
Und des Schlafes süßes Reich
Neigt auch schon
Auf den müden Erdensohn
Den bemohnten Zweig.
Aber in gemessnem Schritte
Wallet zu des Hofes Mitte
Majestätisch Paar zu Paar
Grauer Mönche stumme Schaar.
Dort zur Stelle
Ragt verfallen die Kapelle.
Dort erschallen in den Hallen,
Zu der Jungfrau Preis und Ehre,
Ihre Chöre,
Die des Windes leiser Flug
Säuselnd durch die Trümmer trug.
Immer lieblicher erklingen
Dann die Töne, tiefer dringen
Sie ins Herz dem Jüngling ein.
Feierliche Worte rauschen
An sein Ohr, die Mönche tauschen
Das Gewand im Mondenschein.
Und der Wandrer jäh erwacht,
Und der Wandrer hellauf lacht.
Fröhlich lagen sie beisammen,
Auf dem Moose des Gesteins,
Seine Freunde, bei den Flammen
Eines hellen Feuerleins.
Dort wo längst verstummt die Klänge,
Walten Lieder mancherlei,
Tönen kräftge Jubelchöre,
Zu des Vaterlandes Ehre
Manche frische Melodei.
Wanderung und Minne klang es
Und dem Becher ward sein Lied.
Herzerfreuend scholl die Weise,
In dem frohen Zecherkreise,
Herzerfreuend Lied auf Lied
Durch die alten Hallen zieht.
Morgen durch die grünen Thäler
Streifen wir mit neuer Lust!
Morgen in die heitern Schenken
Werden wir die Schritte lenken,
Da wird helle Kopf und Brust!
Reisefrüchtchen
Wie sonderbar komm ich jetzt mir vor!
Heb mich über alle Welt empor,
Und bin vor der Welt vielleicht ein Thor.
So gescheidt und so verkehrt ich bin,
Mit der Gesundheit leichtem Sinn,
Lauf ich über Gräber und Blumen hin.
Das ertrag ich nun weder gut noch lang:
Meine Stimmung löst sich zumeist in Gesang;
Und so viel ich weiß, nie wird mir bang.
Es treibt mich bald, was Gutes zu – thun,
Zum Ziel zu kommen treibt michs nun,
Meine Gedanken lassen mich nicht – ruhn.
»Pfingstfreuden«
Ueberall Grün.
Grün Gras, Kraut, grüne Bäume,
Grün Saatfeld, grüne Träume,
Herz voll Hoffnung
Wo schwärmst du hin?
Achte des Fröschleins, Schwärmer,
Mache die Schöpfung
Um ein Geschöpf nicht ärmer!
Der arme Grünrock, ohne Spaß,
Mußte durch dich beißen ins grüne Gras.
Was kleidet er sich in Hoffnungstracht?
Ha ha! wie habe ich grün gelacht!
Wahrnehmung
Was sollen die Papageyen
Im deutschen Dichterwald?
Sie wälschen und sie schreien
Ganz kannibalisch bald.
Wollt ihr den Verstand verlieren,
So gehet ihr gar nicht irr,
Geht nur in den Wald spazieren
Und hört das Stimmengewirr!
Sie holen die fremden Laute
Aus allen Winkeln der Welt,
Und wer sich wenig erbaute,
Wird mit Kommentaren gequält.
Ihr wolltet euch wohl erquicken
An einem lieblichen Sang?
Ja habt ihr auch Eselsbrücken,
Sind eure Ohren auch lang?
Da müsset ihr erst studiren
Wie ein Arabischer sühlt,
Ihr müßt euch erst maskiren,
Eh ihr im Wald euch kühlt!
Ihr müsset die Kunst erlernen,
Zu gehn aus euch heraus,
Ihr müßt euch erst entfernen,
Dann seid ihr recht zu Haus!
Dort thun es die heimischen Spatzen
Nachzwitschern mit saurer Müh,
Und weil sie Unsinn schwatzen,
So heißen sies Poesie.
Es putzt mit farbigen Federn
Sogar das Mäusethum
Sich auf die flinken Fledern
Und flunkert im Wald herum.
Jüngst las mein schlichtes Liebchen
In einer Anthologie –
Traun! in ihr Wangengrübchen
Verkroch sich die Poesie.
Lyriker
»Fliege meine Liederschaar!«
Rief schon mancher Dichter,
Und es war wohl auch ein Aar
Unter dem Gelichter –
Nachtigall und Lerche,
Spottvögel und klappernde Störche.
»Laßt sie fliegen himmelan,
Stellet keine Netze,
Machet keinen Lumpenmann,
Der sie mir verhetze!
Traun! es gehn in die Fallen
Gerne die Nachtigallen.«
»Freilich aber, lieber Schatz,
Mancher wills nur scheinen,
Ist nur ein gemeiner Spatz
Mit geläufgen Beinen.
Willst du ihn schlagen lassen,
Möchtest du lange passen.«
»Und so weiter mancher ein
Vogel aus Kanarien
Mit den liebsten Melodein
Und den feinsten Arien.«
Meist nur ihm selber verständlich,
Aber auch ihm unendlich.
»Stolze Schwäne segeln dort
Auf den stillen Wogen,
Falken aus dem Felsenhort
Kreisen kühne Bogen.
Schauet die bunten Schaaren!
In die Welt laß ich sie fahren!«
Für Namenstage
Ist es nicht Verwegenheit
Einen Namenstag zu feiern,
Ein Gedicht herunterleiern
Und mit Selbstgenügsamkeit
Seinen Antheil drin betheuern?
Freilich ist es viel gewagt.
Denn was soll an solchen Tagen
Anders mehr der Kluge sagen,
Als daß nun der Tag getagt,
Im Kalender nachzuschlagen?
Wahrlich, namenlose Pein
Auf den Namenstag zu singen,
Ihm Gedanken abzuringen!
Darum in den Tag hinein
Muß der gute Sänger singen.
Und er merket sich den Rath,
Und er mag hier ohne Zaudern,
Sonder Etiketteschaudern,
Was er auf dem Herzen hat
Mit Gelegenheit verplaudern.
So zum Beispiel: schöne Frau,
Freund, o bester, Sie verzeihen,
Theures Mädchen, Ihnen weihen
Möcht ich – Freund, ja mir vertrau,
Willst du mir zwei Hundert leihen?
Elegie
Jüngst schaute von Tages Lasten
Ich müd in den Abend hinein,
Die glühenden Strahlen verblaßten
In milden Mondenschein;
Und hoch am Himmelsbogen,
Aus Dämmrung tauchend empor,
Kam friedlich angezogen
Der Sterne goldner Chor.
Mit sittigem Schlummerhaupte
Schließt sich die Blume zu,
Der Baum der duftig belaubte
Die Blätter senkt zur Ruh;
Des Abends liebliche Stimmen
Umspielen der Haine Grün,
Die fernen Berge verschwimmen
In sanftes Dunkel hin.
Des Sommers Herrlichkeiten
Noch sprüheten in die Natur,
Des Lebens Sterne bestreuten
Mit Segen die stille Flur –
Und jetzt, da ich trete wieder
Ans traute Fenster her,
Und schaue zur Erde nieder,
Liegt sie verwaist und leer.
Des Herbstes Güter prangen
Nicht mehr am reichen Ast;
Festklammernd, kahle Stangen
Vorm Sturme die Reb umfaßt –
So will der Mensch sich halten
Am armen Menschenkind,
Wenn wilde Geschicke schalten
Und nicht zu wenden sind.
Der Tod ist kalt und eisig,
Er kommt in des Winters Kleid –
Der Lorbeer wird zum Reisig,
Der für die Unsterblichkeit.
Die Kränze für dein Streiten
Wie schmückten sie dich schön!
In ewge Vergessenheiten
Entblättert im Tod sie gehn.
Was willst du müde Seele
Und ringst nach Lieb und Licht?
O Menschenseele quäle
Dich um Verlornes nicht!
Du greifst darnach mit Händen,
Freust dich am Lebensroth –
Bald wird es dich verblenden
Und du bist blind und todt.
Erhebung
Ich weile so gern in der klaren Nacht
Wenn am Himmel die Stern aufgehn,
Mag ruhvoll in die dämmernde Pracht
Mit Augen versinkend sehn.
Ich schaue, bis ich mich ganz verlier
In der Träume Ozean,
Die Erde verschwindet unter mir,
Mit Göttern red ich dann.
Glühtrunkverse
O du glühender Trank,
Den im traulichen Rund
Den wir trinken bei köstlicher Rede,
Wie du lösest den Schwank
Und belebest den Mund
Zu Gesang und zu geistiger Fehde!
Wohl gedenkt uns die Zeit –
O wie lange das ist –
Da wir fröhlich beisammen so waren;
Und darüber ging Leid
Und so Manchen vermißt
Man im schönen Verein mit den Jahren.
Ja, die Besten dahin!
Unerbittlich Geschick!
Wars Zufall, war es ein Walten?
Doch der göttliche Sinn
Darf bleiben zurück,
Die Erscheinung nur läßt sich nicht halten.
Elegischer Humor
Lange sind wir nicht gesessen
Lange nicht beim kühlen Wein,
Habens ganz und gar vergessen,
Ausgelassen lustig sein.
Eilet drum zur alten Schenke!
Lasset Alles gehn und stehn,
Zum berauschenden Getränke
Raset ihr Vortrefflichen!
Reinigt eure Sünderseelen,
Heilet euer krank Gemüth,
Waschet eure trocknen Kehlen,
Für ein überschwänglich Lied!
In die Schenke, in die Schenke!
Freunde, seid ihr alle da?
Wenn ich alter Zeit gedenke,
Tönt mein Herz Halleluja!
Wandle mit bedächtgem Schritte,
Wer sich selber nie vergißt!
Ueberflüssig ist die Sitte,
Wenn das Herz betrunken ist.
Umgekehrt von euerm Spasse
Schalle dieses frohe Haus,
Wie der Strahl aus vollem Fasse
Sprudle euer Witz heraus!
Lachen, daß erdröhnt die Halle,
Daß mich schüttelt Rippenweh,
Muß ich laut, wenn ich so Alle,
Brüder euch beisammen seh.
Achtung Allem, was zu achten!
Aber lachen muß ich – als
Götter im Olympus lachten,
Lachten sie aus vollem Hals.
Hör ich solchen Lärm verführen
Lauter so vernünftge Leut,
Soll mich gleich der Donner rühren,
Sterb ich nicht aus purer Freud!
Holla, wackere Gesellen,
Schlagt Gesang an, Hollahoh!
Wenn die Töne hoch anschwellen,
Fühlt sich Jeder lebensfroh.
Sagt mir an, gelehrte Häupter,
Du, o Dummkopf, sag mir an,
Steh mir Rede, Wohlbeleibter,
Sprich du lendenarmer Mann,
Gebt, ihr edlen Trinker alle,
Gebt mir Antwort, wie und wann
Kommt der biedre Mensch zu Falle,
Und warum, das sagt mir an!
Wie aus einem Mund genommen,
Hör ich das Orakel, dann
Wird der Mensch zu Falle kommen,
Wenn er nicht mehr trinken kann!
Dann auch, wenn mit ihm – o wische
Freund die Augen, daß er sinkt –
Niemand mehr an einem Tische
Und aus einem Glase trinkt!
Einst in glücklicheren Tagen,
Derer Geist für immer schwand,
Kannte man nur wenig Plagen
In dem frohen Griechenland.
Damals war es wo die Besten,
Kehrend aus der Männerschlacht,
Sich zu heitern Becherfesten
Trafen in der Frühlingsnacht.
Dort geschmückt mit grünen Kränzen
Tranken Jüngling, Mann und Greis,
Und dem Weisesten kredenzen,
Dünkete der Schönsten Preis;
Schon der Athem hauchte freier
Dort, in der geschmeidgen Luft,
In den goldnen Klang der Leier
Stieg der Hyazinthenduft.
Damals floh der Geist der Jugend
Mit den Jahren nicht davon,
Jugend aber nur hat Tugend,
Denn sie dürftet nicht nach Lohn.
Heut, in unsern schwiergen Tagen,
Heut vertrocknet frühe ganz
Unterm Wüstenwind der Plagen
Das bestürmte Herz des Manns.
Freunde, diese Zeiten waren.
Solchen Frohsinn aber mag,
Wie den klaren wunderbaren
Himmel, nur der Sommertag,
Solchen Frohsinn mag bewahren
Menschenbrust nur dann und da,
Wo man noch in Silberhaaren
Ewiger Natur ist nah.
Fort jetzt mit den Grübeleien!
Wir auch dünken uns nicht schlecht,
Wir auch wissen uns zu freuen,
Und der Lebende hat Recht.
Also sprach der große Schiller,
Fällt mir grad der Schiller ein;
Jetzt komm Einer her, was will er?
Jetzt kein Wort mehr! Hier ist Wein!
Sternenheer
Die schönen Sterne blitzen dort,
Wie funkelfarbig Edelgestein,
Denn der Mond, das leuchtende Aug ist fort,
Da jauchzen die holden Sternelein.
So manche herrliche heitere Nacht
Muß er die Wimper im Schlaf zuthun,
Da glimmen die Sterne nicht schüchtern sacht,
Wenn das leuchtende Aug muß ruhn.
Wenn im Haupte schläft der ernste Entschluß,
Wenn der Geist das leuchtende Ziel verliert,
Wenn der heiter strebende Genius
Zuweilen an sich irre wird. –
Da schimmern in zügelloser Lust,
Da drängen sich im blitzenden Chor
Aus der unbekümmerten Menschenbrust
Die schönen kleinen Wünsche vor.
Von der Freundschaft
Wer keinen Freund gefunden,
Und immer stand allein,
Der hat auch nie empfunden recht
Das Glück, ein Mensch zu sein.
Wer keinen Freund gefunden,
Der ist vielleicht ein – Christ;
Der ist vielleicht ein Schurke traun!
Wenn er kein Esel ist.
Vielleicht ein Unglücksvogel
Mag der Verkannte sein,
Doch der ist auch der Einzige,
Dem ich es kann verzeihn.
Bilder über Shakespeare
Du bist der Regenbogen – ausposaunt
Ist seine Schönheit allen Ohren,
Von Neuem aber unser Auge staunt
In seine Farbenpracht verloren.
Du bist der Blitz, der von der Wetterlast
Die bange Erde oft entbindet –
Und doch hat dein Gedanke, frisch erfaßt,
Mir immer neu ins Herz gezündet.
Du bist der sonnbeglänzte Wasserfall,
So oft beschaut, so vielbewundert –
Versunken in den reichen Glanz und Schall
Steht vor ihm jegliches Jahrhundert.
Du bist der ewige, goldne Sommertag;
Die trunkne Welt jauchzt ihm entgegen.
Verehrt sein Schimmer! und sein Donnerschlag!
In seiner Sonne reift der Segen.
Du bist das Meer, die wilde Herrlichkeit!
Die Schöpfungsstätte der Gestalten.
Die Schönheit lieh aus seinem Schaum ihr Kleid,
In ihm die ewgen Schrecken walten.
Naturschauer
Die Wellen rauschen, es nachtet,
Der Mond scheint mit Verdruß,
Geschlagene Soldaten
Marschiren über den Fluß.
Dort nicken die ungeheuern
Felsberge gespensterhaft,
Es raget über dem Wirrsal
Die düstre Prachtlandschaft.
Ein Schauer, machtvoll, herrlich,
Weht durch die stumme Natur,
Als wäre ein Gott gestorben,
Ist ringsum Trauer nur.
Auch in den wunden Gemüthern
Der Krieger lagert Nacht,
In tausend Herzen dunkelts,
Doch es dunkelt ohne Pracht.
Genommen ist die Fahne,
Gefallen der beste Held,
Das Vaterland ist verloren
– Gewonnen die weite Welt.
Liebesrecht
Kam dich nie der Zweifel an,
Ob auch wirklich sei die Liebe,
Ob sie nicht ein Wort ein Wahn,
Ob sie nicht ein Sturm zerstiebe?
Wenn sie verrauschen die Tage der Jugend,
Wenn bei dir anklopft die ernstere Tugend,
Nimmer sich reimen die Triebe?
Hat dich Ahnung nie durchzuckt,
Daß die Liebe nur Geberde,
Daß sie nur Kulturprodukt,
So Zeit verschlingen werde?
Einst, wenn die Psalter des Herzens verhallen,
Wenn die Systeme der Weisen zerfallen,
Wenn sich erneuert die Erde!
Wer verzagt? Wir zagen nicht.
Heute gilt sie noch die Liebe!
Hoch am Himmel flammt das Licht
Eines Sternes ohne Trübe.
Läugnen die Liebe, so wäre uns besser,
Schattenhaft wandeln am stygschen Gewässer,
Daß man uns lebend begrübe.
Liebe, hohe Leidenschaft,
Deren Flügel uns erheben
Aus des Ungenügens Haft,
Sollten wir dein Recht vergeben!
Haben die Todten einst dürftig genossen,
Bleibt das Geheimniß der Nachwelt verschlossen,
Kümmert es uns, die wir leben?
Frage nicht
Roth ist Roth und Lieb ist Liebe nur –
Stürmt ihr auch zu alles Denkens Giebeln,
Unsagbar, was wollt ihr weiter grübeln,
Freunde, sind die Thaten der Natur.
Singe von der Liebe Herrlichkeit!
Prächtiger Klang entzücke dir die Herzen,
Ihren Freuden, ihren selgen Schmerzen
Gieb der Töne liebliches Geleit!
Denn die Lieb ist einmal Poesie –
Beider Wesen nicht zu definiren!
Ungenügend all Philosophiren,
Nur mit Aug und Ohr begreifst du sie.
Gleich der Morgensonne groß und frei
Blühet auf der Liebe goldnes Karmen –
Küß dein Lieb, zitter in ihren Armen,
Aber frage nicht, was Liebe sei!
Gefaßt
Der ersten Liebe Feiertage
Unsterblich, maienvolle Zeit,
So lebt ihr noch in meiner Klage,
Seit ihr so schnell entschwunden seid?
Ein Schicksal hat mich fortgetrieben,
Ich ging, ich weinte bitterlich,
Verlernen sollt ich dich zu lieben,
Und ach! vergessen sollt ich dich.
Vergessen nicht, nein, nicht vergessen!
Da ich dich nur verlassen mußt;
Wohl konnt es mir die Wange nässen,
Doch nicht besiegen diese Brust.
Und durft ich keine Hütten bauen,
Drein Gottes Segen strahlend bricht,
So blieb mir manch ein kühn Vertrauen
Und manche stolze Zuversicht!
Traumglück
Will am Tag mir nicht gelingen,
Heiter schön und mild,
Vor das Auge herzuzwingen
Der Geliebten Bild.
Uebers Antlitz ausgegossen
All die Lieblichkeit
Bleibt dem innern Blick verschlossen,
Und ich bin zerstreut.
Hasch ich auch nach allen Schätzen
Der Erinnerung,
Ach, sie können nicht ersetzen
Des Lebendgen Schwung!
Keine Dichtung gibt ihn wieder
Jener Formen Drang,
Jener aufgeblühten Glieder
Ineinanderklang.
Jene süßen sanften Augen
Und den lieben Mund,
Alle Phantasien tauchen
Nirgends auf den Grund.
Kann die Perle nicht gewinnen
Aus der Reize Meer,
All Gedächtniß, alles Sinnen
Zaubert sie nicht her.
Aber, aber wenn der stille
Abend wiederkehrt,
Dämmert auf in prächtger Fülle,
Was mein Herz begehrt.
Wenn das Dunkel mich umfangen,
Schleichet süß und rein
In den Traum, den herzensbangen,
Die Geliebte ein.
Und sie kommt, um mich zu küssen,
Und ihr Kuß berauscht,
In des Wiedersehns Genüssen
Schwelg ich unbelauscht.
Und sie ist so schön zu schauen,
So lebendig warm,
So voll Liebe voll Vertrauen
Ruht sie mir im Arm!
Weihechor
Gestorben ist der Tod,
Weil wir die Furcht nicht haben,
Wir lassen uns begraben,
Und mit uns jede Noth.
Gestorben ist der Tod,
Weil wir das Leben lieben,
Doch darum zu verschieben
Nicht trachten was uns droht.
Das Leben ist uns lieb,
Weil wir den Tod verachten,
Und nimmer nach ihm schmachten
Mit Träumen trunken trüb.
Auf, Brüder, schenket ein,
Zu stolz ihr all zur Klage,
Doch endet irdsche Plage,
Solls auch willkommen sein!
Gehn wir zur ewgen Ruh,
Wie sollt es uns verdrießen,
Wie, gehn wir Paradiesen
Und ewigem Leben zu?
Fest
Siehe, wie der laue West
Schwingt die hellen Blüthenglocken,
Wie die warmen Strahlen locken
Frohe Falten aus der Hülle,
Daß die Lüfte Leben fülle:
»Frühling ist ein hohes Fest!«
Achte, wie der linde West
Buhlerisch die Wange fächelt,
Wie der See so leuchtend lächelt,
Himmelsgrüße zu erwiedern,
Und dein Herz erwacht in Liedern,
Und der Liebe gilt das Fest!
Wiederfinden
Ich kam zur guten alten Stadt,
Den Tag hab ich behalten,
Ins Haus, wo sie gewohnet hat,
Der meine Lieder galten.
Die ich geliebt, die mich geliebt,
Und der ichs nie gestanden,
Und die mirs nie, wie sichs begibt,
Weil wir nicht Worte fanden.
Bist du nun ferne, bist du nah,
Hat dich ein Andrer gefunden,
Ich weiß nicht, Theure, bist du da,
Bist du für mich verschwunden?
Und wenn ich dich nicht wiederseh,
Will ich doch von dir träumen,
Und hab ich dich nicht in der Näh,
Will ich am Ort doch säumen.
Und wie ich nun die Stiege mit
Gelassenheit erklimme,
Da hör ich ihren leichten Schritt
Und ihre helle Stimme.
Als wie der Mond aus Wolken bricht,
So scheu und still erschrocken,
Erglänzt ihr liebes Angesicht
Aus ihren dunklen Locken.
Es leuchtete so freudenklar
Aus ihren schönen Mienen,
Und schöner als sie jemals war,
Ist sie mir heut erschienen.
Kein Sterbenswort. Sie sah mich an;
Den Busen hört ich pochen –
Ein rascher Händedruck sodann,
Daraus ihr Herz gesprochen!
Umwandlung
Hab ich nicht heut mein Liebchen gesehn,
Mit den hellen schönen Blicken?
Ich kann die Augen nicht mehr verstehn,
Mich in ihr Wesen nicht schicken.
Mir zieht es heute durch die Brust
So kalt wie Hauch des Verdrusses,
Es ist nicht mehr die alte Lust
Des Anschauns und des Genusses.
Ich weiß nicht, welche fremde Macht
Sich zwischen ihr Herz und meines
Geschlichen plötzlich über Nacht,
Wie ein Hohnlied Heinrich Heines.
Es war an sie mein Denken all,
Mein ganzes Sinnen und Fühlen
So rein wie des Vogels süßer Schall
Im Walde dem morgenkühlen.
Es war als wie ein schönes Lied,
Das lauter Liebe geklungen,
Das ein begeistert heiß Gemüth
Bis nah zum Ende gesungen.
Da kommt michs an, als wollten nicht mehr
Die Saiten zusammenklingen,
Als könnt ich das schöne Lied nicht mehr
Zum guten Ende bringen.
Da wandelt michs an so fremd, als wärs
Vorbei mit unserm Lieben,
Als hätt ich mit Recht den letzten Vers
Gleichgiltig hingeschrieben.
Aus der Jugend
Ich ging vorbei am Gotteshaus,
Darin ich lang nicht war,
Die Orgel lärmte waldhinaus
So feierlich und klar.
Gar düster sah die Kirche drein
Mit ihrem morschen Thurm,
Doch rastlos dränget aus und ein
Der frommen Menge Sturm.
Horch! jetzt verstummt der Feierklang
Und ruhig wirds umher,
Die Menge betet still und lang,
Mir wird es auch nicht schwer.
Es ist ein Abend freundlich lind,
Die Winde schlummern all,
Wenn erst die Winde stille sind,
Vernehm ich innern Schall.
In meiner Seele Tiefen singt
Mein guter Genius,
Aus meines Herzens Kammern springt,
Befreit sich ein Entschluß.
Als sie sang
Was ist der armen Nachtigall
Denn angekommen?
Der Flötenstimme süßer Schall
Klingt so beklommen.
Verstummen möchte ganz und gar
Die Holde, ach sie fühlt es klar –
Dahin dahin ihr Hoffen!
Sie weiß sich übertroffen.
Was fürchtet sich die Lerche vor
Des Waldes Spöttern?
Zum Himmel nimmer jauchzt empor
Ihr lieblich Schmettern.
Sie flieht der Sonne goldnen Gruß,
Denn ihre Kunst macht ihr Verdruß –
O seelenbittre Stunden!
Sie fühlt sich überwunden.
Was hat um seine Lust am See
Den Schwan betrogen?
Er rudert nimmer auf der Höh
Der vollen Wogen;
Er trauert hin am Ufer müd –
Sein unvergänglich Schwanenlied,
Sein sterbesüßes Singen
Wird es ihm einst gelingen?
Ach Elsa, Elsa dein Gesang
Schuf solche Klagen,
In deiner Stimme Zauberklang
Läßt sie verzagen!
Entzückend – wie du selbst nur bist,
Der Liebreiz deiner Lieder ist
Nimm hin die Huldigungen!
Du hast auch mich bezwungen.
Liebe
Geliebt zu sein, du schöne Kunde,
Schön wie die Hand, die das Geständniß schrieb!
Nur schöner ist, wenn vom beseelten Munde
Entschwebet erst die süße, frohste Kunde –
Mit stummen Zeichen nehm ich nicht vorlieb.
Die Freundschaft ist in wirren Tagen
Ein heilig Gut und will der Priester viel;
Laut ist ihr Ruf, ihr stolzes Banner tragen
Die Besten hoch in unsern wirren Tagen –
Arbeit vereint und Kämpfer schafft das Ziel.
Doch kaum ist uns der Freund verbunden,
Ist auch der Trennung sichre Stunde da,
Die Liebe nur kennt nicht so bittre Stunden,
Es bleibt das Weib, das ewig uns verbunden,
Die Liebe dauert aus, die Lieb ist nah.
Geliebt zu sein vom schönen Weibe,
Ist mehr als Glück, ist volle Seligkeit.
Auf daß sie rein, und stets erfüllet bleibe,
Gab hin Natur die Gegenwart dem Weibe
Und ließ uns Zukunft und Vergangenheit.
Hin
Es braust der Zug, es donnern hin die Wagen
Durch öden Wald,
Des Dampfes volle weiße Wolken jagen –
Ich komme bald!
Wie seid ihr grünen sommerlichen Räume
Nun todt, entstellt!
In kalte Nebel tauchen Berg und Bäume,
Grau liegt die Welt.
Du harrest mein, du zählest die Sekunde,
Da ich erschein –
Entgegen zittre ich dem heißen Munde,
O süße Pein!
Kein lieblich Lüftchen soll erquicken dürfen
Mich wonniglich –
Nur deinen süßen Athem will ich schlürfen;
Er blüht für mich.
Mich grüßen keine Blumen und die Sonne
Sie grüßt mich nicht,
Es soll mir sein des Grußes erste Wonne
Dein Augenlicht.
An deinem Herzen werd ich heut erwarmen
Nach Götterschluß –
Ein Liebesfeuer strömt aus deinen Armen,
Aus deinem Kuß.
Rollt hin, rollt hin! es bringt mich nicht zur Stelle
Die träge Fahrt.
Ihr Wagen braust! ihr seid mir nicht zu schnelle;
Die Liebste harrt.
Her
Das Dampfroß lärmt den Säulengang herein –
Leb wohl Geliebte!
Es zischt und schnaubt – hier muß geschieden sein,
Leb wohl Geliebte!
Ein Pfiff! die Hallen schreiens widrig nach
Nimm fort ins Weite!
Vergiß nicht Herz, was die Geliebte sprach
Bei dem Geleite.
Wohin ich schau, die klare Mondennacht,
Gemacht für Träume.
Das Schneegefild in stiller Silberpracht!
Krystallne Bäume!
Ich höre nur in toller Rasselwuth
Des Zuges Sausen –
Und wäre mir nicht gar so wohl zu Muth,
Mir könnte grausen.
Doch ihre Wangen sah ich munter blühn,
Roth wie die Liebe.
Und ihre Augen blitzten klar und kühn,
Die Herzensdiebe.
Ihr letzter Kuß auf meiner Lippe flammt,
Der Seelenzünder,
Ich eile fort, zu neuer Glut verdammt,
Ein freudger Sünder.
Ein Sünder an der Freiheit – doch wahrhaft!
Sie ist ein Namen.
Des Lebens Inhalt ist die Leidenschaft,
Das Herz sagt Amen.
Die Liebste sprach: »Dich lieb ich grenzenlos!«
Auch ich, Geliebte!
Und ohne Grenzen sein, heißt frei sein blos –
Dank dir! Geliebte!
Entscheidung
Als ich in dein Herz voll heißer Liebesfreud
Warf einmal ein Wörtlein kühler Nüchternheit,
Da zerging die Rose deiner Wangen,
Laut zu weinen hast du angefangen.
Sprangest auf und wieder sankest du zurück,
Wie Verzeihung flehend drang in mich dein Blick,
Hast dich wild an meine Brust geschwungen,
Mich geküßt, umklammert und umschlungen.
Aber ich – erbebte. Solche Schmerzenskraft
Wandelte die Liebe mir in Leidenschaft –
Auf die schönen Augen schaut ich nieder,
Auf die Fülle wonnereicher Glieder.
Nur ein Wort von mir, und heitrer Himmel bricht
Aus dem theuren Antlitz, o so lieb und licht.
Ewigen Gruß dir, wundervolle Stunde,
Ich frohlocke dir mit Herz und Munde!
Andre Welt
Hatte einen Freund vor Jahren,
Eine feste edle Seele,
Aber in der alten Welt
Konnt er nimmer Ruhe finden.
Uebers Meer ist er gefahren,
Zu den thatenreichen Menschen,
Drüben in Amerika,
Drüben in dem Reich der Zukunft
Und er folgt dem kühnen Banner,
Das des Nordens Heldensöhne
Tragen unter ewgem Sieg
In die Mexikanerberge.
Durch die reichen Tropenstädte
Wandelt er mit stolzen Schritten
In dem Kleid der Republick,
Und es jauchzt ihm zu die Sonne.
Durch die heißen Kaktuswälder,
Durch die Schluchten thierbevölkert,
Durch die Stromgewässer wild
Wird der Tapfre staunend schreiten.
Und sein Herz wird kühner schlagen
Auf den sieggewohnten Märschen,
Ueber sich der Berge Stern,
Den beschneiten Orizawa.
Um und um die ewgen Berge,
Wie aus glühem Erz gegossen,
In der tausendfarbgen Pracht
Wird die Heimath er vergessen.
Wenn er schaut zu beiden Seiten
Gleich geschmolznen Diamanten
Den gewaltgen Ocean,
Wird der Heimath er gedenken.
Wenn er schaut die Sonne tauchen
Groß und blutig in die Esse
Des unendlich weiten Meers
Und sein Auge Thränen füllen.
Wenn die Nacht die dämmervolle
Niedersinkt ins Thal der Blumen,
Und der ungeheure Mond
Seine blauen Lichter sendet.
Wo die Blüthenbäume tanzen
Und die Quellen aufwärts strömen,
Drein die Millionenschaar
Süßer Sänger musiziret.
Wo ihn grüßen andre Sterne,
Zaubergroße, blitzeschleudernd,
Und der Himmel golden schwarz
Seine Sinnen überwältigt.
Wenn er dann hinab die Thäler
Zu den schönen Menschen steiget,
Zu der Mädchen ewgem Tanz
In die Hütten von Puebla.
Wenn die weichen Blumenarme
Und die süßen hellen Stimmen
Mit dem niegeträumten Reiz
Ihn umtaumeln und umscherzen.
Wenn ihm die Gazellenaugen
Klug und seltsam, scheu und lüstern,
Dringen bis ans tiefste Herz,
Schauen auf den Grund der Seele.
Wahrlich wenn er eines Tages
Ueberrascht wird unversehens
Von dem herrlichen Roman,
Den er hier – vielleicht geschrieben.
Oder wenn zur Zeit der Regen
Schrecklicher als Schlachtendonner
Alle Thäler widerhalln,
Baum und Berg in Fluthen stürzen.
Wenn die Hochgewitter rollen
Ueber öden Felsgebirgen,
Aufgescheucht der Adler kreischt,
Und der Leu des Urwalds brüllet.
Wenn die Feuerkegel speien,
Wenn die Meteore sausen,
Wenn der Erde Kern erbebt,
So daß dumpf das Weltmeer aufrauscht –
Da wird seine starke Seele
Schauernd jubeln zu den Schrecken;
Bei der Schönheit Wechselspiel
Auf der Wonne Gipfel rasen.
Ha! ich wills ihm nicht verdenken,
Wenn er lange wird vergessen,
Seine Bücher, seinen Freund,
Und die deutsche Muttererde.
Und ist er im Kampf gefallen,
In der stolzen Schlacht des Ruhmes,
Hab ich keine Klag um ihn,
Besser werd ich wohl nicht sterben.
In den holden Wunderdüften
Webet seine freie Seele,
Und um seine Leiche klingt
Ewig Lied der Urwaldsänger.
Palmen werden ihn umrauschen,
Kühne Thierwelt um ihn lärmen,
Und die Sterne heiß und groß
Auf sein Grab herniederblitzen.
Der alte Schmerz, das ewge Leid
O Traurigkeit, du sterblich nie,
Recht bittre du, nichts werthe,
Nicht süße sanfte Melancholie,
Bist unser Lebensgefährte.
Ach Alles vergeht!
Was aber besteht?
Allzeit?
Der alte Schmerz, das ewge Leid.
Ein Freudentag, ein Rausch des Glücks
Im Freundeskreise vorüber!
Lust eines dauernden – Augenblicks:
Dann um so stiller und trüber.
Ach Alles vergeht!
Was aber besteht?
Allzeit?
Der alte Schmerz, das ewge Leid.
Geruht an göttlicher Liebe Brust,
Maistunde jauchzender Wonne,
Genossen der Treue Reiz und Lust –
Zum Abend neiget die Sonne.
Ach Alles vergeht!
Was aber besteht?
Allzeit?
Der alte Schmerz, das ewge Leid.
Geerntet, was einst mit Muth gesät,
Der Arbeit lohnende Früchte –
Empfindung rein! doch, o so spät,
Und nur, damit sie flüchte.
Ach Alles vergeht!
Was aber besteht?
Allzeit?
Der alte Schmerz, das ewge Leid.
Genesung, holdes rührendes Glück,
Nach schweren kranken Tagen,
Du führest den Nüchternen – zurück
Zu eiteln Sorgen und Plagen.
Ach Alles vergeht!
Was aber besteht?
Allzeit?
Der alte Schmerz, das ewge Leid.
Religion, du Hochgefühl von dem
Was wahr, gut, ewig und schön ist,
Wohl labest du oft, fern von System,
Die Seele, der Leidges geschehn ist –
Ach Alles – vergeht;
Was aber besteht?
Allzeit?
Der alte Schmerz, das ewge Leid.
Hoffnung, beseligend Vorgefühl
Des Ruhms und Ruhm am Ende;
Was fehlt dir sodann, hast Neider ja viel –
Verläumder kommen behende.
Ach Alles vergeht!
Was aber besteht?
Allzeit?
Der alte Schmerz, das ewge Leid.
O Lethe-Quell, o Vergessenheit,
Des Himmels Kind und der Erde,
Den alten Schmerz, das ewige Leid
Entführe mit sanfter Geberde!
Ach Alles vergeht!
Was aber besteht?
Allzeit?
Der alte Schmerz, das ewge Leid.
Du, Schlaf, o heilige Medizin;
Trost, Freund, behüt uns immer!
Wenn trauter Schlaf im Leid erschien,
Liegt weich auf allem Getrümmer.
Ach – Alles vergeht!
Was aber besteht?
Allzeit?
Der alte Schmerz, das ewge Leid.
Ward euch vergönnet nie frisches Blut,
Vor Schuld euch frei zu bewahren:
Verehret den Schlaf, das göttliche Gut!
Laßt Wunsch und Hoffnung fahren!
Ach – Alles vergeht!
Was aber besteht?
Allzeit?
Der alte Schmerz, das ewge Leid.
»Im Jammer«
1.
Mein armes Herz, mein guter Muth,
So frisch wie der junge Morgen,
Verrathen sind sie und verkauft
An die Welt der kleinen Sorgen.
Der kleinen Sorgen, die so zäh
Sich mit der Seele zanken,
Gleich einem großen Heuschreckenheer
Abweiden alle Gedanken.
Mir ist, als ob der Sonnenschein
In hohlen Schädel mir schiene,
Wie, droben auf dem Berge dort,
In die ausgebrannte Ruine.
Dann aber kommt es mir wieder vor,
Als ob ich Schauer litte,
Als regnet es mir in die Seel hinein,
Wie dort in die alte Hütte.
Meine Freud ist hin, mein Muth dahin,
Und alle Lust verdorben,
Denn ach, mein freier, leichter Sinn
Er ist verdorben, gestorben.
2.
Die Freunde fort, die Freunde fern,
Auch sie hab ich verloren;
Ach ändern möcht ichs gar so gern,
Ach unter welchem argen Stern
Bin ich, sind wir geboren.
Wer trinkt mit mir, wer lacht mit mir,
Wer spricht zu meinem Kummer,
Wer wecket mir, wer wieget mir
Gedanken dort, Gedanken hier
Dort aus, hier in den Schlummer?
Für mich allein ist kein Pläsir,
Nicht Ambos ist, nicht Hammer;
Wer grübelt, krittelt, schwärmt mit mir,
Wer spottet, flucht und schimpft mit mir,
Auf diesen Herzensjammer!
Saitenlob
Selig, wem in Lautenklängen
Seiner Seele Schmerz entflieht!
Wem gepflanzet tief im Herzen
Die Natur ein wuchernd Lied.
Selig wem des Sanges Geister
Zu verstehen, ist gewährt –
Trauer schmilzt in weichen Tönen
Wonne wird im Lied verklärt.
Selig wer mit Lautenklängen
Seinen innern Sturm beschwört,
Daß im Handeln er geruhig
Und im Wandel unbethört;
Daß er frisch ein Lied des Muthes
Singt dem Tod ins Angesicht,
Selig wer auch Andern singend,
Ewgen Trostes Kränze flicht!
Laissez faire
Motto: Habe nun ach etc.
O so gebt mir ein Lied, ein geflügeltes Lied der Begeisterung, Lieder der Liebe –
Ihr bewegenden Mächte der menschlichen Brust, ihr Gedanken und herrlichen Triebe!
Aus der glühenden Seel ach! entquelle der Strom, aus der vollen Seele die Dichtung,
Und sie rausche dahin ungezügelten Muths, nur erfüllend des Schönen Verpflichtung.
Denn es jagt ein Gefühl wohl ein heißes Gefühl des Verlangens durch all meine Glieder,
Zu erquicken den Sinn und zu baden das Hertz in dem göttlichen Ozean wieder.
Zwar ich weiß wohl, es steht mit abwinkender Hand da die Zeit und belächelt die Gluten,
Und sie schwenket mit Macht ihre Fahne mir zu, nur in dieser zu siegen, zu bluten;
Für die Wissenschaft nur und politische That wird ein Lorbeer noch fürder gedeihen:
Ja, dem Forscher den Kranz! und dem ehernen Mann aus des Tages wilden Parteien!
Doch ich beuge mich nicht, noch erschreckt mich der Spruch, seht, ich biete die Hand nur zum Bunde –
Wer, o sagt mir, vermag da zu sichern den Streit, und zu schließen geschlagene Wunde,
Zu behüten im Sturm all die Blüthen des Geists? und wohlan sei die Gegenwart Richter!
Sind der Herzen doch viel, die zu schlagen gewohnt – nun es fordert sein Recht auch der Dichter.
Frühling
Frühling, bist du wiedergekommen?
Lieblicher Lenz, du lachendes Kind!
Kommst du auf dem Fluß geschwommen?
Oder kommst du mit dem Wind?
Unter den weichen singenden Wellen,
Aus den Wassern melodisch klar,
Ueber die Hügel, die waldig schwellen,
Luget dein kluges Augenpaar.
Schaue ich nur in dein sonniges Auge,
Küsse ich nur deinen wonnigen Mund,
Trink ich von deinem blühenden Hauche,
Wird auch mein winterlich Herze gesund!
Herbstbild
Die Feuer leuchten durch die laue Nacht,
Zum Himmel sprüht und steigt die Funkenpracht.
Der Jubeldonner kracht von Berg zu Berg,
Gesang und Tanz, Musik und Feuerwerk!
Dort unten aber bei den schwarzen Hütten,
Die Kelter dröhnt in stummer Winzer Mitten.
Und von der schweren, heißen Arbeit müd,
Ein Mädchen steht, sie seufzet auf und glüht.
Ein guter Wein! Ihn bauten meine Eltern –
O Weh, da strömt er aus fremden Keltern!
Ein edler Wein! ha laßt Raketen steigen!
Vor keiner wird sich seine Blume neigen.
Bei allen Festen wird er reichlich fließen,
In alte Glieder neubelebend schießen.
Bei Hochzeitmahlen wird er feurig kreisen,
Und aller Orten werden sie ihn preisen!
Ich aber bin ein armes, krankes Kind,
Ich werde weinen, wenn sie fröhlich sind.
Ich aber werde niemals Hochzeit haben,
Und unser Wein, euch wird er niemals laben.
So klagt das Kind und in der Mondnacht draußen
Die Feuer steigen und die Feste brausen.
O stille Herz! Wird es auch rosig tagen?
Wann wird kein Mägdelein mehr also klagen?
Saison
Früh dunkelt die Welt. Was läßt sich erklügeln?
Was tödtet den Abend, was ist pikant?
Von den Wolkenhöhn, von den Nebelhügeln
Wirbelt der Schnee ins offene Land.
Ha, glänzende Bahn! Durch Straßen und Plätze
Rauschet die göttliche Schlittenfahrt.
Ein Jauchzen und Schellen, wildfliegende Hetze,
Klingen und Knallen barbarisch gepaart!
Keck wirft sich hinein in die gaffende Menge
Der Fackeln rother lodernder Schein,
Musik erbraust in das dunkle Gedränge
Und Rossewiehern hintendrein.
Halloh! Du fürstliche Augenweide,
Du trunkene, du elegante Welt,
Vorübersaus in Pelz und in Seide,
Und spotte der Kälte, die – frisch erhält!
Halt! Teppiche her! den Arm den Damen!
Sie steigen ab am Säulenportal,
Wo festliche Sprüche, festliche Namen
Herniederflammern in farbigem Strahl.
Da wallet herein in die duftigen Räume
Die bunte, freudelachende Schaar;
Schon wiegt sich in stolze, in selige Träume
Ein manches liebeflüsternd Paar.
Schon lockt und ladet die Polonaise
Zum rasenden Reigen, zum tollsten Tanz;
Den Hallen entströmt ein klingend Getöse,
Hinaus in die Nacht ein Meer von Glanz.
Es winken die Kelche mit feuriger Labe,
Die Geschirre klappern in Lustbarkeit –
Und, o Erbarmen, für »christliche« Gabe
Ein bettelnd Büchslein steht beiseit.
Lebensbaum
Zu Heidelberg im Schlosse
Ragt auf ein Lebensbaum,
Dreihundert Jahre und drüber
Träumt er den Ewigkeitstraum.
Jetzt will er sich niederneigen
Der alte, mürbe Greis,
Der Winter ist ihm so grausig,
Der Sommer ist ihm zu heiß.
Es grünt und blüht auf der Erden,
Auch Unkraut will gedeihn,
Es wachsen Bäume zu Zeiten
Sogar in den Himmel hinein.
Ach, alles Blühen und Wachsen
Mag heißen, wie es will,
Und mag es sich »ewig« schelten,
Die Zeit kommt, es steht still.
Wie viele Lebensbäume
Hat schon die Welt gesehn!
Kein Titel und kein Name
Schützt vor dem Untergehn.
Und andre Bäum erstehen,
Und neuer Same geht auf –
Ein ewiger Strom des Wachsens,
Ein wechselnder Blüthenlauf!
Allzeitwunsch
In dieser wunderbaren Zeit
Wo man zerstört und baut,
Da hab ich viel gezweifelt
Und habe viel vertraut.
Von Mitteln hört ich und vom Zweck,
Von Recht und Unrecht stets,
Von Recht und Rechtsgefühlen,
Moral und Rechts-Gesetz.
Man schied Geschichte und Vernunft,
Sprach von Altar und Thron,
Von Wahrheit und von Freiheit,
Man sprach von Religion.
Ich sah, was gut und böse sei,
Und wünschte Jenem Heil,
Doch ward uns ohne Dieses
Auch Jenes nicht zu Theil.
Ich sah die Ohnmacht, sah die Kraft,
Trägheit und Eifer viel,
Und Ziele sonder Wege
Und Wege sonder Ziel.
Gott helf uns Allen, sagte man
Zur guten alten Zeit,
Es sagen: hilf dir selber,
Wohl heutzutag die Leut.
Ach, wenn ich einmal wünschen darf,
So wünsch ich Eines nur:
Sie niemals zu verläugnen
Die eigenste Natur!
Bescheidenheit
Dringe Nachts am Sternenhimmel
Scharf ins flimmernde Gewimmel
Mit erfreuten Augen ein,
Manches Sternlein wirst du finden,
Und im Augenblick verschwinden
Wird sein anspruchloser Schein.
Immer neue wird erreichen,
Selbst in Mondeshof die bleichen,
Deiner Blicke Adlerschwung,
Aber alle, kaum gesehen,
Werden wieder rasch verwehen,
Spurlos in die Dämmerung.
Also wie am Sternenhimmel
Forsch im menschlichen Getümmel,
Aber suche scharf und gern,
Und verwundert wirst zu zählen
Tausend, tausend scheue Seelen,
Aber jede ist ein Stern.
Epigonenthum
Was schleppet ihr in müßgen Frohnen
Ein Pfündchen zu dem Haufen Gold?
Ihr seid und bleibet Epigonen,
Ihr mögt euch stellen, wie ihr wollt!
So hör ich unsre Weisen sagen,
Und fühle fast, sie haben Recht,
Doch nicht sogleich will ich verzagen,
Denn auch ein Pfündchen Gold ist ächt.
Doch sei es Gold! Heraufgegraben
Tief aus den Schachten des Gemüths
Doch goldne Tugend soll er haben
Der Klang und Schimmer eures Lieds!
O suchet mehr, als nur zu glänzen,
Und denket an ein altes Wort,
Wollt ihr bereichern und ergänzen
Der Dichtung Nibelungenhort!
Ihr sollt nicht künsteln, nie erheucheln
Zum Selbstgenuß ein Herzensfest,
Ihr sollt nicht falschen Göttern schmeicheln,
Wenn euch die innre Macht verläßt.
Gebt Leidenschaft! euch selbst! so findet
Ihr ohne Künste Form und Ton,
Glaubt an die Welt, die ihr verkündet!
Der Lügner nur ist Epigon.
Nacht und Morgen
Ruhvoll schwebt der Dämon der Nacht
Auf schwarzen Fluthen des Aethermeers.
Im Feld kein Laut.
Die Sternlein haben sich aufgemacht,
Sind alle gekommen, alle, alle,
Zu schmücken die herrliche Himmelshalle
– – Es windet, der Morgen graut.
Es windet, der Wildhahn ruft.
Ein Frühhauch über die Wälder fliegt;
Die Dämmerung bebt
Auf lichten Wellen der Alpenluft.
Schon saugen den Schein die klingenden Fluren,
Her schreitet der Tag in rosigen Spuren
– – Die Sonne das Goldhaupt hebt.
Der Nachtgeist fliehet erschrocken leis,
Streifend den blumigen Wiesengrund,
Vorm Götterblick
Zusammenschauernd in kaltem Schweiß.
Und die Lerch entschwingt sich dem frostigen Thaue,
Begrüßet das Licht und jubelt ins Blaue,
Und wiegt sich im sonnigen Glück.
Melancholie
Freuet euch, ihr lieben Menschen,
Frühling ist es aller Orten!
Aus des Himmels blauen Pforten
Wandelt Liebe, Lust und Glück.
Fröhlichkeit ist aller Wegen,
Wie die Quellen munter springen,
Wie die Wandervöglein singen!
Ach! die Sonne kehrt zurück.
Ach – der Frühling kehret wieder,
Nur, um wieder hinzusterben.
Dieser Frühling muß verderben,
Dieser kehrt ja nicht zurück.
Auch der Schmetterling am Hügel,
Sinnbild eures Auferstehens,
Wird verhauchen unversehens,
Und kein Lenz bringt ihn zurück.
Schlichte Meinung
Du bist nicht schön von Angesicht,
Die unbedachte Menge spricht,
Doch deiner Anmuth ewger Reiz
Ist nur der Urquell ihres Neids.
Du bist nicht schön von Angesicht,
Behauptet jeder Kennerwicht.
Ich selbst gestehs. Was mich erfreut,
Ist deine Liebenswürdigkeit!
Du bist nicht schön von Angesicht,
Persianisch deine Wimper nicht,
Nicht griechisch, Theure, dein Profil,
Kein Römerzug dein Mienenspiel!
Du bist nicht schön von Angesicht?
So tröste dich ein Lobgedicht
Auf deine Liebe allbekannt
Freigebige und schlanke Hand!
Du bist nicht schön von Angesicht –
Doch weiß ein kritisches Gezücht,
Es flieht vor ihm und seinem Gruß
Dein feiner und bescheidner Fuß.
Du bist nicht schön von Angesicht.
Rührt euch die Wangenrose nicht?
Des Mundes süße Kirsche pflückt!
Ihr armen Schlucker wärt entzückt.
Du bist nicht schön von Angesicht –
Leucht auf, o keusches Augenlicht!
Ein Geist in deinem Glanze wohnt
Als wie der Friede in dem Mond.
Du bist nicht schön von Angesicht,
Dein Lockenhaar ist leicht Gewicht;
Dein volles Herz doch wiegt mir mehr,
Es arm zu machen, das ist schwer.
Du bist nicht schön von Angesicht,
Am Schwung der Brauen dirs gebricht;
Doch deiner Seele hoher Schwung
Entwaffnet die Verkleinerung.
Du bist nicht schön von Angesicht,
Ach Gott! von Marmor bist du nicht!
Holdselig aber bist du, Kind,
Wie Engel in dem Himmel sind!
Du bist nicht schön von Angesicht.
Doch Liebe geht nicht ins Gericht,
Doch Liebe ist der schönste – Zug,
Und Liebe ist sich selbst genug.
Verbittert
Der Himmel blau und warmes Wetter!
Im Frühling werden Menschen Götter,
Und tausend Wunden werden heil,
Es bricht das Eis der Erdenleiden
Von der Olympier ewgen Freuden
Wird Sterblichen ein Lenz zu Theil.
O herrlich, Sonnenschein zu trinken,
O selig, wo die Kelche winken
Mit süßem Thau und mildem Duft!
Die Schlaffen und die Trägen eilen,
Wo sie zum lieblichsten Verweilen
Das Glockenspiel der Wälder ruft.
O herrlich, Strahlenthau zu schlürfen!
Der derben Kost entsagen dürfen,
Wenn wir vom Frühstück auferstehn;
Beim Lerchenwirbel zu marschiren,
Und unter Blumen zu spazieren
– Und zur Verdauung sich ergehn.
Genug ihr Dichter! eine Frage
Schleicht grinsend an dem Maientage
In eure Jubellieder ein:
Und kleidet, sagt mir, auch den Nackten
Der Frühling, golden und smaragden,
Und will der Hunger Sonnenschein?
»Resignation«
Unsterblicher Name,
Ein öder Schall.
Wenn du moderst im Hügel
Armer Leib,
Was soll dir der Ruhm,
Was soll dir der öde Nachhall?
Du kannst dich nicht freuen,
Nicht laben am Nachhall,
Er ist dir ein Nichts,
Ein Nichts dem Nichts.
Und ist ein Geist,
Der Ewigkeit Eigenthum,
Wie soll er genießen
Irdisches Angedenken?
Ob dein ob eines Andern
Name fortlebt bei Menschengeschlechtern,
Was ist es für Unterschied?
Leerer Hall ists, vielleicht noch
Daß er verwandten Geist weckt,
Vielleicht das Gedächtniß auffrischt
An guten Thaten.
Doch welcher Werth, sprich,
Ruht in des Namens Buchstab?
Laß dir genügen, Herz,
Daß deine Wünsche, Gedanken
Fortleben in Raum und Zeit.
Ob du sie verkündet, ob dieser,
Ob Jener, ist gleichgültig
– Es waren die deinen auch.
Verlangest du mehr?
Gibt es denn andern Genuß?
Fasse die Wirklichkeit!
Der Mitwelt Weihrauch athme!
Und ihn gewinne,
Indem du Liebe gewinnst
Edler Menschen!
Besseres hat die Welt nicht.
Am Scheideweg
Es gilt ein Mann zu sein, ein Fürst des Lebens!
Steck dir ein Ziel, verwirf den Traum!
Die tausend Wünsche loderten vergebens,
Und herrschen kannst du nur im Raum.
Der Jüngling flieht – Jugend grüne weiter!
In Thaten wohnet Poesie.
Sei der Humor dein schützender Begleiter!
Verlasse dieser Gott dich nie!
Verzage nicht in Ungemach und Sorgen,
Kampf ist die Loosung bis zum Tod.
Hast du nicht Freunde treu für Heut und Morgen,
Die Vieles wenden, was dir droht?
Es holt der Geist vom Geiste sich Genesung,
An treuer Brust ruht aus die Brust,
Nur die Verlassenheit ist auch Verwesung
Jedweder Kraft, jedweder Lust.
Die Liebe aber, die du kennst, die Liebe,
Gibt sie nicht allen Wesen Schwung?
Wenn sie ein Dämon aus dem Busen triebe,
Dir fehlte die Beseligung.
Dichtung
Wenn die Sonne nach Schnee und Stürmen
Plötzlich im blauen Himmel steht,
Wandelt dich an ein Gefühl der Rührung,
Wie wenn ein Gruß von geliebten Menschen
Aus der Ferne herüberweht.
Wenn nach schwülen, tödtenden Tagen
Niederschauert ein Regen mild,
Wandelt dich an ein Gefühl der Stärkung,
Wie wenn aus dumpfen Zweifeln gerissen
Dich Gewißheit erquickt, erfüllt.
Also mit unzähligen Griffen
Faßt Natur ins Menschengemüth,
Also raget die dichtende Seele
Mächtig in die unendliche Schöpfung
– Und geboren wird das Lied.
Vom Tode
So nenne mir den allerschönsten Tod.
Ich nenne dir den Tod in heißer Schlacht –
Um theure Güter ist der Streit erwacht,
Für Ehre, Freiheit, für dein gutes Recht,
Ich denke solcher Tod dünkt Niemand schlecht.
Den Heldentod nenn ich den schönsten Tod.
So nenne mir den allerschönsten Tod.
Ich nenn den Tod, in den ich freudig geh
Für Ueberzeugung, Wahrheit, die Idee –
Im Kerker, auf der Walstatt, dem Schaffot,
Der Sieg ist mein, ich sterb für meinen Gott.
Den Zeugentod nenn ich den schönsten Tod.
So nenne mir den allerschönsten Tod.
Ich nenne dir den Tod in Manneskraft,
Als Opfer edler That dahingerafft;
Du stirbst ein Retter, stirbst ein Tugendheld,
Den Lohn im Herzen, unterm Dank der Welt.
Den Opfertod nenn ich den schönsten Tod.
So nenne mir den allerschönsten Tod.
Ich nenne dir den Tod durch süßes Gift –
Durch Blitz, der aus dem heitern Himmel trifft;
Sei es im Elend, das er schnell beschließt,
Seis in der Lust, die sorgenlos genießt.
Der Unerwartete ist schönster Tod.
So nenne mir den allerschönsten Tod.
Ich nenn den Tod – wenn lebensmüd und schwach
Der Leib entschläft im heimischen Gemach.
Rings traute Nacht – die Rechnung schließ ich ab
Mit dieser Welt, Erlösung ist das Grab.
Ein selig Ende ist der schönste Tod.
So nenne mir den allerschönsten Tod.
»Lausch auf! du siehst junge Blumen blühn,
Die stille Wiese und den Quell im Grün.
Ein Morgenhauch, ein milder Sonnenstrahl,
Der Frühling ist gekommen in das Thal –
Dort stirbt ein Greis den gleichwillkommnen Tod.«
Du nennest mir den allerschönsten Tod –
»Ich nenne dir den Tod, den ich erfleh;
Mein war mein Leben, mein war die Idee!
Ich hab gekämpft, geduldet, ich genoß,
Ich ende – ohne Prunk, nur still und groß.
Nicht Arzt, nicht Priester kündet mir den Tod.«
»Ich preise dir den allerschönsten Tod:
Die Lieben all sie trugen mich hinaus,
Vier Wände sind dem Sterbenden nur Graus.
Es war das Sein so reich so lebensroth –
Nun ist mir Leben lieb und auch der Tod.
Ich schau umher und freundlich naht der Tod.«
»Und da ich sterbe allerschönsten Tod,
Noch einen Becher drückt mir in die Hand,
Die Thräne fällt, dann ist er voll zum Rand.
O schöne Sonne, Erd und Erdenglück –!
Lebt woh! legt in die Blumen mich zurück!
Freut euch! Nothwendigkeit ist aller Tod.«
Geschichten und Gestalten
Ein Poet
Kennt ihr den unglückselgen,
Den übermüthgen Mann,
Den wunderbaren, welchen
Niemand begreifen kann!
Ihr wißt, daß keinen Richter
Er über sich erkennt,
Und nennt ihn einen Dichter,
Wie er sich selber nennt.
Ihr lauschet seinen Tönen
Der Eine aber fühlt
Von allen Erdensöhnen
Wie Lorbeer brennt und kühlt!
Zugleich in Lust und Schmerzen
Ist er entzückt, betrübt,
Und oft vom selben Herzen
Gehaßt und heißgeliebt.
Sein Schicksal ist, zu schauen
Zukünftiges und doch
Am alten Räthsel kauen,
Doch ziehn im ewgen Joch.
Mit Träumen, mit Gedanken,
Mit Prüfung bester Kraft
Zu schwelgen oder kranken
In jeder Leidenschaft.
Was Alles einst empfunden,
Von Andern ward gelebt,
Ihm schlägt es frische Wunden,
Die er durchs Leben schleppt!
Und so ihm der Pelide
Vors Auge treten will,
Da weicht von ihm der Friede,
Er selber ist Achill.
Die Meergöttinnen klagen,
Er sitzt am Strand und weint,
Patroklos ist erschlagen,
Patroklos war sein Freund.
Er grollt, er weint, es schäumet
Hochauf das Meer, er starrt
Hinein, vergißt, versäumet
Den Wink der Gegenwart.
Erschrecket nicht, zu lesen
An seiner Stirn, daß er
Der Kain einst gewesen,
Und einst der Ahasver.
Der Menschheit tausendfältgen
Geheimsten Kummer muß
In seinem Selbst bewältgen
Der stolze Genius.
In seinem Busen sammelt
Sich auf das Weh der Welt,
Doch keine Demuth stammelt
Der narbenvolle Held.
Mit Trost sich selbst zu täuschen,
Zu göttlich, folgt er nur
Dem hellen Ruf der keuschen,
Der innersten Natur.
Die ihr so unanstellig
Ihn findet zum Geschäft
Des Tages, selbstgefällig
An Klugheit übertrefft.
Die ihr ihn sein bewitzelt,
Und meidet seinen Pfad –
O eure Seelen kitzelt
Sein Wort und seine That.
Umsonst, daß ihr ihn heißet
Heil suchen anderwärts;
Was wollt ihr thun, ihr reißet
Aus seiner Brust das Herz!
Fürwahr ihm lohnt Verkennung,
So tief er fühlt und ringt,
Daß jeder Tag ihm Trennung
Auch von dem Liebsten bringt.
Auf seinen wilden Wegen
Kommt nimmermehr das Glück
Dem Schmachtenden entgegen
Mit Grüßen in dem Blick.
Ihm ist kein Seelensrieden,
Ihm ist nicht Ruh, nicht Ziel,
Kein Heimathland beschieden,
Kaum irgend – ein Asyl.
Von Wenigen verstanden,
Von Keinem ganz erfaßt,
Nimmt er den Stab zu Handen
Und will auch keine Rast.
So treibt es ihn, zu schweifen,
Unstäten Geistes Kind,
Und seine Früchte reifen
In Wetter und in Wind.
Sie reifen, wie die Sonne
Von Land zu Land von Pol
Zu Pol ihm Leid und Wonne
Ihm reifte Weh und Wohl.
Dann strömet seine Leier
So klare Töne aus,
Und nimmer kühner freier
Voll süßem Seelengraus!
Wohl tief, ach tief von innen
Entquillt der reiche Klang,
Sein Herzblut muß verrinnen
Mit jenem schönsten Sang.
Der Hirt
Kommt die Nacht mit ihren kühlen Schatten
Ueber alles Land;
Schwer bedunkelt schlafen schon die Matten
An der Felsenwand.
Und herüber zieht der Wind,
Leiser Schauer faßt die Glieder –
O mein liebes Kind,
Wann sehen wir uns wieder?
Fand dich nicht zu Hause bei den Eltern,
Fand dich nicht bei mir,
Frühe sucht ich dich auf allen Feldern
Und am Abend hier.
Keinen Gruß, kein Lebewohl?
Tiefe Nacht und tiefes Schweigen –
O mein Kind schlaf wohl,
Bis die Lerchen steigen.
Auf den Fluren bin ich noch alleine
Und mein Herz mit mir.
Sieh! der Mond mit liebetrautem Scheine
Kommt die Wolken für.
O du treues, goldnes Licht!
Leuchte mir zu nächtgen Schritten,
Weißt was mir gebricht,
Was ich schon gelitten.
Berge starren, dunkle Wälder rauschen,
Heilig ist es hier.
Wind und Wellen will ich scheu belauschen,
Flüstern sie von dir?
Von den Wiesen steigt der Duft,
Sanfte Geister weben drinnen,
Bis der Morgen ruft
Und sie scheucht von hinnen.
Manche Nacht schon bin ich umgewandelt,
Mutterseelenallein,
Was die Sternlein unter sich verhandelt,
Ist Geheimniß mein.
Und ihr Schweigen auch ist Gold,
Viele wissens nicht zu deuten,
Aber wem sie hold,
Dem gelingts bei Zeiten.
Du, nur du, mein Engel, sollst erfahren
Was ich hier gehört,
Und ich wills im stillen Busen wahren,
Bis ich dichs gelehrt.
Glücklich werden wir einmal!
Dieses mögen Alle hören –
Wenn wir uns einmal
Einzig angehören.
Heldenfeier
Singet ihnen und bewundert
Die am Thermopylenpaß
Ruhmvoll fielen, die dreihundert,
Sparter und Leonidas!
Männer, die in deutschen Landen
Gleichen Tod und Nachruhm fanden,
Meine Leier nicht vergaß.
Hunnen waren saubre Brüder,
Stürmten über Stock und Stein
Alle Völkersitze nieder,
Kamen auch zu uns, zum Rhein.
Saßen dortlands die Burgunden,
Lösten gern mit Todeswunden
Ihre ewige Freiheit ein.
Wie ein Fels den Fluß in Arme
Theilt und seinen Vollstrom hemmt,
Haben sie dem Hunnenschwarme
Keck entgegen sich gestemmt.
Fels, von ächtem Schrot und Korne,
Wurdest von dem Wellenzorne
Unzertrümmert überschwemmt!
Preis euch Tapfern, euch Zehntausend,
Eurem Stolze wetterkühn,
Der die Woge, welche brausend
Euch verschlang, verschmäht zu fliehn!
Opfertod im Schlachtgetöse,
Untergang der Heldengröße,
Nie soll dieser Ruhm verblühn!
Bleibe drum auch unvergessen
Hochsinn einer spätern Zeit!
Seid mit gleichem Maß gemessen,
Wimpfens Helden, Leun im Streit!
Aus Kordovas Feuerschlünden
Euren Tod und Ruhm verkünden
Hört die spanische Tapferkeit.
Trommeln wirbeln, Pulverwagen
Knallen auf, Verwirrung, Flucht,
Georg Friedrich war geschlagen,
Hat die letzte Kraft versucht.
Pforzheims Bürger stehn vierhundert
Fest im Blut, vom Feind bewundert,
Halten aus die Reiterwucht.
Seid im Liede stets gefeiert
Ihr vom »weißen Regiment«!
Solch Gedächtniß ist erneuert,
Wo sich Treu am Muth erkennt.
Euren Fürsten vor den Ketten,
Eurer Sache Ehr zu retten,
Nahmet ihr ein rühmlich End.
Singet ihnen und bewundert
Die am Thermopylenpaß
Ruhmvoll fielen, die dreihundert,
Sparter und Leonidas –
Männer, die in deutschen Landen
Gleichen Tod und Nachruhm fanden,
Meine Leier nicht vergaß!
Student von Prag
Am Hügel geht der Mondschein
Wie Hauch der Sehnsucht um,
Die frischen schallenden Wellen
Werden am Ufer stumm.
Dort auf der steinernen Brücke
Steht eine dunkle Gestalt;
Die kühnen Augen blitzen,
Die goldene Locke wallt.
Er läßt die Blicke schweifen
Im weiten Nachtgebiet,
Und seiner Brust entsteiget
Ein schauerliches Lied.
Ihr stummen schwarzen Berge,
Was starret ihr mich an?
Ihr kühlen grauen Wellen,
Was hab ich euch gethan?
Was wollt ihr grauen Wellen
Mit eurem schaurigen Sang?
Mit eurem grausigen süßen,
Mit eurem gierigen Klang?
Ich kann vor euch nicht schlafen,
Ich kann vor euch nicht ruhn;
Was habt ihr mit meiner Liebe,
Mit meinem Leben zu thun?
Mein wissenschaftlicher Eifer
War ehmals gar so groß –
O weh, die heißen Gedanken
Werde ich nimmer los!
Es sungen meine Brüder
Dort drüben im trauten Haus,
Ich höre das Wasser rauschen
Und stürze stumm hinaus.
Das Mädchen, das ich liebe,
Ist so zum Sterben schön!
Ich glaube fast, ihr Wellen,
Ihr kühlen, wollt mich verstehn.
Die Jagd
»Wohlauf, ihr Herrn, ha wohlauf zur Jagd!
Reißt weg die Becher vom Mund!
Der Himmel wird grau, es windet, es tagt,
Der Hahn kräht Morgenstund!«
So ruft der Junker von Hesselhag,
Das leere Glas in der Hand,
Ins übernächtige Zechgelag,
Und wirft das Glas an die Wand.
Schlaftrunken fahren die Gäste auf,
Sie schütteln das Lockengeflecht,
Und rütteln im Hin- und Widerlauf
Die Koller sich rasch zurecht.
Die Kohle im Schlot, der Wein im Krug
Ist todt, es schauert die Herrn,
Sie waschen den Kopf, sie haben genug,
Sie hören den Jagdruf gern.
Und Rossegewieher dringt herauf
Zum Saal und Fackelschein,
Im Schloßhof lärmt der Hundehauf,
Hell klingen die Hörner darein.
Das hat den Junker aufgemannt,
Er schreitet hinaus zum Saal,
Sieh da, im fliegenden Nachtgewand,
Sein blutjung Ehgemahl!
Sie blicket ihn an: o lieber Herr,
Geht heut nicht auf die Jagd!
Verzeiht, daß ich den Weg Euch sperr,
Ich träumte so bös zur Nacht;
Die Rosse, die jetzt ihr wiehern hört,
Sie fuhren uns beid hinaus,
Zur Gruft nach Sankt Katharinenwörth,
Heut, Herr, bleibt heut zu Haus!
Und zürnet nicht, so träumt ich, Herr!
»Was?« donnert der rauhe Mann,
»Schon wieder das eckle Weibsgeplärr?
Ein Schwachkopf hör es an!
Geh weg!« Ach Herr! »Verstehst du deutsch?
Geh weg!« Gott nein, ich bleib
An deinem Halse – »die Hundepeitsch
Für dich, zudringlich Weib!«
Geschlagen ist die holde Frau,
Da steht sie wie versteint,
Ihr großes Auge himmelblau
In Thränenglanz erscheint.
Sie wankt dahin, sie weint sich aus,
Läßt Alles gehen und stehn,
Den ganzen Tag hat Niemand im Haus
Die arme Herrin gesehn.
Indessen sucht in Wald und Feld
Der Junker Waidmannslust –
»Ei, Bettelmann, willst du kein Geld?
Was wirfst dich in die Brust?«
Ei, Edelmann, die schöne Au
Verwüstet länger nicht!
Seht zu, daß Eurer frommen Frau
Daheim kein Leids geschicht!
»Halloh, was soll das, alter Schuft?«
Roßfenchel hier für Euch!
Geht, säubert von bösen Geistern die Luft
In Eurem Haus sogleich!
Sonst weh! »Sonst weh,« gedankenlos
Nimmt hin der Junker das Kraut,
Verschwunden ist über Fels und Moos,
Der ihm es anvertraut.
»Ha, dummes Zeug!« es wischt den Traum
Der Jäger vom Aug sich so,
»Ha Rappe, wohlauf, setz über den Baum!
Ans Waidwerk auf und halloh!«
Und fernher lärmt der Hundehauf,
Hell klingen die Hörner darein,
Der treffliche Junker ist wohlauf,
Er saust über Stock und Stein.
Schon sinkt herab zum Hochlandsee
Der glühende Sonnenkern,
Schon blinkt aus seiner einsamen Höh
Der heitre Abendstern;
Da zieht der lachende Edelmann
Befriedigt auf sein Schloß –
»Wo ist die Hausfrau, sagt mir an,
Die solcher Fang verdroß?«
»Wo ist die meine? Verdrießlich Weib!
Zur Unzeit seh ich sie nur.
Wo steckt sie jetzt? Weiß Gott ich treib
Ihr aus die kranke Natur!
Den besten Anfang hab ich gemacht,
Wie schnell ist sie verstummt
Heut früh mit ihrem Geträum zur Nacht,
Das all ihr Wesen verdummt!«
»Ha, eingeschlossen? Verriegelt die Thür?
Bring, Weib, mich nicht in Wuth!
Mach auf! noch immer stumm? Dafür
Ist dieser Fußtritt gut.«
Die Thüre kracht aus Angel und Schloß
Zu Boden, Knall und Fall,
Herbeistürzt eiliger Dienertroß,
Verblüfft vom Widerhall.
O sieh, o sieh, da liegt sie todt,
Des Junkers schön Gemahl!
Auf ihrem Prunkbett, blutigroth,
Durchbohrt vom gierigen Stahl!
»Wer that mir das?« schreit auf – ihm grauts –
Der schwerbetroffne Mann;
Da scholl eine Stimme scharfen Lauts:
Das thatest Du, Tyrann!
Die Stimm verklang, der Junker blickt
Ins alte Bettlergesicht.
»Kerl, hat die Hölle dich hergeschickt?
Greift den verwegnen Wicht!
Vergebens jedoch sehn seiner Spur
Die bleichen Diener nach,
Verschwunden schon, über Trepp und Flur,
Ist der so seltsam sprach.«
»Laßt mich allein!« gebietet jetzt
Der Herr – die Knechte fliehn –
Der Herr in sich versunken setzt
Aufs blutige Bett sich hin.
»Ermordet liegt mein schönes Weib!
Und Ich hab' Das gethan!
Ich schlug – erschlug ihren edeln Leib!
Fluch, Fluch, weintrunkner Wahn!«
»Beschimpfung trägt kein treues Weib.
Ein Bettler unterweist
Den hohen Herrn – weiß Gott, ich treib
Aus mir den bösen Geist!
Ich schäme mich. Komm Fenchelkraut,
Komm würze den schnöden Wein.
Dies Weib hat Gott mir anvertraut,
Dich der mein Freund allein!«
Habt ihr die Rosse wiehern gehört
Beim ersten Lerchenflug?
Zur Gruft nach Sankt Katharinenwörth
Fuhr still ein Leichenzug.
Kein Sang und Klang. Im Zwielicht saß
Ein Mann dort, betete leis.
Man rief ihn an – über Grab und Gras
Verschwunden war der Greis.
Mithridates
Im goldgeschmückten Marmelsaal,
Zu seiner Pontusstadt,
Auf Rosen lag beim prächtigen Mahl
Der König Mithridat.
Und rings um ihn der Freunde Kreis,
Die Feldherrn seines Heers;
Sie tafelten – so strahlt um Zeus
Die Götterschaft Homers.
Die Harfe blitzt in schöner Hand,
Gesang und Tanz voll Reiz!
Den Mann im purpurnen Gewand
Nicht kümmert und erfreuts.
Es sprudelte des Weines Schaum
Im Kelch, krystallen schwer,
Er schmauste nicht, er nippte kaum,
Und schaute still aufs Meer.
Ihr Römeradler seid zur Hand!
Sind eure Schwingen matt?
Euch zürnt der Herr über Meer und Land
Der König Mithridat.
Wohl unterm freien Säulendach
Trinkt Kühlung jeder Gast,
Die Abendlüfte werden wach,
Der Wind ein Segel faßt.
Ein kleiner Nachen treibt ans Land,
Das säuselnde Gebüsch
Verhüllt den blühnden Gartenstrand
Den Fröhlichen am Tisch.
Da klinget auf das ehrne Thor
Am riesigen Portal,
Es tritt ein Krieger rasch hervor
Mit frech entblößtem Stahl.
Und steigt hinan zum hohen Thron
Der römische Legat,
Und spricht mit stolzem Herrscherton
Zum König Mithridat:
»Das Römervolk und sein Senat
Bringt Frieden unbedingt,
Wenn ihm der König Mithridat
Des Reiches Hälfte bringt.
Doch wenn der König solchen Brauch
Hält seiner Weisheit fern,
Verschlingen die Legionen auch
Die andre Hälfte gern!«
Da ruft der König Mithridat:
»Geh, sage dem Senat,
Gern löscht den Durst nach seinem Staat
Der König Mithridat.
Auf! sendet euern Consul nur!
Die Hälfte, die ihr wollt –
Poseidon höret meinen Schwur –
Seis, die ihr schlingen sollt!
Den Consul schick ich selbst und sein
Lechzend Legionenheer
In diese Hälfte des Reichs hinein,
– Diese Hälfte ist das Meer.«
Der König winkt. Da brechen all
Die Schwelger auf vom Schmaus,
Und herrlicher Posaunenschall
Tönt weit ins Meer hinaus.
Der Westwind wich, der Ostwind streicht
Vom Felsgebirg herab;
Des Herrn smaragden Scepter däucht
Dem Volk ein Zauberstab.
Nun taucht die Sonne in die Flut,
Nun wieder dreht sich der Wind,
Und ferner aus der Wogenglut
Posaunenschall beginnt.
Ihr Römeradler seid zur Hand,
Wenn Sturm von Osten naht!
Euch zürnt der Herr über Meer und Land,
Der König Mithridat.
Deutsches Wort
Zu Seckenheim im Neckargrund
Fuhr auseinander der Fürstenbund,
Fuhr in die Feinde wie der Blitz
Der »sieghaft« Held, der Pfälzer Fritz.
Der Markgraf Karl, der Bischof von Metz
Vollstrecken wollten des Kaisers Gesetz,
Graf Ulerich auch von Würtemberg
War lustig bei dem Kriegshandwerk.
Sie sämmtlich schleppt »der böse Fritz«
Nach Heidelberg zu festem Sitz,
Dort ruhen sie aus vom Waffensturm
– Truz-Kaiser hieß der dickste Thurm.
Und saßen die Herrn dort Jahr und Tag,
Bis ihre Geduld in Brüchen lag;
Der Markgraf Karl schwur einen Eid,
Und gab dahin viel Land und Leut.
Manch gutes Jahr, manch schlechtes Jahr
Seit dem nun wieder vorüberwar,
Der Pfalzgraf ruht nach altem Brauch
Im Sarg von Stein, der Markgraf auch.
Und auf dem Schloß zu Baden saß
Der weise Christoph, heil von Haß;
Fürst Philipp thronte auf der Pfalz,
Dem kam das Wetter über den Hals.
Von allen Seiten wie Gießbachschwall
Zerreißt ein armes schönes Thal,
So nahm der Feinde Fluth überhand,
So fielen sie her über pfälzisch Land.
Das heilige halbe römische Reich
War auf den Beinen, es galt den Streich
Zu führen mit aller gebissenen Kraft,
Drum ging auch Ruf an die Markgrafschaft.
Der Rach und Wiedervergeltung galts,
Schon blutet das Antlitz der fröhlichen Pfalz,
War ausgewüstet und umgezerrt
Zur heulenden Fratze durch Feur und Schwert.
Auf, auf, Herr Markgraf, seid mit uns!
So sprachen die Boten des Fürstenbunds,
Jetzt ist der rechte Augenblick,
Auf! holt Euch Land und Leut zurück!
Der Markgraf Christoph aber sprach:
»Nun sind meine Sachen nicht darnach,
Mein Vater schwur dem Sieger den Eid
Der Treu, mich bindt was ihn befreit.
Und diese Treu soll unverletzt
Erhalten sein auch gegen den jetzt
Besiegten Pfalzgraf – Ehr und Eid
Geht allweg über Land und Leut.«
Der Jäger
Es stürzt der Bach, es starrt der Fels,
Am hohen Zweige schwankt der Rab –
In schweren, weißen Flocken
Sinkt still der Himmel herab.
So feenhaft, so heimlich fremd,
So sonderbar ists rings umher,
Ich komme von den Bergen,
Die Kugel im Gewehr.
Dort drüben, wo das Mühlrad ging,
Der Müller ist verdorben bald,
Hat sie gewohnt, der Engel,
Im dunklen tiefen Wald.
Ich weiß nicht wie zu Muth mir wird,
So kindlich und so feierlich,
So festlich stehn die Tannen,
Kein Lüftchen reget sich.
Ich frage, wird es schöner sein,
Wenn laut im Wald der Lenz erwacht,
Wenn duftge Kräuter sprießen,
Und blau der Himmel lacht,
Wenn Wanderlust das Thal durchrauscht,
Die Axt erklingt, das Tagwerk schallt,
Und dieser weiße Frieden
Verschwunden aus dem Wald?
König Arfest
Von Westen flog Gewölk herauf,
Der Rheinstrom rauschte mächtig,
Was will der eilige Männerhauf
Im Mondschein mitternächtig?
Die Rosse wiehern mit Ungeduld,
Gar weithin schimmern aus dem Tumult
Zwei weiße Zelter prächtig.
Und der Fährmann schreitet zur Hütt heraus,
Zu festen das Boot am Gestade,
Daß Sturm und reißender Wogenbraus
Der ärmlichen Habe nicht schade.
Der einzige Nachen weit und breit!
Fahr über, du Lump! Dein König gebeut.
Heut widerfährt dir Gnade.
Mein König? Ich habe keinen Herrn,
Ich folge fürwahr keinem Rufe,
Ein freier Wangione so sitz ich gern
Auf meiner einsamen Hufe.
Ich will nicht fahren. Ich will kein Gold.
Ihr habt die Gewalt, macht was ihr wollt,
Die ihr steht auf des Thrones Stufe!
Und nimmer der Antwort würdigend
Den stolzen Landsmann, heben
Die Königsleut vom Sattel behend
Die Weiber, welche beben.
Zwei Königinnen, der Schmuck des Lands,
Die Eine zum Prunk und Fürstenglanz,
Die Andre zu Liebe und Leben.
Und wieder erhallet der Uferwald
Vom dröhnenden Roßgestampfe;
Das ist Arfest, die edle Gestalt
Umhüllt von des Renners Dampfe.
Und ermattet vom Ritt und der Rüstung Gewicht,
Erschien er im trutzigen Angesicht
Als käm er frisch aus dem Kampfe.
Mit dem wehenden Fell, der Schultern Zier,
Vermengt sich das Gold seiner Haare,
Jetzt schwingt sich der Kecke vom schnaubenden Thier,
Damit er den Strom überfahre.
Doch ist keine Fähre mehr weit und breit –
Die Königinnen in Sicherheit,
Der König so fern dem Paare!
Wohl schneidet der starkgefügete Kahn
Scharf durch die tückischen Wogen,
Da kommen, sie kündeten Unglück an,
Die Wettervögel geflogen.
Und plötzlich heulet der Sturmwind auf,
Dann Finsterniß – bange Stille drauf,
Und der Nachen dem Blick entzogen.
Doch es siegt der Mond, es weicht die Wolk,
Da sieht man Thränen quellen,
Und der König, mit ihm sein ganz Gefolg,
Sie stürzen beherzt in die Wellen.
Das sind die Genossen in jeder Noth,
Der Rest der Treuen bis in den Tod,
Die edeln Bluttrankgesellen!
Glück zu, du herrlicher Schwimmertroß!
Glück zu in allen Gefahren!
Es gibt keine Furcht. Heil Mann und Roß!
Euch müssen die Götter bewahren.
Doch weh! sie strafen den Uebermuth –
Es kämpfen umsonst mit des Wassers Wuth
Die den König Arfest umschaaren.
Arfest allein mit kühnem Griff
Hat sich ans Ufer geschwungen,
Dort wo der Kahn zerschellt am Riff,
Wo der Rhein die Frauen verschlungen.
Arfest allein mit seinem Schmerz,
Steht auf dem Strand, sein Heldenherz
Vom großen Schicksal bezwungen.
Und er ruft in die weite Nacht hinaus,
Daß selbst der Sturm, erschrocken,
Daß selbst der reißende Wogenbraus
Mit ihrem Wuthsang stocken.
Verloren, verloren Reich und Ruhm!
Die Krone, das Völkerheiligthum,
Verloren aus den Locken!
Zertrümmert das Glück, versiegt der Born
Des Siegs, umsonst gefochten
Die zwanzig Schlachten, weil gegen den Zorn
Der Götter wir Nichts vermochten!
So schickten sie über uns List und Verrath,
Vereitelnd männliche Waffenthat,
Auf die wir, Verlorene, pochten!
Nehmt Reich und Ruhm, nehmt Weib und Kind!
Ihr habt nun Alles, versüßen
Soll nichts mein Leid – – Arfest zerrinnt
In Thränen nicht durch Büßen!
Und der König wischt sich die Thränen ab,
Nimmt das treue Schwert zum Wanderstab,
Die heimischen Gauen zu grüßen.
Der stille Zecher
Die Abendstunden rascher fliehn,
Und Dunkel bricht herein,
Die Sonne sinkt, was kümmerts ihn
Bei seinem hellen Wein?
Die Kelche leuchten in der Nacht,
Sie klingen süß und leis,
Sie duften gleich der Blüthenpracht
Am jungen Frühlingsreis.
Er schaut ins tiefe Glas, da dringt
Ein Wohlgeruch empor,
Aus dessen Fülle schafft und ringt
Sich Geisterwalten vor.
Die Geister bunt gemischt, gemengt,
Er saugt sie gierig ein,
Bis ihn der Rausch zum Liede drängt,
Zum hohen Lied vom Wein.
Und jede goldne Melodie
Verwebt sich seiner Lust,
Es strömt die volle Poesie
Aus seiner trunknen Brust.
Nur manches Mal beschleicht den Mann
Ein wehmuthsvoller Klang,
Von frühbegrabner Liebe, dann
Hält inne der Gesang.
Dann küßt er einen Ring von Gold,
Dann füllt er hoch zum Rand
Das Glas, und eine Perle rollt
Zum blitzenden Demant.
Schlacht am Morgarten
Zwielicht füllt die Nebelforste,
Schimmert an der Felsenwand,
Wo sich Falken hoch am Horste
Weithin schwingen übers Land,
Langsam hellen
Sich die Wellen,
Und der See blitzt auf am Rand.
Gott zum Gruß! die Eidgenossen
Rücken an im hellen Hauf.
Heut mit tückischen Geschossen
Stellen sie sich lauernd auf,
Zu erneuern
Ihrer theuern
Freiheit blutigen Erkauf.
Hört ihr schon das dumpfe Tosen?
Ferner Waffen Widerhall!
Wie sich in der Bergschlucht Schooßen
Fängt der Schlachtenhörner Schall;
Immer jäher
Wälzt sich näher
Ihrer stolzen Feinde Fall.
Gleichend einem Feuermeere,
Wenn es durch die Saaten quillt,
Glühet weit im Adelsheere
Schwert und Speer und Helm und Schild.
Solchen Schimmer
Sah man nimmer,
Solch ein prunkend Schreckenbild!
Schon verwirret sich die Masse
Vorn im unvorsichtgen Trab,
Ist ihr doch die hohle Gasse
Vorbestimmt zum sichern Grab!
Das Gedränge
In der Enge
Woget lärmend auf und ab.
Gräßlich in dem Augenblicke
Donnerts in den Rittertroß,
Ungeheure Felsenstücke
Schmettern nieder Mann und Roß;
In den scheuen
Reiterreihen
Wüthet schrecklich das Geschoß.
Abgewaldet stehn die Kämme
Des Gebirgs, o tolle Schlacht!
Wuchtiger Tannen Riesenstämme
Sausen nieder in den Schacht.
Staubumqualmet
Liegt zermalmet
Ryburg in der Todesnacht.
Seht sie jetzt heruntereilen
Unter jubelndem Geschrei,
Wie sie schlagen mit den Keulen
Aller Richtung Trotz entzwei!
Ja, da sanken
Auf den Flanken
Viele Herren stolz und frei.
Diese Bauern zu zertreten
Mit dem siegesharten Fuß,
War den prahlenden Trompeten
Hohngetränkter Schlachtengruß,
War in schnöden
Ingrimms Reden
Eures Uebermuths Erguß!
Jetzt vergeblich möcht ich schauen,
Jetzt bewundern jenen Zug,
Den so stattlich durch die Gauen
Einst der Schwarm der Rosse trug.
Weh, die Wunden
Nie gesunden,
Welche Männerrache schlug!
Leopold, du bester Ritter,
Held und Feldherr ruhmgekrönt,
An dergleichen Ungewitter
War dein Schlachtruhm nicht gewöhnt!
Du gerichtet,
Du zernichtet,
Dem ein standhaft Glück gefröhnt?
Ha, ich fühle deine Leiden,
Wie du wild im Zorne glühst,
Wenn du so auf allen Seiten
Die Getreuen fallen siehst!
Wie in Bächen,
Dich zu rächen,
Nur umsonst das Herzblut fließt.
Sieh! die Sonne ist gesunken,
Oede Stille herrschet nur,
Wieder dämmerts – Sternlein prunken
In die schweigende Natur;
Doch die Leichen
Dorten zeigen
Lauten Tobens tiefe Spur.
Der Reiter und sein Schatz
Trompeten blasen, Fahnen wehn,
Ade mein Schatz, leb wohl!
Ich bin ein armer Reitersmann
Mit Säbel und Pistol;
Mein Roß, mein Rock, mein blank Gewehr,
Mein Leben ist nicht mein,
Doch habe nur Vertraun zu mir,
Mein Herz, o Schatz, ist dein!
Vertrauen dir in Ewigkeit,
Du lieber trotzger Mann,
Seit ich dich nur mit Augen schaut,
Das hab ich ja gethan;
Doch ach! Vertraun, was hilft das uns,
Das Schicksal ist so karg,
Und mein Vertraun, ach, ist am End
Der Nagel an deinem Sarg.
O Lieb, es ist kein leeres Wort,
Die Treue bis zum Tod;
Das macht mich unerschütterlich
Für Alles, was uns droht.
Um dich, du Engel, o wie gern
Ertrag ich jede Pein,
Laß uns der liebeleeren Welt
Ein großes Beispiel sein!
Hochmüthig ist die Welt und kalt,
Lacht vornehm unsrer Qual,
Zu lieben hat sie ganz verlernt,
Und ahnt es nicht einmal;
Sie rechnet treue Lieb sogar
Zum bittern Schimpf uns an,
Und nimmer traut sie ihr und ihm
Was Gutes zu fortan.
O weine nicht, mein theures Kind,
Was hat man dir geraubt?
Am Ende kriegt die Welt Respekt
Vor dem, was sie nicht glaubt.
Die Welt, sie traut sich selber nicht,
Ist selber ohne Halt,
Wenn Einer nur was Tüchtigs will,
Wird sie gar feig alsbald.
So zieh hinaus! ich bleib dir treu!
Sei wacker im Gefecht!
Dein Mädchen hast du glücklich gemacht,
Und bist ihr immer recht.
Sie zaget nicht, sie klaget nicht,
Sie greint nicht ohne Noth,
Und nur wenn du nicht wieder kommst,
Dann weint sie sich zu Tod.
Trompeten blasen, Fahnen wehn,
Jetzt hab ich gute Ruh,
Und alle Kugeln treffen nicht,
Du lieber Engel du!
Und trifft es mich und wirft es mich
Für immer auf den Platz,
So bettle dich zu meinem Grab
Und stirb bei deinem Schatz!
Manfred
Als ich ein Gebet noch hatte,
Wenn ich Abends schlafen ging,
Und der Sinn, der schlummermatte,
Noch Gewissensgrillen fing,
Als bei jedem Schritt und Tritte
Ich mein Herz belauscht und frug,
Heißen Dank und heißre Bitte.
In die Sternenwelten trug,
Glaubet nicht, daß mir das Leben
Damals sanfter, leichter floß,
Weil ich still und gottergeben
Jedem Stolz die Brust verschloß,
Weil ich nie sich frei entfalten
Ließ Gefühl und Sinnes Kraft,
Sich gestalten, siegreich walten
Nimmermehr die Leidenschaft.
Heiter streu ich in die Stürme
Heute des Verstandes Licht,
Daß mich eine Kette schirme,
Trüg ich heute wahrlich nicht!
Heiter in der Lebenswellen
Wilden Aufruhr gieß ich heut
Oel der Weisheit, sanftes Quellen
Ewiger Vernünftigkeit!
Uring
Feurig ist wie seine Rebe
Allemanniens rascher Sohn,
Machtvoll schallt des Edeln Stimme
Wie des Rheinfalls Donnerton.
Ritter Uring ist der Edle,
Ritter Uring ohne Graun,
Dem die Hohen niedrig schmeicheln,
Dem die Niedrigen vertraun.
Seht um seine Lippen zucken
Wilden Hohn, doch Majestät
Von der frohen Stirne leuchten,
Wenn er durch die Menge geht!
Dunkel wallen ihm die Locken
Auf den Nacken, nie gebogen,
Einstmals waren sie von Golde,
Eh der Sturm sie überzogen.
Das Geschlecht ist heimgegangen
Längst in die Vergessenheit,
Und vergebens sucht der Wandrer
Seiner Stammburg Herrlichkeit,
Kaum daß noch die Sage flüstert
Wo gehaust der stolze Held,
Dessen Thaten nur der Sturmwind
Kühnen Felsen dort erzählt.
Und er meldet hohen Festruhm
Vom verwegensten Turnier,
Welches gab der reiche Guntram,
Aller Mannen Heldenzier;
Rauher, riesiger Gestalten
Manche bei dem Fest erschien,
Doch die Starken aller Stämme
Warf des Uring Lanze hin.
Mit dem Schwerte, mit der Mordaxt
Ueberwand die Recken all
Uring, der gepriesne Streiter,
Unter der Fanfaren Schall;
Stolze Sachsen, wilde Baiern,
Kühne Schwaben, schlanke Franken,
Ungestüme Allemannen
Sah man da zu Boden schwanken.
Prächtig saß im Siegerschmucke
Uring auf dem falben Roß,
Golden schimmerte die Richtung,
Lichte Glut vom Antlitz floß.
Welch ein sonnenhaftes Glänzen,
Heldenruhmes fröhlche Pracht!
Das ist Pracht der Abendsonne,
Welche sinket in die Nacht.
Untergehen will die Sonne;
Ha, wie hell der gelbe Neid
Gegenüber ihrem Glühen
Steht in Aufgeblasenheit!
Schon ist Fehde hingeworfen –
Der Besiegten schnödem Grolle
Gnügt ein Vorwand – Bundeszeichen
Ist der Mond, der gelbe, volle.
Doch zurück auf seine Veste
Eilet Uring, ohne Graun,
Seinem Sitze, kühn gehorstet,
Darf der kühne Adler traun!
Wie gegossen in den Felsen
Hängt die Burg am schroffen Rand,
Jäh und senkrecht klafft es abwärts
In das offne Schweizerland.
Außen fügen schwere Blöcke
Sich zu einem runden Thurm,
Ohne Zierrath, ohne Zinnen
Trutzt er aller Wetter Sturm.
Aber innen gleißt und strahlt es,
Herrlich funkelte der Schein,
Sieben goldne Schlachtenpanzer,
Hundert andre stehn in Reihn.
Ringsum wimmeln schon die Feinde
Um das hohe Felsenhaus,
Doch der Unerschrockne blicket
Bittern Hohn ins Feld hinaus:
»Schrecklich will ich jetzt mich zeigen,
Denn des Uring Heldenstamme,
Ahn ich, soll das Mark verdorren
Eine heiße Himmelsflamme.«
»Asche werden soll die Eiche
Meines rühmlichen Geschlechts,
Doch am ewgen Richterstuhle
Wieder Wurzel schlagen rechts!
Trauern will ich nur ein Weilchen,
Dann soll reichlich Blutfest sein,
Stattlich über Leichenhaufen
Will ich betten mein Gebein!«
Eine schwarze Trauerfahne
Läßt er wallen von dem Schloß,
Unheil rauschte sie im Winde
Nieder auf der Feinde Troß,
Der in endlos neuen Schaaren
Her sich wälzt vom nahen Wald,
Stolze Fahne, Unheilfahne,
Nimmer flattern wirst du bald!
Zürnende Gewitterwolken
Lagerten sich auf den Höhn,
Winkt sie wohl die dunkle Fahne
Mit dem fürchterlichen Wehn?
Alle sind es dunkle Fahnen,
Rauschend unter Sturmes Flug,
Dort Vernichtung hinzutragen,
Wo der Feind die Zelte schlug!
Sie entladen sich – ist Donner,
Ist der Strahl es, der da fiel?
In das Leuchten ists erschollen,
Und gefunden ist das Ziel.
Banner kannst du Blitze locken
Und des Donners Melodein,
Warum kannst du sie nicht bannen,
Wenn sie selber dich bedräun!
Menschenhand vermochte nimmer
Dich zu stürzen, Menschenhand,
Aber andere Hände nahen,
Die dich reißen in den Sand!
Blutig steigt das Feuer nieder,
Dumpfer Knall – das Schloß zerstiebt,
Uring, dir zum Tod und Ruhme
Wird ein solches Spiel geübt!
Schrecklich ja willst du dich zeigen,
Schrecklich, Uring, zeigst du dich –
Wie der Thurm sich graß geberdet,
Als er aus den Fugen wich!
Flammen, blaue, rothe Flammen
Zischen aus dem Riesenspalt,
Ha, was ist das? Mitten drinnen
Raget eine Nachtgestalt!
Uring auf dem falben Rosse!
Eisern, wie in Nacht gehüllt,
Sitzet er im goldnen Sattel –
Ein entsetzenathmend Bild.
Uring! In die Flammenrunde
Blickt er, furchtlos, unversehrt,
Krampfig mit den Eisenhänden
Hebt er himmelan sein Schwert.
Von dem Himmel hergesendet
Schien des Helden Feuerroß,
Hat der Blitz sich umgestaltet
In ein goldnes Feuerroß?
Zucket nicht das Wetterleuchten
Noch im Auge, wuthentbrannt?
Kann ich fragen, Sohn der Wolken,
Hat der Himmel dich gesandt?
Glühen Rauches Purpurwogen
Ueberqualmen Mann und Roß,
Nah umraget hoch zu beiden
Seiten ihn sein brennend Schloß;
Adler schwirren aus der Lohe,
In die Lüfte setzt der Ritter,
Prasselnd stürzt die heiße Felsschicht,
Drüber rollen die Gewitter.
Kühner Sprung, des Uring würdig!
Ha, wie bäumte sich der Hengst!
Staunend starrt der Feind im Lager
– Doch verschwunden sind sie längst.
Höret ihr den hellen Windstoß?
Glut und Asche führt er fort,
Wüst und leer wars – über Trümmern
Führt der Sturm das große Wort.
Urings Name ist verklungen.
Aber oft, um Mitternacht,
Brausen durch die Felsenklüfte.
Lieder, die der Sturm erdacht;
Heldensänge, Waffenklänge
Schlagen an des Wandrers Ohr,
Und am dunkeln Himmelsbogen
Schweift – erlischt ein Meteor.
Der Blinde
Ihr, ihr mit offenen Augen
Ihr kennet nicht meine Nacht!
Da ist Alles so finster so dunkel,
Kein freundliches Sternlein wacht.
Die schöne, die liebliche Erde
Ich habe sie lang nicht erschaut,
Ich höre vom Leben der Menschen
Nur süßen, bitteren Laut.
Ich athme den Frühling im Winde,
Ich spür ihn im Blumenduft –
Mir ist wie dem Bräutigame
Vor seiner Geliebten Gruft.
Die tröstlichen Lichter am Himmel,
Der silbernen Wellen Blick,
Ich sehe sie nimmer, ich höre
Nur ihre Tanzmusik.
Mir will kein Antlitz scheinen,
O weh mir schrecklichem Mann!
Weiß nicht, ob auch eine Seele
Mich lieben und leiden kann.
Ich schaue nur blasse Gedanken,
Ich greife Gefühl ohne Leib,
Nur Ahnen und Wiedervergessen
Das ist mein Zeitvertreib.
Apricari
Ein Jüngling lag am Hügelrand,
Und träumte von besseren Tagen,
Er träumte von dem Vaterland,
Vom letzten Schlachtenschlagen;
Die Wimper zuckt, das Herz pocht laut,
Er hat auf menschlicher Erd erschaut
Kein Weinen mehr und Klagen.
Die Föhren säuselten in dem Wind,
Hoch kreiste der Weih in den Lüften,
Der Morgenathem kam so lind
Herüber die grünen Triften;
Und in der jungen träumenden Brust
Eine Friedenswelt ward sich bewußt,
Berauscht von Freiheitsdüften.
Es war der Liebe goldenes Reich
In alle Thäler gezogen,
Da machte die Schönheit die Menschen gleich,
Da ward keiner Treue gelogen,
Da war keine Sünde, da war keine Schuld,
Da schwelgete Alles in Liebeshuld
Was unter dem Himmelsbogen.
So wacht er auf in grüner Flur,
Gen Süden glänzte die Sonne,
Kein Menschenlaut! er hörte nur
Der Vögel Liederwonne.
Zur Seite rieselt ihm leis ein Quell,
So silberfrisch, so dunkel hell,
Er trank vom klaren Bronne.
Daß er geträumt, er wußt es nicht,
War von der Welt genesen,
Er glaubte wie im Traumgesicht
So sei es immer gewesen.
Dann that er wieder die Augen zu,
Und lag in schweigender Schlafesruh,
Genesen.
»Guido«
Mir ist wie in heißem Sommer
Auf stiller glühender Haid
Wo die stummen Mittagsgespenster
Schlafen im grünen Kleid.
T.
Aus argen Träumen aufgewacht
Dalieg ich ruhlos in der Nacht;
Mein Auge flimmert und mein Blut
Rollt um in regelloser Glut.
Mich dünkt, ich litte wilde Pein
In schwüler Mittagsonne Schein,
Die freundliche, die traute Nacht
Für mich ist sie umsonst gemacht.
Warum, o Friede, fliehst du mich?
Von mir, o Ruh, was scheuchet dich?
Wer übt auf mich den Seelenzwang?
Mir ist so gar unheimlich bang.
Ermattet schlummer ich endlich ein,
Und neuer Traum und alte Pein!
Da ruft mich eine Stimme wach,
Und in den Ohren klingt mirs nach:
Und süßen Frieden, milde Ruh
Nicht ehr und anders findest du,
Bis du der Treue Schwur erfüllst,
Und deines Liebchens Thränen stillst!
In Spanien
Es krachet der Wald,
Die Aeste brechen,
Es brauset und schallt
In gießenden Bächen.
Und hoch über mir
Grollet langsam,
Und wiederum plötzlich
In rasenden Wirbeln
Geller Donner
Der Sturm peitschet die große Fichte,
Daß sie morsch auseinanderstürzt,
Und hundert Keime knickt.
Es brüllen, es lärmen
Die jagenden Wolken,
In scheuen Schwärmen
Suchet Schutz das vergeisterte Wild.
Und wiederum nachher
Ein sanftes volles Rauschen
Geht durch die Wipfel
Und Stille folgt ihm.
Aber nicht lange so ziehet herauf
Ein zweites Wetter,
Voll Blitz und Regenguß
Und schrecklichem Donnern.
Was rennt dort ein Weib,
Ein schönes, verzweifelndes?
Im Arm ein Neugeborenes
Krampfig haltend
Und schauernd.
Ich frage, sie flieht mich,
Ich rufe, sie eilet,
Ich folge, sie jammert:
O du bist auch ein Menschengesicht,
Und schlecht sind die Menschen!
Wer jagt dich in die Wildniß,
Unglückselige?
Wer mich jagt in die Wildniß,
Das ist Vater und Mutter.
Ich hülflos herzlos Verlassene
Von Vater und Mutter
Und vom stolzen Geliebten!
So komme mit mir.
Ich will dich schützen,
Ich will dich führen
Unter wirthliches Obdach.
Denn Du bist eine Heilige,
Wenn Vater und Mutter
Und ein Geliebter,
Bei solchem Sturm dich jagen in die Wildniß
Also sprach der Zigeuner.
Bist du der Heiland?
Frägt sie mit großen
Strahlenden Augen.
Ein Fremder bist du
Und bürdest dir Last auf,
Unerquicklichste.
Ja ich bin der Heiland,
Denn ewig lebt er
Ewig ein Solcher.
Und wo du ihn suchest,
Da ist er.
Niemals stirbt das Geschlecht aus
Der Hülfreichen.
Und weh, wenn wir lebten
Ohne diese Gewißheit!
Entrüstet hast du,
Schmerzreiche Mutter,
Gläubige Christen durch menschliche That.
Jetzt wo zürnet der Himmel
Und ihnen Angst ins Herz frißt,
Entschuldgen sich diese
Mit des Gebetes Wollust –
Aber draußen im Sturmwind
Irret ein Menschenkind,
Dem sie fluchen ob menschlicher That.
Ihnen war der Heiland
Ein Gott,
Ein Unbegreiflicher,
Unnahbarer, wundersüchtiger,
Unverstandener,
Und unwürdig
Tragen sie seinen Namen.
Ich, der niemals
Sich also bekannte,
Trage im Busen
Unerlerntes Mitleid.
Komm du, ich will dich beschützen!
Und wieder rauscht es
Sanft und voll durch die Wipfel,
Nimmer wüthet der Regen;
Und von den grünen
Aufathmenden Blättern
Tröpfelt es nieder.
Vöglein hüpfen hervor,
Und ein süßer Strahl
Lächelt vom blauen
Fröhlichen Himmel.
Der Maler
1.
Oft mein ich, wenn ich in Träumen liege,
Es trete zu mir eine hehre Gestalt,
Und wenn ich mich freudvoll an sie schmiege,
So küsse sie mich mit Liebesgewalt;
So spräche sie laut, ich suchte dich lange,
Und da ich dich endlich gefunden hab,
So laß mich entsagen dem finstern Zwange,
So liebe du mich, du lieber Knab!
Und immer die gleiche, immer die holde
Erscheinet die liebliche Traumgestalt,
Hochgrüßenden Augs, mit Locken von Golde
Die anmuthselige Schulter umwallt!
Wollüstig wühl ich im Golde der Locken,
Ich presse mein Vollglück an die Brust,
Und, süß vor unendlichen Reizen erschrocken,
Erschüttert mich plötzlich der nahe Verlust.
Ich frage mich oft, ich frage mich immer,
Woher die Stimme so thränensüß?
Woher der weihrauchwonnige Schimmer,
Wenn sie mich staunend einsam ließ?
Woher der Augen leuchtende Lohe,
Woher die zaubrische Liebesgewalt?
Woher die reine, woher die hohe
Woher die wunderbare Gestalt?
Doch – darf die nüchterne Seele fragen
Nach dem geheimnißreichsten Wie?
Von Wahngebilden ein Kluges sagen,
Vom Spiel der müßigen Phantasie?
Nein, um mich ewig beglückt zu lassen,
Verläumdet mir nicht das zagende Glück,
Die Unaussprechliche würde mich hassen,
Und, nimmer ach, kehrte sie mir zurück!
Es ist kein Scheinen, kein Wahngebilde,
Kein Spiel der müßigen Phantasie.
Sie schwebt aus göttlichem Gefilde,
Das ihr so milden Reiz verlieh!
Es sind die heiligen, glücklichen Inseln!
Drauf wandelt im vollen Lebensdrang,
Was aus parrhasischen Meisterpinseln,
Was aus dem Haupt der Dichter sprang!
Und sieh, und sieh! schon naht sie wieder,
Mein Glaube wird, meine Treue belohnt,
Musik durchströmt die blühenden Glieder,
Darin der Geist des Wohlklangs wohnt.
Sie lächelt Dank, sie sinket nieder
Wie herrliches Licht vom Maimond fließt,
Und mich berauschen unsterbliche Lieder,
Wie sie Apollo, der Gott, genießt!
2.
Zufällig in der weiten Stadt,
Sind wir einander begegnet,
Oft wenn die Sonne geschienen hat,
Ein andermal wenns geregnet.
Ich habe dich erst nur angestaunt,
Von deiner Schönheit betroffen,
Allmälig ward ich so gut gelaunt,
Auf Gegengruß zu hoffen.
Ein Lächeln flog um deinen Mund
Als wir uns ferner sahen,
Und in dem Innersten ward mirs kund,
Dir, Schönste, dürf ich nahen.
O rührender Wuchs, o Prachtgestalt,
Der Melosgöttin vergleichbar,
Antlitz voll Nibelungengehalt,
Dein Schwung ist nimmer erreichbar!
Der liebliche Mund, ach wenn er lacht,
Ach! deine strahlenden Züge,
Sie reißen zu dir mit Wahnsinnsmacht
All meine Gedankenflüge!
Von Sehnsucht aber umhergejagt
Werd ich seit jener Stunde,
Da ich den flüchtigen Kuß gewagt,
Da du mir hingst am Munde.
Kein Feuer, keine Kohle kann glühn so heiß
Als heimliche Liebe, so mögen
Wirs halten, ein traut Geheimniß seis,
Wir wollen es würdig pflegen!
Wir wollen ach! einen schönen Traum
Zusammen träumen, wir wollen
Ausschlürfen mit seinem süßesten Schaum
Den Lebenskelch, den vollen!
Dies Werktagsleben es ist so schal,
Trübgrau wie Regenwetter,
Nur heiße Liebe ist Sonnenstrahl,
Weckt Blüthen auf und Blätter.
O könnt ich volle Stunden einmal
Dir ruhig am Busen säumen,
Vergessen die Erde, das Jammerthal,
Vergessen und selig träumen!
Beherrscherin meiner Phantasie,
Auf! nenne mir Ort und Stunde!
Gib meinem Dasein Poesie –
Dann geh ich ja gern zu Grunde!
Noch sind wir stark, noch sind wir jung,
Drum habe du Muth und wache,
Daß selige Lenzerinnerung
Uns spät noch glücklich mache!
Neuer Orpheus
Blätter fallen, bunte welke,
jeder Schmuck zergeht,
Wo der blaue Himmel lachte,
grauer Nebel steht;
Nimmer glüht im Abend reiner
Purpurlohe Brand,
Wärmelose Strahlen fliehen
über ödes Land.
Und auch dieser schöne Sommer
mußte untergehn?
Dieser Reize Pracht und Fülle
muß ich welken sehn?
Diese Sonne, glutenmächtig,
hat der Herbst entthront,
Die am hohen First des Himmels
gnadenreich gewohnt!
Ein erloschnes Feuerauge
schaut sie drein die Welt;
Eine Bühne ists, in welche
falber Morgen fällt.
Wie nach einer prächtigen Tafel
wenn die Gäste fort,
Oder wie die Prunkgemächer
nach dem Königsmord –!
Wüst und widrig diese Erde
schaurig mir und kalt.
Ach, wie schön ist sie gewesen
wonnig von Gestalt!
Dieser Reize Pracht und Fülle
mußte untergehn,
Und auch diesen schönen Sommer
soll ich welken sehn!
»Wie? du trauerst, weich empfindsam,
daß der Sommer stirbt,
Während dir in dunkler Erde
bessrer Reiz verdirbt?
Willst du klagen, o so klage,
jammere, weil du mußt
Aber greife nach dem Kummer
deiner tiefsten Brust!«
Ha! was rüttelst du der Schmerzen
wüthendsten mir auf,
Der ich sanft poetscher Trauer
ließ den holden Lauf!
Freilich, närrisch ist die Klage
um den Schmuck der Erd,
Der in wenig Monden schöner,
sicher wieberkehrt.
Läppisch nur im Mannesauge
solche Thräne scheint,
Die ich einem blüthevollen
Sommer nachgeweint.
O beschwöre andre Thränen,
andre Klagen nicht!
Die da rythmisch fließen, halten
mich im Gleichgewicht.
Jene Klage laß mich meiden,
die den Schmerz beschreibt,
Der, wenn ich ihn nicht betäube,
selber mich betäubt.
Fort! mich kann der Wahnsinn fassen
jeden Augenblick –
Eine todte theure Gattin
kehrt nicht mehr zurück!
Alte Geschichte
»Lieben, wies nicht Andre können,
Will ich dich, mein Kind,
Wenns die Götter nur vergönnen,
Und nicht neidisch sind.«
Sprach zu Hero einst Leander,
Als er sie gesehn,
»Lieben wollen wir einander,
Bis wir untergehn!«
Zwischen hohem Felsenufer
Rauscht das wilde Meer,
Worte tauschen helle Rufer
Nimmer hin und her.
Doch hinüber schwamm Leander,
Wenn die Sonne sank,
Und die Heißgeliebte fand er
Drüben liebekrank.
Und das Mädchen flog vom Thurme,
Wo sie lauschend stand,
Niedersah zum Wellensturme,
Nieder auf den Strand.
War genesen von dem Harme,
Als er kam gesund,
Preßt den Jüngling in die Arme,
Küßte wild den Mund.
Wie so graus die Wasser toben!
Mein Leander da?
Sei gepriesen, laß dich loben,
Amathusia!
»Dir am Busen, dir am treuen,
Heißen laß mich ruhn,
Seine Schlummerkörner streuen
Lasse Morpheus nun!« –
Wieder wachen auf die Sorgen,
Denn es bleicht der Mond;
Und es zittert schon der Morgen
Ueberm Hellespont.
Lebe wohl, du mußt hinüber –
Doch die andre Nacht
Kommst du wieder o mein Lieber?
Deine Hero wacht!
»Komme wieder, meine Süße,
Sollst mich morgen sehn!
Mich behüten deine Küsse
Vor dem Untergehn.«
Und die Meereswogen schlagen
Zischend um ihn her –
Das Lebendige zu tragen
Weigert sich das Meer.
Drunten auf dem Felsenbette
Lacht der falsche Gott,
Seine Weiber um die Wette
Ueben sich im Spott.
In der Jünglingsbrust zusammen
Bricht der kecke Sinn;
Die erstarrten Glieder schwammen
Willenlos dahin.
Stille wars – die Winde ruhten;
Ungerührt und groß,
Ueber spiegelglatten Fluthen
Glänzte Helios.
Habt ihr, jammert eine Mutter,
Hero nicht gesehn?
Jammernd sah man eine Mutter
An dem Meere stehn.
Romanze
Es war die Schlacht geschlagen,
Die letzte Schlacht im Krieg,
Es trugen unsre Fahnen
In Feindesland den Sieg.
Ich war der erste beste
Freiwillige vor der Schanz,
Die erste beste Kugel
Zerriß den Arm mir ganz.
Ich lag so schwer darnieder,
So fern von Liebchens Thür,
Und eines schönen Abends
Wär ich gestorben schier.
Und als davon die Kunde
Gedrungen in ihr Haus,
Da brach mein Schatz vor Schmerzen
In Blut und Thränen aus.
Ihr ward im tiefsten Herzen
So bang, so wild und weh:
Ob ich ihn habe verloren,
Ob ich ihn wiederseh?
So sank sie hin aufs Lager,
So sang sie leise für sich,
So schrie die schöne Jungfrau
In ihrem Jammer um mich.
O Gott, er ist gestorben!
O Himmel, er ist todt!
Ich sah sein Herz zerrissen
Im Traum, war blutigroth!
Da ward es in ihrer Seele
Gar feierlich, gar still,
Da ward der Guten zu Muthe
Wie Einer, die sterben will.
Sie glaubte zu zerfließen
Ins weite herrliche All,
Aus lichten Fernen vernahm sie
Unendlich süßen Schall.
Sie faltete die Hände
Auf ihrer Brust, sie sang
Mit ihrer Engelsstimme
Unendlich süßen Klang.
»Wie wird mir, ach, auf einmal?
So wohl, so leicht, so frei!
Als ob zu seliger Wonne
Ich ganz genesen sei!
Ich fühle mich so glücklich,
Wie nie ich glücklich war,
Mich fasset ein Entzücken,
Entzücken wunderbar.
Ich fühle mich, ich fühle
Mit ihm, ach ihm vereint,
Ich hab ihn wiedergewonnen,
Um den ich heiß geweint!«
Du lagst in Fieberträumen
So krank und fern von mir,
Und eines schönen Abends
Wärst du gestorben schier.
Und kaum war dunkle Kunde
Gedrungen in mein Haus,
Da hielt es mich nicht länger,
Da trieb es mich hinaus!
In deine lieben Arme,
An deinen lieben Mund –
Der starke Geist, der Wille
Sie machten mich gesund.
O Liebchen, theures Leben,
Die Freudenthränen stehn
In meinen Augen, denk ich
An jenes – Wiedersehn!
Geisterschlösser
Droben auf dem Rodensteine
Thut sich auf ein Felsenspalt,
Sturm erwacht – im Sternenscheine
Liegt der bleiche Odenwald.
Schatten, seltsam, unbeständig,
Gaukeln um den Schnellertsberg,
Auf der Burg wird es lebendig,
Laut im alten Mauerwerk.
Waffen blitzen durch die Fenster,
Rosse tummeln auf dem Wall,
In den Wirrwarr der Gespenster
Brauset jetzt Drommetenschall.
Schlachtruf tönet, Hunde kläffen,
Und herab vom Geisterschloß,
Wuchtig auf den Feind zu treffen,
Wälzt sich ein verwegner Troß.
Hört das echotolle Lachen!
Hei, die Gegner brechen los!
Wie vom Donner Wälder krachen
Fesselt sie der Lanzenstoß.
Und sie springen von den Thieren,
Es entbrennt der Schwerterstreit;
Wie sie grimme Fehde führen,
Daß es toset meilenweit!
Und so tost es – bis die Sterne
Bleichen, bis verblaßt der Troß,
Bis in stille Nebelferne
Schwindet Reitersmann und Roß.
Eleonore
Grausamer Tod!
In deine glühenden Arme
Stürz ich ein verlorenes Weib.
Aber noch heißer,
Aber noch brennender
Ist der Schmerz um den entseelten Gatten,
Als du,
Der aus Flammen lodert.
So sprach des Hindu lieberfüllte
Gattin.
Ich sage: sie kannte Liebe.
Sie fühlte,
Und ihr Gefühl
War keine Sünde.
Don Juan
Es wirft der Mensch groß und geringe
Versprechen in die Zukunft hin,
Er gibt sein heilig Wort für Dinge,
Die seine Macht am Ende fliehn.
Hält man nicht Alle denn für Thoren
Die sich verkaufen ohne Noth –?
Und Tausend haben sich verschworen
Und waren frisch und lebensroth!
Du sollst die Gegenwart erfassen,
Genießen deinen Augenblick,
Das Künftige den Göttern lassen!
Denn diese würfeln um dein Glück.
Wer ist unglücklicher auf Erden
Als welchen Reu und Zweifel plagt?
Wie soll man einzig glücklich werden,
So man nicht ewig spielt und wagt?
Haidefürst
Es saß im Gothenlager
An einen Fels geschweißt,
Ein Held, ein Goldhaarfager,
Der nimmer Ketten reißt.
Sie hatten ihn gefangen
Nach heißem Schlachtentag,
Als mit erblaßten Wangen
Er wund zu Boden lag.
Am kahlen Felsenblocke
Ihn angeschmiedet dann;
Nun saust im Wind die Locke
Dem freundverlassnen Mann.
Im wilden Gottesfreien
Weilt er bei Tag und Nacht,
Der Tod muß ihn befreien –
Der Mitleid hat und Macht.
Da brechen auf die Sieger
Und lassen ihn zurück;
Lebwohl, du stolzer Krieger!
Sie lachen ihm: gut Glück!
Der Stolze blickt Verachtung,
Kein Fluch entweiht den Mund,
Und seines Geists Umnachtung
Wird keinem Spötter kund.
Am kahlen Felsenblocke
Einsam trauert der Held,
Im Sturmwind bleicht die Locke,
Die Hünenkraft zerfällt.
Der Sonnenschein und Regen
Geht seiner Qual vorbei,
Nur unter Donnerschlägen
Träumt er sich heil und frei.
Er träumt von Sieg und Rossen.
Pfeilschnell der Sturmgott ritt,
Kam ihm vorbeigeschossen,
Nahm seine Seele mit.
Wenn um das Morgengrauen
Die Winde sind befreit,
Könnt ihr den Fürsten schauen –
Um ihn die stille Haid.
Der Troubadour
Wunderschöne viele Frauen
Haben mir den Kopf verrückt,
Haben, reizend anzuschauen,
Meine Phantasie entzückt.
Süße schlanke selige Gestalten
Haben mit den lieblichsten Gewalten
Mich in Zauberbanden festgehalten.
Liebenswürdig waren diese,
Geist- und witzvoll jene sehr,
Wenn ich jede Tugend priese,
Fänd ich keinen Athem mehr;
Für die Herrlichen, die göttergleichen,
Denen selbst die Stern am Himmel weichen,
Fänd ich Ende nicht mit Bild und Wort und Zeichen!
Aber allen Frauenbildern
Gehet Eine nur voran,
Eine, die ich dir nicht schildern,
Würdig nicht besingen kann.
Sie nur macht die Seele mir beklommen,
Sie nur macht, daß mir die Thränen kommen;
Eine – hat das Herz mir fortgenommen.
Der Neuner
Wohlan, wohlauf du Schütze,
Komm mit uns auf den Wall,
Laß leuchten deine Blitze,
Laß klingen Büchsenknall!
Verschmähe nicht die Stütze,
Denn sichrer trifft der Ball.
Neun Jahre nun gesessen,
Bist du im Thorthurm hier;
Wie du dich hast vermessen,
Erschieße Freiheit dir!
Die Frevelthat vergessen,
Verzeihen wollen wir.
Wir wollen dich erproben,
Verwegner, blick empor!
Die Wetterfahne droben
Auf deinem finstern Thor,
Sie sei zum Ziel erhoben
Für dein geprüftes Rohr!
Verewigen sollst du drinnen
Die Jahrzahl deiner Haft;
Doch magst du dich besinnen,
Versaget dir die Kraft,
Wird dieses dein Beginnen
Mit Handabhaun bestraft!
Zehn Schüsse hast du, Einer
Nur darf ins Blaue gehn,
Wir wollen einen Neuner
Und auch neun Löcher sehn.
Nimm dich in Acht, Zigeuner,
Leicht kann der Wind sich drehn!
Lang konnt er nicht erblicken
Der Büchse trauten Glanz,
Drum ist er von Entzücken
Und Freud durchdrungen ganz.
»Ihr Herrn, soll es mißglücken,
Mein Leben in die Schanz!«
Mit unbeholfnem Knixe
Verhehlt er seine Wuth,
Dann murmelt er: die Füchse
Sind stets auf ihrer Hut.
Nimmt seine Doppelbüchse,
Und zielet fest und gut.
Wie jauchzt der Menge Schreien!
Wer hätte das gedacht!
Der neunte Schuß des treuen
Gewehres hats vollbracht.
Man drückt die Hand dem Freien,
Der steigt herab und lacht.
»Ihr Herrn, Hochehrenwerthe,
Was kam euch in den Sinn?
Wie wußtet Ihr, Verehrte,
Daß ich so ehrlich bin?
Daß sich mein Glück bewährte,
Fürwahr, ist euch Gewinn!
Seht, noch ein Schuß ist drinnen!
Nein, werdet mir nicht blaß!
Wie sollt ich mich besinnen?
– Ich rede jetzt im Spaß –
Seht, dort auch, zum Entrinnen,
Die Klepper auf der Gaß!
Auf Euern Schinderrossen –
Was meint Ihr zu dem Spaß –
War ich bereits entschlossen,
– Ich rede jetzt im Spaß,
Sobald ich fehlgeschossen,
Ihr rathet schon zu was!«
Zu Frankfurt auf dem Thore
Noch heut das Blech sich steift,
Neunfach im schrillen Chore
Der Wind ein Liedchen pfeift,
Das manchem zarten Ohre
Das Trommelfell angreift.
Romanze
Darf ich einmal dein genießen
Ohne Trennungsschmerz?
Werd ich dich, Geliebte, schließen
Endlich an dies Herz?
Kaum daß ein gestohlner Kuß
Noch uns Glücklichen vergönnet,
Da nach ewigem Genuß
Unsre Seele brennet.
Aber du, Geprüfte, Theure,
Bleibest treu gesellt,
Wenn ich durch die Klippen steure
Und der Kahn zerschellt –
Stehst du rettend auf dem Stein,
Händereichend, denn ich zähle
Auf dein kühnes Herz allein,
Deine große Seele.
Stille, Mädchen, deine Zähren,
Große Lieb ist kühn!
Hero und Leander wären
Bloße Phantasien?
Hero und Leander war!
Und gewiß, auch heutgen Tages
Gibt es Liebe und Gefahr,
Herzen ihres Schlages.
Wer ist gegen uns verschworen?
Kleinmuth fahre hin!
Wer nicht wagte war verloren
Stets von Anbeginn.
An der Liebe nur, getrost,
Halte fest mit deinem Herzen,
Und sein Frühlicht haucht der Ost
In die Nacht der Schmerzen!
Roga
Schweigend unter den Genossen,
Wie ers nie gewohnt,
Wandelt Roga, gramverschlossen,
Bleich wie dort der Mond.
Stolzer Roga, Sänger, Räuber,
Soll dein Ruhm verwehn,
Kühner Roga, Stern der Weiber,
Willst du untergehn?
»Euch zu fliehen, war mein Wille,
Aber ich bezwang
Mein Gemüth«, so bricht die Stille
Roga mit Gesang;
Nimmt die Laute, die vertraute,
Die ihm Gott beschied,
Und die Männerzähre thaute
Seinem letzten Lied:
»Unterm Schatten der Olive,
Auf dem weichen Moos,
Lag ein Held, als ob er schliefe,
Magdalan im Schoos –
Aber diese schönen Wangen,
Abendstrahlbegrüßt,
Ruhend an der Brust der Bangen,
Hat der Tod geküßt.«
»Und die Hand des Todten führte
Sie zum heißen Mund –
Wie mich die Bewegung rührte,
Thut euch Niemand kund –
Wiegt in träumenden Gedanken
Seine Arme, die
Wieder ihrer Hand entsanken,
Und dann weinte sie,«
»Von dem Hügel stieg ich nieder,
Trat mit Scheu heran,
Wandte weg die Augenlieder,
Weil die Thräne rann;
Aber schauen mußt ich wieder,
Nur nach ihr, ich stand
Von der Züge, von der Glieder
Anmuth festgebannt.«
»Meinem Bruder, sprach die Reine
Brach das Augenlicht;
Mitleid, Fremdling, haben Steine,
Menschen Mitleid nicht.
Räuber haben ihn erschlagen,
Welcher der Gefahr
In des Lebens Maientagen
Nicht gewachsen war.«
»Als er heimwärts seine Schritte
Lenkte von der Jagd,
Hat er, ritterlicher Sitte,
Tollen Kampf gewagt.
Räuber haben ihn erschlagen –
Ach, wo ist ein Freund,
Der den Jüngling ohne Zagen
Rächet, wenn beweint!«
»Als ich dieser Trauerzüge
Hohe Schönheit sah,
Glaubt ich nimmer, daß ichs trüge,
Was ich fühlte da.
Blicke, die aus Thränen flammen,
Und der heilge Schmerz,
Schnürten mir die Brust zusammen,
Schnitten mir ins Herz.«
»Ihrer schmerzbeklommnen Rede
Nie vernommner Ton
Trieb mir aus der Brust die Fehde,
Meinen Haß und Hohn;
Ungekannter Regung Gluten
Fühlt ich, wie sie sprach,
Mich durchfluthen, mich durchbluten,
Bis mein Trotz erlag.«
»Und ich rief, in Lieb entglommen:
Hast du keinen Freund,
Hat doch Roga dich vernommen,
Hab doch ich geweint
Dieser Mord – war meiner Brüder
Grauser Zeitvertreib,
Du gibst mich den Menschen wieder,
– Mädchen, sei mein Weib!«
»Laß mich deiner seelenvollen,
Strahlenden Gestalt
Feurige Bewundrung zollen,
Bis mein Wort verhallt;
Bis der Athem aus dem Busen
Nimmer kehrend geht,
Bis verlassen von den Musen
Dieser Geist verweht!«
»Aber sie, wie eine Rose,
Wenn die Knospe bricht,
Hob sich leuchtend aus dem Moose,
Glut im Angesicht –
Und mit Augen, wundersamen,
Stolz und sternenkalt,
Daß mich Schauer überkamen,
Schreitet sie zum Wald.«
»Und sie ließ mich bei dem Todten,
Wo ich, wie gebannt,
Wie gewurzelt in den Boden,
Lange starrend stand;
Bis mich Nacht und Donner schreckten,
Und der Eulen Schrei,
Bis mich wilde Blitze weckten
Aus der Träumerei.«
»Alle Wälder, alle Fluren,
Stadt und Burg und Land
Forscht ich aus nach ihren Spuren,
Die ich nirgends fand.
Und der Abend sah mich wieder
Am Olivenbaum,
In der Brust der Qualen Hyder
Und das Haupt voll Traum.«
»Doch wo ist der Jüngling heute?
Wo die Schwester, wo?
Wieder schaut ich starr ins Weite,
Hin, wo sie entfloh.
Lange bin ich so gestanden,
Habe so gestarrt,
Bis die Sterne wieder schwanden
Und es Morgen ward.«
»Ach! und von der Wunderbaren,
Der mein Lied erklang,
Hab ich nimmer was erfahren,
Tage, Monden lang –
Magdala, der theure Name,
Süß in jedem Mund,
Ward mir einzig von der Dame
Meines Herzens kund.«
»Nun versandet ohne Gnade
Liegt des Friedens Born;
Meines Lebens sichre Pfade
Haben sich verworrn.
Dem Vollkommensten der Wesen,
Das ich schauen sollt,
Blutge Trübsal auserlesen
Hab ich nicht gewollt.«
»Wilde Brüder, Waldgenossen,
Meiden muß ich euch,
Denn ihr habt ein Blut vergossen
Außer meinem Reich –
Roga wankt, der heldenkühne,
Ihr macht Roga bleich,
Aber eine große Sühne
Biet ich mir und euch!«
»Wilde Brüder, Waldgenossen,
Horcht, gehorchet mir!
Meinen Tod hab ich beschlossen,
Sterben will ich hier.
Kann, o kann das Herz noch pochen,
Hat das Leben Sinn,
Wenn der Seele Schwert zerbrochen,
Wenn der Muth dahin?«
»Lasset eure Dolche blitzen
In des Mondes Schein!
Taucht die so geweihten Spitzen
Tief ins Herz mir ein!
Bis der Athem aus dem Busen
Nimmer kehrend geht,
Bis verlassen von den Musen
Dieser Geist verweht!«
Falkonier
Frühe Morgens in die Schenke
Trat ein junger Wandrer ein,
Grüßte sittig und verlangte
Einen klaren Becher Wein.
Doch es sprach vom Haus die Tochter,
Werther Gast, kein Wein ist oben,
Gestern Abend bei dem Feste
Ist er ganz durchaus zerstoben.
Müßt euch eben was gedulden,
Bis ich aus dem Keller komm,
Um die Ecke, aus dem Keller
Unterm St. Georgendom.
Nun so gehe nicht zum Keller,
Drunten ist es kühl und feucht,
In dem nächtlichen Gedämmer
Da verderben Blumen leicht.
Silberfrische Labung bringe
Draußen von dem guten Bronnen,
Mild und freundlich lacht der Morgen
In der warmen Frühlingssonnen.
Und der Silberquell wird munden
Besser mir, denn goldner Wein,
Soll er mir von deinen lieben
Händen hold kredenzet sein!
Auf dem Tische steht der Becher,
Vor dem Jüngling steht die Maid,
Und er spricht im Schaun versunken,
Recht in Seelenseligkeit:
Goldes Werth hat nicht das Wasser,
Weißt du, was ich zahlen muß?
Diesen Becher, liebstes Mädchen,
Zahl ich nur mit einem Kuß!
Der Gelehrte
Tausend Schmerzen in junger Brust
Schon so tief so fest gegraben!
War das ein Leben voll Lebenslust,
Wies glückliche Menschen haben?
Die Sorgen um Zukunft, klein und gemein,
Ewiges Sehen auf mein und dein –
Das sollt mein Frühlingsleben sein?
O Fluch dir, höhnische Wissenschaft,
Was hab ich mich dir ergeben!
Du Gespenst ohne Blüth, ohne Saft und Kraft,
Elendes Gelehrtenleben!
Mir kommt entgegen kein Menschenkind,
Wenn ich nicht such und schau mich blind,
Ob ich lebendige Wesen find.
Was Alles ich hatte Freud und Glück,
Mußt ich mir selber erringen,
Erjagt ich den frohen Augenblick,
Mußt ich ihn bannen und zwingen.
Nie harmlos gab ich mich hin der Lust,
Wann kehrte mir Heiterkeit ein zur Brust,
Da ichs nicht wollt und nicht gewußt?
Ich fühl es erst, o ewig zu spät,
Wie bitter der Kelch der Reue,
Und hätte ich noch ein einzig Gebet,
Es wäre um Liebe und Treue!
Wohl kannt ich einmal eine schöne Frau,
In ihren Augen stund oft der Thau;
Ich – trug meinen Wissenseifer zur Schau.
Jetzt grau vor Weisheit und Verdruß
Hinschwank ich einsam zur Grube,
Die Wehmuth ist mein Lebensgenuß,
»Bedauern« darf mich ein Bube.
Statt blühender Kinder liebende Schaar
Zähl ich meine Werke Jahr für Jahr,
Und seh, daß ich Andern nützlich war.
O schafft eine schöne, menschliche Zeit,
Ohne Heuchelei der Tugend,
Eine Gegenwart der Gerechtigkeit,
Einen Frühling unserer Jugend!
Wo die Zeit, darin sie knospen mag?
Ihr werft das Kind mit Einem Schlag
In den arbeitsschwülen Sommertag.
Die Erfüllung
Die festlichen Fahnen flattern –
Den König auf hohem Thron
Erfreueten hundert Siege
So sehr nicht, als in der Wiege
Sein neugeborner Sohn.
Und heller Hörner Schallen
Erklinget ins Morgenroth,
Ihr Ruf stets neue Vasallen
Aufs Königsschloß gebot.
Das Zechen nahm kein Ende
Drei Monden flossen hin,
Und sieben Tage drüber,
Am letzten schlief hinüber
Die kranke Königin.
Da schrack der König zusammen,
Da ließ er löschen zur Zeit
Die Kerzen und Freudenflammen,
Da ward ihm prophezeit:
»Es wird ein Jüngling kommen,
Der Todten an Schönheit gleich,
Den Jüngling wirst du erschlagen,
Er hat dir in sieben Tagen
Zertrümmert Thron und Reich!«
Da schrack der König zusammen,
Da trauert sein Herz aufs Neu,
In seinen Augen schwammen
Der Kummer und bittre Reu.
Und zwanzig Jahre verflossen,
Vergessen war längst das Wort –
Jetzt aber flog von Munde
Zu Munde schmerzliche Kunde,
Sie meldete Brand und Mord.
Gefallen war unvermuthet
Ein schweifend Volk ins Land,
So unaufhaltsam fluthet
Das Meer nicht über den Strand!
Da sprach zum Sohn der König,
Und legt aufs schöne Haupt
Ihm freundlichen Blickes die Rechte,
»Geh hin, mein Sohn, und fechte,
Sei glücklich« ... ha, was raubt
Den väterlichen Wangen
So plötzlich alles Blut,
Was reißt ihm wie mit Zangen
Aus seiner Brust den Muth?
»Weh mir! das ist der Jüngling
Der Todten an Schönheit gleich!
Sein Anblick ist Erneuung
Verschollener Prophezeiung –
Wo ist mein Thron, mein Reich?«
Und einen bösen Gedanken
Gibt ihm der Schrecken ein,
Den schönen Jüngling, den schlanken,
Will er dem Tode weihn.
»Auf! eile mein Sohn, beweise,
Daß du von Helden entstammt,
Nimm dreißig erlesene Ritter,
Sei wie ein Morgengewitter,
Das schmettert wenn es flammt!
Die Kraft mußt du erproben,
Mußt suchen die Gefahr,
Die Welt verschmäht zu loben,
Wo großer Haufe war.«
Dem König flüchtig dankend,
Entfernt sich scheu der Sohn,
Nicht war dem Klugen entgangen
Die plötzliche Blässe der Wangen,
Des Vaters seltsamer Ton.
Und mit dem Argwohn flüchten
Mocht er zur Amme alt,
Er frägt nach alten Geschichten,
Da blutet sein Herz gar bald.
Doch Ehre gebeut und rufet
Den stolzen hinaus ins Feld,
Das Schwert klirrt in der Scheide,
So zogen auf nächtlicher Haide
Die dreißig, voran der Held.
Kaum funkelt der Tag, umschwärmen
Zahllose Feinde den Troß,
Beginnet die Schlacht zu lärmen,
Stürzt Reitersmann und Roß.
Weh euch, ihr treuen Kämpen,
Euch hält umarmt der Tod!
Durch eine Herrschergrille
Stehn eure Herzen stille –
Schlaft still – im Morgenroth!
Nur Einer will nicht schwanken,
Wo schon das Kämpfen ruht,
Die Frühlingskräuter tranken
Nur seiner Gegner Blut.
Der Jüngling wars, der jetzo
Der fremde Herzog berennt,
Der Herzog hoch zu Pferde,
Er wirft den Jüngling zur Erde
– Der springet auf behend.
Da greifen sie zu den Schwerten,
Da splittert des Jünglings Stahl
An bessern Stahles Härten,
Da rollt sein Helm zu Thal.
Doch schnell am prallen Haarschmuck
Des Hiebes Wucht erlag,
Wie golden wallten die Locken!
Der Herzog, freudig erschrocken,
Hält inne mit neuem Schlag.
Und schon hat Jener erhoben
Die Keule, zu rächen die Schmach,
Er schnellt sie mit rasendem Toben
Dem Hiebe des Fremdlings nach.
Sie sehn ihn wanken, schwanken,
Und sinken mit ihm ihr Glück;
Die fremden Krieger erbleichen,
In Furcht und Ehrfurcht weichen
Sie vor dem Starken zurück.
Der stehet einsam, trauend
Dem Schutze der Götter nur,
Es staunet der Feind, erschauend
Die leuchtende Heldenspur.
Und, die der Tod geschichtet,
Man hat sie jetzt nicht gezählt,
Wohl war der Führer darunter,
Doch wenn das Heer frisch munter,
Was hilfts, wenn der Führer fehlt?
Der Tapferste wars von Allen –
Er mußte es wieder sein –
Wars keiner seiner Vasallen?
Der Jüngling wars allein.
Sie jauchzen und küren den Helden,
Und heben ihn auf den Schild,
Der Jüngling wars zufrieden:
»Die Götter haben entschieden,
Mein Schicksal sei erfüllt!«
Wohl muß er die Heimkehr meiden
Zum Haus voll Trug und List,
Zum Vater, der beim Scheiden
Den Kuß des Verräthers geküßt!
Wie mit tosendem Gekrache,
Von des Wetters Macht zerschellt,
Die zertrümmerte Felsenmasse
Sich bahnt eine bebende Gasse!
Wenn sie fürchterlich winkt, und fällt,
– Und donnernd rollt sie die jache
Die Wand des Berges herab,
Und knickt, als nähme sie Rache,
Die Hoffnung des Menschen ab;
Ja Rache, weil sie gestürzet
Vom herrlichen Wolkenthron;
Zerschmettert Wälder und Hütten,
Sie begleitet im grausen Verschütten
Der Lebendigen Klageton –
So läßt sich die Kraft des Rächers
Nicht brechen, die Wuth nicht staun,
Die blinde, des schrecklichen Zechers
In Blut und Menschengraun.
Der König in seinem Schlosse
War traurig und war froh,
Er glaubte den Sohn erschlagen,
Er hörte des Volkes Klagen,
Sein stolzer Gleichmuth floh.
Und heller Hörner Schallen
Erklinget ins Morgenroth,
Ihr Ruf die schnellen Vasallen
Aufs Königsschloß gebot.
Sie ritten am siebenten Tage,
Zu großer Macht vereint,
Der König mit allen Recken,
Er wollte strafen den kecken
Den übermüthigen Feind.
Doch was seine Brust erfülle
Das sagt sein klopfend Herz,
Sein trotziger Herrscherwille
Erschmilzt in tiefen Schmerz.
Bald deckte die Schlacht den Anger
Mit sterbender Menschheit zu;
Es ermatten die feurigen Renner,
Vergeblich spornt sie der Männer
Gewaltiger Eisenschuh.
Noch immer herüber, hinüber
Schwanket das Schlachtenglück,
Doch immer umflort sich trüber
Des Königs düstrer Blick.
Da wirbelt ein heißer Südwind
Herauf vom nahen Meer,
Wild schmerzt die staubge Schwüle,
Da flieht in dichtem Gewühle
Das müde Königsheer.
Der König nur steht mannhaft,
Verstummt in sich hinein,
Mit letzter Athemspannkraft
Mäht er des Feindes Reihn.
Und auf einander treffen
Jetzund der Vater und Sohn,
Der Sohn dem Vater unkenntlich,
Der Vater dem Sohn unendlich
Verhaßt wie der Hölle Schlund.
Doch – soll der Sohn bestürmen
Den Vater mit scharfem Tod?
Ziemt Flucht? Sich selber schirmen
Heißt ihn die grimmige Noth.
Wie da der Mann, der starke,
Den Jüngling hart bestritt!
Dem stund in solchem Streite
Kein Jugendfeuer zur Seite,
Das reife Kraft vertritt.
Den Vater galts zu schonen,
Und doch zu retten den Schein
Der Tapferkeit. Wie lohnen
Die Götter so herber Pein?
Und sieh, da rollet wieder
Des Jünglings Helm zu Thal;
Des Königs Hiebe flammen –
Der König schrickt zusammen,
Der Sohn erbleicht zumal.
Und auf den schönen Todten
Starrt hin des Vaters Schmerz;
Der König rasselt zu Boden
– Gebrochen war sein Herz.
Es staunen die fremden Horden
Am unheilvollen Ort.
So redete wahr die Stimme,
So war erfüllt das schlimme,
Das alte, verschollene Wort.
Vom Könige selbst erschlagen
Der Jüngling, an Schönheit gleich
Der Mutter – in sieben Tagen
Zertrümmert Thron und Reich.
Warlied gegen Varus
Wuodan, du hör uns Tod – Tod geschworen!
Tod und Wunden dem Feind geschworen!
Wuodan, du hör uns!
Wir hören rauschen
Gottes Zorn im murmelnden Wald,
Schauen die Wolen am Hügel lauschen –
Grolle, grolle im Sturm, Wuodan!
Goldene Schaaren, wie sie sitzen
Stolz im Panzer, wie sie sitzen
Trutzige Zwerglein
Auf ihren Südlandsrossen!
Schmettre sie nieder, gewaltiger Thor!
Schlagt zusammen die Schild, Schlachtgenossen,
Männer Wuodans, daß sie hallen hell!
Klirret an das Schwert am hallenden Schild!
Jauchzet ins Thal laut wild, wild!
Voran Schwertführer! hei, haut den Tod!
Im Blutdampf schreitet durchs Waldfeld roth!
Im schimmernden Walhall, den wolkengetragenen,
Schlagen bald mit neuer Lust die Erschlagenen.
Sickingens Vermächtniß
Einst lag die Welt in Nacht befangen,
Kein hell Gestirn war aufgegangen,
Nur eine matte Sternenpracht
Hinflimmerte durch tiefe Nacht.
Jetzt ist die Leuchte angezündet,
Der Tag erstritten und verkündet,
Und nur ein Uebel wolkendicht
Verdämmert uns das Sonnenlicht.
Jedweder sieht die Nacht gelichtet,
Zur Sonn ist jeder Blick gerichtet,
Wir harren, ob der Nebel sinkt,
Der Strahl erwärmend zu uns dringt.
Wir spähen, tappen, rathen, suchen,
Es geht ein Beten und ein Fluchen
Umsonst besteigen wir den Thurm,
Eins thut uns noth – es ist der Sturm.
Die Braut
»Verweinte Augen seh ich hier,
Dein Köpfchen senket sich,
Was geht in deiner Seele für
Mein Schwesterlein, o sprich!«
»Ein Brief ist kommen auf der Post;
Er spricht von – allerlei.
O Bruder, Bruder gib mir Trost,
Mein Schatz bricht mir die Treu!«
So schluchzet Caroline laut,
Die Jungfrau süß und schlank,
Die opferfrohe, fromme Braut
Herrn Ferdinands vom Trank.
»Laß ab vom Weinen, mich entmannt
Dein jammervolles Weh!
An deinem Stolze brich die Schand
Du tief Beleidigte!«
»Vermöcht ich das, o das, ich wollts
Ja gerne thun um Dich,
Ach selbst gebrochen ist mein Stolz,
Auch darum weine ich.«
»Gib her den Brief! Was er enthüllt,
Verwundet mein Geschlecht.
Eh dort der Mond sich wieder füllt,
Bist, Mädchen, du gerächt!«
»Gott! Rache, nein, für meine Noth
Ist Rache kein Begehr,
Mein Herz ist wie erfaßt vom Tod,
Mein Herz verlangt nichts mehr.«
»Zurück sei dieser Pfeil geschnellt,
Der Pfeil – verrathne Treu!
Mein Eins und Alles auf der Welt,
Gerächet, lebst du neu!«
Und Bernhard drückt die Schwester heiß
Ans Herz und stürmet fort;
Er reitet manches Roß in Schweiß
Bis er am rechten Ort.
Lothringer Land ist gut bestellt,
Dort rast der Fürstenzank,
Dort gegen Frankreich liegt im Feld
Herr Ferdinand vom Trank.
»Der Satan segne Euch den Wein,
Drein Ihr verdrossen schaut!
Dieß, Herr, zum Gruß! Herr, überm Rhein
Verzweifelt eine Braut.«
»Und schriebst du das? Gib Rechenschaft,
Verbuhlter, meinem Schmerz!
Die Wuth ist meine Fechterkraft,
Ist Schärfe meines Schwerts!«
»Doch sieh! den Zierrath an der Wand!
Pistolen, herrlicher
Als je zu schaun – nimm sie zur Hand!
Denn du sollst sterben, Herr!«
»Mein Freund – ich danke deiner Wuth,
Ich ehre deinen Schmerz,
Es fließe Blut, doch schieße gut,
Die Kugel mir ins Herz!
Komm mit in jene Tannennacht!
Glaub nicht an Furcht und Flucht!
Den Tod hab ich in mancher Schlacht
Vergebens aufgesucht.«
»Du, Tod? Ha, deiner Gleißnerei
Winkt volle Strafe dort!
Von deinen Freunden wähle zwei,
Daß Niemand spricht von Mord!«
Die Wolken ziehn, es rauscht der Tann
In seiner finstern Pracht,
Am Auge haftet Mann dem Mann,
Und Schuß auf Schuß erkracht.
Da wälzet sich in seinem Blut
Herr Ferdinand vom Trank,
Da bebt in Frost, da flammt in Glut
Sein Gegner der nicht sank;
Nicht sank, der Nimmerweichende,
Weil nicht auf seine Brust
Weil der zuvor Erbleichende
Ins Blaue schoß mit Lust.
»Hab Dank, du Glücklicher, hab Dank!
Sei, was ich nicht war, sei
Was du, sei Ferdinand vom Trank,
Mit mir ist es vorbei!«
»Was thatest du? Mit deinem Blut
Verraucht mein heißer Zorn.
Was sprichst du irr? Mich läßt der Muth,
Ich werde selbst verworrnf«
»Die Wahrheit sagt ein Sterbender.
Vernimm, o Freund, was ein
Durch Liebe ganz Verderbender
Gesteht in seiner Pein!
Vernimm, was Bosheit ausersann –
Ein Greis vertraute mir
Das schreckliche Geheimniß an,
Verschied und ließ mich hier.
Es war mein Oheim, ach er war
Einst meines Vaters Feind;
Wir Beide, ein Milchbrüderpaar,
Wir waren früh vereint!
Da brachte listiger Verrath
Verwechslung bald zu Stand,
Die Amme wußte um die That,
Die Amme bald verschwand.
Wir Beide werden schnell getrennt
– Die Mutter ging zur Ruh –
Und Schadenfreudezähren flennt
Der Heuchler keck dazu.
Der Vater starb. Vor Monden erst
Erfuhr ich, was du jetzt
Zu deinem süßen Heil erfährst,
Was mich zu Tod entsetzt!
Gerungen hab ich wie ein Mann
Ein edler ringen mag,
Was sterbend ich entdecken kann,
Verhehlt ich Tag für Tag.
O Schwester! Braut! Geliebtes Herz!
Von uns wer hätte still
Ertragen diesen einen Schmerz –
Den Gott mir nehmen will!
Weh! mich verblendete der Gram.
Zerrüttet herzenstief
Von Leidenschaft und Schmerz und Scham
Schrieb ich den bösen Brief.
Mein Wahn war gut – ich dachte dich
Zumal an ihrer Seit;
Verachten, rief ich, soll sie mich,
Dann ist ihr Herz befreit!
Ich stürze mich ins Schlachtgewühl,
Ich suche die Gefahr,
Ich lebte ja, aus Pflichtgefühl,
Weil ich ein Kriegsmann war.
O Lügenweisheit, Gott erbarm!
Ich armer Klügler jug
Sie der Verzweiflung in den Arm
– Ich war im Wahnsinn klug!
Nur fort, nur fort! du richte sie
Aus Thränen auf am Stab
Der Wahrheit, Wahrheit tödtet nie,
Doch Untreu wirft ins Grab.«
»Gott hats gewollt! Ach stirbst du schon?
Verzeihung mir und dir!
Leb wohl, du Held, du Schmerzensohn!
Laß diese Locke mir!«
Und Bernhard drückt »den Bruder« heiß
Ans Herz und stürmet fort;
Er reitet manches Roß in Schweiß
Bis er am rechten Ort.
»Getreu ist Ferdinand vom Trank!
Wach auf in deiner Noth!
Ein Bruderherz ist ohne Wank,
Getreu bis in den Tod.«
»Was thatest du? Was sprichst du irr?
Du blickst so siegeswild,
So fremd, ich fürchte mich vor dir
Steh Rede – Geisterbild!«
»Mein Eins und Alles auf der Welt!
Ich bins. Bin bei Verstand.
Vergiß, vergiß, was dich gequält!
Hier Bernhard, Ferdinand!«
»Was ist Vergessen! Welch Gebot
Dem Herzen öd und leer!
Mein letztes Hoffen ist der Tod,
Und sterben ist nicht schwer.«
»Du sollst nicht sterben! Lasse dir
Erzählen, was ich fand,
Was ich gethan, dann weinen wir,
Versöhnt um Ferdinand!«
Sie weinten um den Todten bald,
Der ferne fern genest;
Sie fühlen jene Allgewalt,
Die Herzen, Schmerzen löst.
Sie haben lange stumm gekost,
Sie hängen Mund an Mund,
Und sanfter Liebe süßer Trost
Schließt ihren ewgen Bund.
Der Schneider von Pensa
Wer ihn so dastehn sah,
Den Schneider von Pensa,
Dem wird es warm ums Herz,
Ihm rollen die Thränen in das Aug.
Der Kaiser Napoleon
War nach Paris entflohn,
Die Armee, in Eis und Wind,
War gefangen oder todt.
Viele deutschen Brüder ach!
Kamen auch in Noth und Schmach.
Gefangen transportirt
Wurden sie nach Pensa hin.
Sind keine Deutschen da?
Rief der Schneider von Pensa.
Die Worte klangen so süß
In der weiten Fremde draus.
Ihrer dreizehn er auch fand
Aus dem theuren Heimathsland,
Da ward es ihm warm ums Herz
Und er weinte vor Freuden laut.
Und Jeglichem seines Stamms
Macht er schnell ein warmes Wamms,
Gibt er reichlich Trank und Speis
Und ein weiches Bett zum Ruhn.
Wie da Mancher getröstet schlief
Drin im Feindesland so tief!
Wollte Keinen mehr lassen ziehn
Der brave herrliche Mann.
Und so rief er Tag für Tag,
Weil das Elend ihm ging nah;
Als sie scheiden mußten von ihm
Küßten sie ihm Händ und Füß!
Und gerührt war Jedermann
Von dem was der Schneider gethan!
Und sie dachten, im rauhen Krieg,
Wie schön ist die Lieb und die Treu!
Stromberg
(ein Nachtstück.)
Noch raget Stromberg aus den finstern Fichten
Die Felsenburg, es wölbt sich klar und kühn
Der sternenvolle Himmel drüber hin,
Er weiß sie nicht die weinenden Geschichten.
O stille Nacht! Du ewig sanftes Licht
Des Mondes du erlischest nicht,
Wenn Lieb, Verzweiflung, Tod und heiße Trauer
Als Geister stiegen aus geborstner Mauer,
Dich anzuwimmern schmerzlich laut
– Du strahlest weiter, ohne daß dir graut.
Ist Frevel selbst so nichtig hohl so todt
Schon durch Vollbringen, daß doch lieblich Roth
Des Ostens Wange mag verklärend schmücken?
Als lauerten allwegs nicht bleiche Tücken,
Als wäre Friede nie gebrochen worden,
Als wäre Blutschuld nur das blutge Morden!
War Dagoberts Vertrauen werthlos so,
Daß Kunos Busen nicht die Freude floh?
Unbändig Jauchzen, freche Lust und Toben
Ist das bei Schmerz und Wahnsinn nicht zerstoben?
Wo Freunde stumm, erbleichten Angesichts,
Hinwandeln, fühlt, empfindet Kuno Nichts,
Wo ihre Schönheit edle Fraun vergessen
Wo Kinder denken, Knechte sittsam werden,
Blödsinnige Greise feurig sich geberden,
Wo Thoren scheu entsagen ihren Spässen
Ist Kuno prahlend beim Gelag gesessen!
Zwei Brüder waren, also ungefähr
Hub oft schon an manch schlimme dunkle Mähr,
Zwei Brüder waren, ihres Stamms die letzten;
Herangeblüht bei ritterlicher Lust,
Der Jugend froh, des kühnen Arms bewußt,
Beschirmer der Gekränkten und Gehetzten.
Gefürchtet und geliebt, weil stark und gut,
Weil unverzagt, bereit, und wohlgemuth.
Und anders nicht erschienen sie der Welt,
Eh Leidenschaft getrennt, was treugesellt,
Eh Neid die gute Art in Kunos Brust getrübt,
Eh Dagobert gelitten und geliebt.
Des Jünglings Seele ist ein edler Wein,
Ein kühler Hauch – und er wird Essig sein,
Des Jünglings Herz ist eine keusche Frucht,
Sie fault, hat sie der Wurm besucht.
Auf Salecks Söller stand im Wind
Gunild die schöne, Bodos Kind,
Auf ihrem süßen Antlitz lag
Die Schönheit wie ein Maientag ...
Der Schleier und die Locke wallt
Um ihre festliche Gestalt,
Sie schauet ernst und bang hinaus
Ins offne Land vom steilen Haus,
Sie winkt und weint, sie jubelt auf,
Als durch die staubge Wolke fern
Gewaffnet blitzt ein Männerhauf –
Wie durch den Nebel Stern an Stern.
Die Brüder sinds, es fliegt voran
Sieghaftes Banner, da sie nahn,
Das Freudenlied erschallt wild laut,
Held Dagobert holt seine Braut!
Draus auf der Haide stirbt im Blut
Graf Gregor, deß gestrenger Hut,
Aus Einsamkeit und Kümmernissen
Die holde Mündel jetzt entrissen.
Das Bild ergriff der Männerherz,
Gunild im Arme Dagoberts!
Weß Auge flammte da nicht kühn,
Wenn ihm solch edel Bild erschien?
Das Herz, in schönem Traum verloren,
Hat Lieb und Treue neu beschworen.
Nun durch verwaister Erbin Hand
Gebieter über Burg und Land,
Wünscht Dagobert den süßen Bund
Geweiht durch priesterlichen Mund,
Begehrt, von Minnedurst entflammt,
Des Bischof Burkhard heilig Amt.
Der spricht: Mein Sohn, die Kirche flucht,
Wenn frecher Frevel Segen sucht.
Dem Räuber wehrt sie den Altar,
Sie zürnt so lange Gott gekränkt,
Sie heischet Sühne durch Gefahr,
Bevor sie Schutz und Friede schenkt.
Zieh aus mit der bekreuzten Schaar,
Die früher nicht an Rückkehr denkt,
Als Gottes Grab der Feinde baar;
Zieh hin! und so im dritten Jahr
Der Himmel deine Schritte lenkt
Zur Heimath wieder wunderbar,
Sei neue Buße dir geschenkt,
Dann bring Gunilden zum Altar!
Der Bischof Burkhard rächte seinen Neffen ...
Der Bischof weiß zu tödten und zu treffen.
Des Neffen Hoffnung losch mit Gregor aus,
Der Bischof Burkhard rächt sein edles Haus –
Rächt hoffnungslos, denn Jener auch ist todt,
Ihn schlug der Zorn nach wilder Herzensnoth,
Da man ihm redet von der Brüder Sieg,
Fraß Fieber ihn, bis all sein Leiden schwieg.
Des Bischofs Harm gebiert des Hasses Witz;
Des Hasses Opfer trifft der Rache Blitz;
Es wirkt der Bann. Gunild, die schöne Braut
Dem Bruder Kuno wird sie anvertraut,
Behüten soll er sie bis Dagobert
Vom Bann entsühnt, geläutert wiederkehrt.
Doch wie wird Schönheit er bewachen?
Wird während also banger Hut
Ihr hoher Liebreiz nicht entfachen
In Kunos Busen böse Gluth?
Wird Kunos Herz der Lockung widerstehn,
Wird Dagobert die Braut einst wiedersehn?
Wird Mißgunst, Zwietracht nicht entbrennen,
Den Bruder von dem Bruder trennen?
Hat Bischof Burkhards Haß auch dies bedacht,
Als er sie hingab in des Jünglings Macht?
O hinterlistig, feig und schnöd Geschick!
Zertreten durch den Sieg, verarmt durch Glück!
Am Ziel vernichtet stehn, mit rauhen Worten
Hinabgedonnert sein an Himmelspforten;
Von Angst gejagt, im Ohr des Fluches Schall,
Zurück dem lautlos leeren, tauben All
Zu fallen in den nebelweiten Schoos!
O welch ein bitter, welch ein starres Loos!
Und seine Braut sah Dagobert nicht mehr.
Der strenge Spruch raubt ihm ein letzt Gehör,
Weigert Umarmung, Kuß, und heißer Treu
Gelübd in liebe Hand zu legen,
Versagt, daß Lieb den heilgen Bund erneu,
Versaget Abschied auf der Trennung Wegen.
In stille Zelle schwankt der Ritter fort,
Des schlichten Klausners mildes Wort
Zu suchen, das ihn oft erbaut,
Weil mit Natur und Menschenherz vertraut.
Dort in der Wälder Gottesfrieden
Wohnt Weisheit, von der Welt geschieden,
Dort ist die Würde nicht, die straft und flucht,
Dort lebt die Liebe, die nach Herzen sucht.
Er tritt hinein – der Vater doch, der Freund
Liegt heut entseelt – nur karge Lampe scheint
Aufs Antlitz ihm – wein und verweil!
Hier starb der Trost, verwest das Heil.
Rings öde Nacht – ein Todesschweigen.
Da flackert vor dem müden Aug
Ein Endchen Docht und will sich neigen,
Es glimmt nur noch und kämpft mit Rauch.
Umsonst, daß ich es mir verhehle,
Wie rings um mich es werden will –
O müder Geist, o müde Seele –
Verdüstert, nächtig, grabesstill.
Die Freuden dieses Lebens starben!
Dem Schmerze hingeopfert sein!
Ich kann nicht darben lernen, darben!
Ein Fünkchen Hoffnung ist nur mein.
Ihr Stürme fanget an zu rasen
Draus in der mondenlosen Nacht!
O hört ich eure Pfeifen blasen –
Musik, die jetzt mich munter macht!
Dem Bruder nur, dem theuren, er vertraut;
Er rettete, er schirmet nun die Braut!
Auf! wappne dich mit Stahl und frohem Muth,
Der Bruder ist kein Schelm, stets war er gut.
Ist er geprüft –? wozu, er ist wie ich;
Mit ihm wie oft verwechselten sie mich!
O Dagobert, du selbst so rein und klar,
Wie brächte Argwohn deinem Muth Gefahr?
Ein edler Sinn – ob unklug – hat doch Recht,
Auch Kuno fühlte so, und sein Gefühl war ächt.
Wer ahnt nach heitrer Tage Schein
Die Athmosphäre nimmer rein,
So lange doch kein Wölkchen steigt,
Die Ferne sich nur klarer zeigt,
Und tiefer nur des Himmels treues Blau,
Allmälig wandelt sichs in Grau.
Ein Windhauch, unbekannt woher,
Kaum fühlbar traf der Dünste Meer,
Das noch zuvor, durchsichtig ganz,
Der Sonne lieh nur reichern Glanz.
Jetzt wogt in Nebelwolken schwer
Der weite Himmel ringsumher.
Wie schwand der schöne Tag dahin?
Das treue Blau, das ewig schien?
Vorbei das Alles – über Berg und Thurm
Gesammelt schwebt der Wettersturm.
Zwei Sommer schon begrub Gunildens Gram,
Gunildens Hoffnung in Vergessenheit;
Der dritte Lenz bringt ihr den Bräutigam,
Das ist ja Trost in allem Leid.
Wie schön, in allem Leid, sie blieb!
Welch Feuer süßer Sehnsucht Trieb
Stets über Blick und Miene groß,
Dann ihren edeln Geist erschloß,
Und wie Gesang die Rede floß;
Wenn sie dahinschritt hehr und leicht,
Und lächelte, die Wimper feucht,
Wenn das holdselge Schwesterpaar
Schwermuth und Anmuth den Altar
Auf ihrer Stirne weihte, war
Kunos berauschte Phanthasie
Der Zügel und Beherrschung baar,
Und der Gefühle Aufruhr lieh
Ihr neue Flügel Jahr um Jahr;
Der Sturm in seines Busens Höhle,
Der das Gewissen überschrie,
Treibt an den Abgrund seine Seele.
Maßlose Mißgunst taucht empor –
Verfallen der Dämonen Chor
Ist, wer sein bessres Selbst verlor.
Scham, Würde, Schonung, Ritterpflicht
Kennt Kuno, der Bestrickte, nicht:
»Sei mein, auf Monden nur sei mein,«
Stöhnt, bittet, droht, rast seine Pein.
Standhaftigkeit erschüttert ihn,
Macht wilder ihn, erbittert ihn,
Zorn, Haß, Verachtung, Abscheu jetzt
Strömt Kälte in die Brust zuletzt,
Die ehmals leicht bewegte Welt
Der Seele ist erstorben schnell,
Ein Stoß, sie starrt, sie wird zu Eis,
Spröd, hart und fühllos – Niemand weiß
Wie plötzlich das – so unbewußt
Reift Rauheit in des Jünglings Brust,
Verdruß besiegt den siechen Mann,
Er ahnt es kaum, und ist – Tyrann.
In Syriens Wüste irrt das Christenheer,
Der Mönch von Clairvaux eiferte nicht mehr.
Vom herrlichen Damaskus weggeschreckt,
Wird neue Streitglut nimmer ihm geweckt,
Geschlagen und zerstreut, von Gott verlassen,
Verwildern die bestürmten Völkermassen;
Nur Kaiser Konrad wankt nicht in der Noth,
Des Heeres Helden sammelt sein Gebot,
Zur Heimfahrt rüstet sich sein großes Herz,
Ein hoher Geist verwaiset nicht durch Schmerz.
Es schmachtet fern das Reich nach seiner Kraft,
Die bald Verrath und Abfall niederrafft,
Die nun als Leuchte leitet in der Nacht,
Und tapfern Mann zum übermüthgen macht.
So reiten sie durchs unwirthbare Land
Auf müden Rossen, Schwerter in der Hand.
Auch Dagobert weiß seinen Muth beseelt,
Den tiefre Wund als die durch Schwerter quält;
Sein wildes Elend blutet in der Stille,
Doch hält im Sattel ihn der trotzge Wille!
Gerüttelt ist ihm der Entbehrung Maß,
Daß traun vor Leid er Mangel längst vergaß.
Ihn jagt geheime Angst des Herzens, ihn
Spornt über Land und Meer ein Stachel hin,
Der üppig wächst und wühlt, genährt vom Born
Der Sehnsucht – ach, der Liebe Rosendorn!
Voraus dem Schwarm der Besten und Getreun,
Mag weder Reiz ihn noch Gefahr zerstreun.
Lockt nicht Achajas blaue Wasserflur,
Des wälschen Himmels seelentief Azur?
Ihn drückt, beklemmt der schöne Himmel nur.
Normännisch Ritterspiel es fesselt nicht?
Die Ehre nicht, der Männer Schmuck und Pflicht?
Verdorret auch sein thränenreicher Harm
Nicht an Siziliens glühenden Frauenblicken,
Und Romas Wunder will ihn nicht berücken,
Ist denn die Welt an Zaubermacht so arm?
Am Rheine dort, daß er nicht rasten mag!
Kein Kirchenfest, kein hoher Fürstentag,
Kein Hader der Parteien, kein brüderlich Gelag
Hält ihn zurück, der unaufhaltsam eilt,
Dahin, wo die Geliebte weilt,
Dahin, wo Hast und Harm des Herzens heilt.
Nach heißer Wandrung steht am Ziel,
In seiner Heimath Dagobert,
Noch lebt im Wald das alte Spiel
Der muntern Sänger, einst so werth,
Noch grünt so frisch der Wiesengrund,
Noch lacht die Flur, der Anger bunt,
Der Tannen Ernst, der Felsen Majestät
Faßt die gerührte Seele, weht
Friedreiche Stimmung ins Gemüth,
Bis ihm die Zähr im Auge glüht.
Werd ich die Braut auch wiedersehn?
Dich Stern in Wirrfal, klar und schön?
Dem ich wie der Pilot im Meer
Vertraute, voll der Wiederkehr,
Dich einzgen Trost dem wunden Mann,
Dich Führerin durch Nacht und Bann;
Geliebte Braut, werd ich dich schaun,
Huldreicher Ruhm und Preis der Fraun!
Soll, Stern, verkümmert dir dein Licht,
Sollst du erloschen sein, ich trüg es nicht.
Soll all der Kampf, die Gluth, die Pein
Umsonst, ziellos gewesen sein?
Ich trüg es nicht. Jetzt fern der Noth,
Erloschen du – dies nur mein Tod!
Als über des Gebirges Kamm
Der Sonne Feuerball nun schwamm,
Und abentheuerliche Züge
Um flüchtge Wolken wundersam
Der Abend schrieb mit goldner Schrift
– Ein Sinnbild gleißnerischer Lüge –
Als tiefe Schatten auf die Trift
Sich senkten, schritt zum Schloß hinan
Der Held, ein Pilger angethan.
Lauttosend und geräuschvoll schallen
Die Tritte durch die weiten Hallen,
Graunhafte Stille birgt der Ort,
Kein Gruß, kein gastlich Menschenwort,
Wohl rostet in den Gängen hin
Gewaltger Waffen manche dort,
Manch gute Rüstung, dran Gespenster
Um Mitternacht vorüberziehn,
Sprüht durch die farbgen Bogenfenster
Unheimlich Feur in Mondenhelle,
Sich scheu bewegend von der Stelle.
Horch! hastge Männerschritte nahn,
Klirrt Kettenklang nicht leis heran?
Umringt von Knechten sieht der Herr
Sich plötzlich, in der Väter Hallen,
Gefesselt, ein Gefangener,
Von stummen Häschern überfallen.
Hinweggeschleppt in Kerkernacht
Durch welche Tücke, welche Macht?
Herrscht Kuno hier, der Bruder, wie?
Nein, frevle nicht, bestürzte Phantasie!
Wenn Ingrimm über Arglist schäumt,
Wird schlaflos wohl die Nacht durchträumt.
Die Nacht, die Schlummer einst gebracht,
In Qual und Brüten jetzt durchwacht,
Die Nacht war um, doch Frühlicht schien
Nur spärlich auf das Gitter hin,
Wie Rosen nicht, die Freuden künden,
So quälend düster war die Gluth,
Und leuchtet doch – tagscheu Empfinden
Weckt sie wie frischvergossen Blut!
Vergebens dann winkt auch der Tag mit Licht,
In seine Seele trägt er Klarheit nicht;
Der sonst Geduld und Sanftmuth leihen mag,
Ihm gibt Verzweiflung nur der junge Tag:
Das Mißtraun wuchert, Unruh reift
Zur Wuth, bis Hohn das Herz ergreift,
Und bittres Lachen wild erschallt,
Vom hämschen Echo nachgelallt;
Die Wände knirscht er an, es schleicht
Entsetzen her, bis dies auch weicht,
Bis Schmerz und Trübsal ihn läßt stumm –
In ihm Verödung und ringsum.
Wohl ausgeklügelt war der Plan,
Und sein Gelingen nun kein Wahn.
Verbrecherischen Anschlags voll
Die schnöde Seele Kunos schwoll,
Seit jener Stunde, da Gunild
Sich wehrte mit des Spottes Schild,
Ohnmächtig doch, zu fliehn die Schmach,
Sich fern im einsamen Gemach
Des Hüters Aug verborgen hielt,
Der auf Gewaltthat schon im Stillen
Gesonnen, die entschlossne Maid
Zu unterwerfen seinem Willen,
Zu rächen sich an Weibergrillen
Für diese Zeit und alle Zeit.
Da wars, daß aus der Wächter Troß,
Die täglich spürten um das Schloß,
Ihm unerwartet Kunde schallt,
Es irre Dagobert im Wald,
Als rauher Pilger angethan –
Doch Häscher kennen ihren Mann.
Wie? lähmt der Schreck des Schlauen Hirn,
Ist Etwas, ihn auch zu verwirrn?
Der Vorbereitete erblaßt,
Dem, ohne Ruhm, Gefahr verhaßt,
Der einst ein ritterlicher Held
Muthlos in eigner Schlinge fällt;
Ein finster Thun, voll Schadenlust,
Sät still in sorgenschwere Brust
Der Furcht geheimen Samen aus,
Deß wird sich Kuno heut bewußt,
Und dies Gefühl ist Seelengraus.
Der Bruder hier? das Wort betäubt
Den Teufel – der doch Teufel bleibt.
Es war ein Donner in den Ohren,
Gleichviel, er hat die Kraft verloren.
Die Rachgier siegt, Besinnung sucht
Sein Stolz vor des Momentes Wucht,
Der bald, von bangem Wahn geheilt,
Sich jähe Bahn zu brechen eilt.
»In meine Hand sind sie gegeben,
Für den Geliebten soll sie beben!
Der Lohn ist ausgesucht, er trifft
Den Starrsinn, er ist Schmerzengift.
Die Hölle schenkt mir den Gedanken,
An keiner Reue soll er kranken!«
Das Alles hat nun kommen müssen –
Doch der Verrathne solls nicht wissen.
War noch ein Funke der Natur
Im Bruderherzen, war es nur
Mehr Grausamkeit, mehr Hohn den Beiden?
Ich will es nimmermehr entscheiden.
So Viel hat Kuno schon gewagt,
Gelitten und blieb unverzagt.
Der klug und fest bis heute war,
Soll er zurück in der Gefahr?
Er gibt Befehl, für Nacht und Tag,
Für Alles, wie es kommen mag –
So schmiedete, der sich entehrt,
Dein Loos in Ketten, Dagobert!
Und vor die hehre Dulderin
Tritt ohn Erröthen Kuno hin;
Vergeudet der Verführung Ton,
Wo er schon wagte Schmach zu drohn.
Auf seiner finstern Braue sitzt
Verrath und Wollust, roh verschmitzt,
Die Geister, voll verruchter Launen,
Die, was er spricht, ins Ohr ihm raunen:
»Gunilde, Wittwe tugendsam,
Braut ohne Freud und Bräutigam,
Bangst unter der Entbehrung Joch,
Und harrst und hoffst, Gunilde, noch!
Wohl Sünde ist, sein Pfund vergraben;
Dein Pfund ist Schönheit, du verscharrst
Der süßen Reize Gottesgaben,
Da du in Thorheit hoffst und harrst.
Schon ist der dritte Lenz entflohn,
Und doppelt ward die Kunde schon
Vom Untergang der Glaubenshelden.
Wer soll die frohe Botschaft melden?
Und, lebt er auch, der nie war scheu,
Wer ist die Bürge seiner Treu?
Des Schattens Schatten jagst du nach,
Spinnst kranke Träume, werde frei,
In meinen Armen werde wach!
Auch ich bin Dagobert, sein Blut
Ist meines und ich bin dir gut.
Wer sagt, daß ich dem Bruder wich?
Dein Retter war, dein Freier ich;
Ich zürnte dir im blinden Wahn –
Vergiß daß ich dir weh gethan!«
Sie hörte nimmer. Abscheu brach
Der Seele Spannkraft, doch sie sprach:
Gib mir den Tod! dann sank sie nieder.
Und schwieg, niemals zu reden wieder.
»Ha, Falsche, du betrügst mich nicht!
Nun schmettre Wahrheit ihr Gewicht
In meine Schale, dein Gesicht
Wird schaudernd sehn, was dich wird stimmen
Nach Kunos Sinn, dem heut erst schlimmen!
Auf, folge mir! und dieses Tuch
Für deine Zunge, schwer von Fluch!«
Der Arge winkt, die Schergen stehn
Bereit zu knebeln und zu binden
Die Jungfrau, deren stummes Flehn
Dem Himmel gilt, den Trost zu finden.
Sie zittert, doch kein Klagelaut
Kein bittend Wort entweiht die Braut,
Des Todes Braut, denn was nun komme,
Das Herz wird brechen, weiß die Fromme;
Sie fühlt es tief, vor höchster Noth
Vertheidigt sie ein Freund, der Tod.
Man führt sie durch des Hauses Flur,
Sie wehrt nicht ab, sie betet nur;
Man hält, ein eisern Fenster knarrt
Und fällt zurück – Gunilde starrt,
Es taucht ihr Blick in nächtgen Raum,
Er schwindelt, unterscheidet kaum,
Doch langsam dämmert Stein an Stein
Des Kerkers auf zu mattem Schein,
Und aus dem Düster zeichnet bald
Sich eine lebende Gestalt
Graunhaft hervor, weh! brichst du Herz?
Das sind die Züge Dagoberts!
Der Freude Schrei, des Schreckens Schrei
Ist ihr versagt – o Himmel steh ihr bei.
Freu dich des Wiedersehns, mein Kind!
Grinst Kuno, der Verderben sinnt,
Sich an dem Schmerz des Weibes weidet,
Und doch die bittre Wonne neidet.
Wie? das zermalmende Gefühl
Wirft sie nicht hin, sie steht und schaut
Hinunter auf den harten Pfühl,
Drauf der Geliebte hingegossen
Den Sinn der Außenwelt verschlossen –
So nah, so fern der theuern Braut!
Grausame Lust, das Glück mit Martern geben,
In Einem geben und auch nehmen Leben.
War Tyrannei vom grauen Ninus her
Erfinderischer, boshaft, schamlos mehr?
Verbissner Aerger schlürft in gierigen Zügen
Solch schnöden Kelch, solch schmähliches Vergnügen.
Scheußlichen Scharfsinns feige Ausgeburt
Ist diese That – nein, That der Ehrenname
Ziert Treiben nicht, wo selbst der Schurke murrt,
Und nimmer faßt, der ganz empfindungslahme.
Das ist nicht Haß mehr, wildes Spottgelüst,
Das ist ein Streich, der ohne Namen ist.
Empört dich nicht dein Athem, o Tyrann,
Nicht deine Hand, dein Hirn, das Solches sann,
Dein Auge ärgert es dich nicht,
Daß es verdammet, anzuschaun,
Was du begehst im reinen Himmelslicht,
Bist du so elend, daß dir nicht wird graun?
O er ist kein Tyrann – denn Zorn und Rachgefühl
Und Leidenschaft und Hohn ist doch Gefühl,
Ist Regung in der Menschenbrust und Leben,
Zeigt Menschensinn und wird von Gott vergeben.
Jedoch ruchlose Oede der Natur
Noch mehr denn Stein, o, Schlacke nur,
Verachtet wird sie sein, verflucht, verspeit,
Verworfen wird sie sein in Ewigkeit.
Kuno ist nicht empört, und sieht Gunilde weinen,
Gunilde weint, ein Engel weint aus ihr!
O Thau des Himmels, diese Thränen scheinen
Im eignen Licht, das ist nicht irdsche Zier.
So milder Glanz, so rührend blickt dies Funkeln,
Gib Schächer Acht, es leuchtet fern im Dunkeln!
Dies Leuchten spricht, beredtren Jammer nie
Sog Menschenohr, sann Liebesphantasie.
Ha! Dagobert merkt auf, zum Innern dringt
Es ihm wie Blick und Ton, der ganz ihn zwingt,
Wehmüthger Schmerz durchschüttert, schauert
Das Mark des Seins und jede Fiber
In willenlosem Eifer lauert,
Wies im Gemüth ihm trüber wird und trüber,
– So tief hat seine Seele nie getrauert.
Als wie vom Blitz gerührt zerschmolz
Die ehrne Säule – Mannesstolz;
Die Fassung dämmert ein, es überzieht
Des Geistes holde Freiheit sich mit Schleiern,
Des Leibes Luft, der Lebensmuth, entflieht,
Und selbst die Sinne feiern.
Dann schwärzre Nacht und Hoffnungslosigkeit
Dünkt ihm zu nahn, noch bittrer Leid
Unsäglich bittrer Leid, und nur für das
Bleibt Kraft des Grübelns ihm, Traumlüsternheit:
Ihm ist, im Grab zu sein, es wächst das Gras
So langsam leise über all sein Leid,
Er lauschet dem, fühlt über sich die Nähe
Der Freunde, der Geliebten und ihr Wehe.
So klar, so einzeln jeglich neue Welle
Des Grames spült durch seines Blutes Quelle,
Sein todmüd Herz.
Und unerbittlich reifen die Gedanken
Dem Ziele zu in seinem Geist dem kranken.
Er weiß, daß er noch ist, daß ewge Nacht
Liegt hinter ihm und vor ihm Tag nicht wacht,
Das ist so deutlich, ohne daß es frommt,
Er staunt, daß so der Wahnsinn kommt.
»Genug! herrscht der Barbar, schleppt sie zurück!
Kein Trotz mehr blitzt aus ihrem – sanften Blick.
Nun höre dies, mein Täubchen, und sei klug,
Willst du nicht sein, die ihren Freund erschlug.
Es ist Vernichtung über ihn verhängt,
Es ist kein Gott, der seinen Kerker sprengt,
Es ist beschlossen – und sein schönes Haupt
Dem Tod verfallen, doch dir ungeraubt;
So zur Vermählung dichs im Sterben drängt,
Das blutge sei zu küssen dir erlaubt!
Nur Eines fordr ich und begehr es kühn:
Noch soll für mich die Hochzeitsfackel glühn,
Eh neuer Morgenthau die Blumen tauft,
Warst du mein Weib, hast meine Huld erkauft:
Dann seis vergönnt, daß du ihn wiedersiehst,
Daß vor dem Sterbenden du niederkniest,
Dann sollst du freigegeben im Verscheiden
Am bleichen Antlitz deine Lippen weiden,
Den letzten Seufzer seines Mundes trinken
Und mit dem Freund in ewge Brautnacht sinken!
Nie anders auch vermeidest du Gewalt
Und Kränkung dir, statt wonnig Enden bald!
Ihm aber, wisse, reichest du ein Gift,
So schlimmen Tod, deß volle Schuld dich trifft,
Den Freund in stolzer Seelenruh
So schnöder Buhlschaft überlieferst du,
Des Hungers Furie, die nach Opfern girrt,
In deren Umgang er so häßlich wird,
Daß, wenn die Braut an solchen Gatten denkt,
Sie jede Lieb in Thränenfluth ertränkt,
Und öden Herzens, süßem Träumen fremd,
Des Lebens Flamme trostlos niederschwemmt.
Entscheide nun, ich ehre dich durch Wahl,
Die so ich gebe: sei mir heut Gemahl,
Kein äußrer Zwang, unzart Begegnen mehrt
Die Last des Unglücks dir, dem Niemand wehrt!
Verwirf mein Werben, und der Freund verdirbt,
Daß hundertfach er Tod durch dich erwirbt!«
Da hob den reinen Blick Gunild,
Und heftet ihn, durchdringend mild,
Doch so gebietend ins Gesicht
Der Schergen Einem, welcher spricht:
»O Herr, im Dienste grauser Pflicht
Und im Gehorsam ward ich grau,
So streng, so rasch verfahre nicht,
Gib kurze Frist der armen Frau,
Sie wird, laß nimmer dichs verdrießen,
Nach deinem Wunsche sich entschließen.
Er bietet Kuno scheu die Hand,
Doch war sein ganzer Sinn gewandt;
Ich rette sie, ruft laut sein Herz,
Des Sünders Gold winkt höllenwärts,
Der Unschuld stummer Schmerzensschrei
Schneidt mir die alte Seel entwei.«
Und Kuno gibt verblendet nach,
Verläßt, verschließet das Gemach,
Eilt dann, mit höllischem Behagen,
Den Rest des Tags im Forst zu jagen.
Indeß Gunild – doch wer beschriebe
Den Sturm, den Taumel des Gefühls
Beim Uebermaß so grausen Spiels
Mit einem Herzen voll der Liebe!
Die Unglückselge wirft sich hin
Am Bild der Himmelskönigin,
Umklammert es mit Armen heiß,
Und sieh – ist es der kalte Schweiß? –
Ein Diadem von Perlen drückt
Die Göttliche aufs Haupt der Dirne,
Mit heilger Martyrkrone schmückt
Sie der geliebten Tochter Stirne.
O Kuno, wähnt dein dumpfer Geist,
Gunilde sei so ganz verwaist,
Wähnst du, ihr bliebe keine Wahl
Als Dein entehrendes Gebot?
Du feiger Rechner, eine Zahl
Stürzt dein System – sie lautet Tod.
Die Liebe fände Weg und Licht
Durch Finsterniß und Schrecken nicht?
Sie träte so beweinenswerth,
Wie Du es willst vor Dagobert?
Die heldenmüthige Vernunft
Der keuschen Einfalt stumpft das Schwert
Der tölpischen Despotenzunft!
Im Staube staune der Tyrann
Zu solcher Klugheit Glanz hinan!
Verwirrt, geblendet stürz er fort,
Der Mörder bebe vor dem Mord,
Entgangen seinem Augenmerk
Was hier geschah, und doch sein Werk! –
Muß es denn sein, bringt kein Geschick
Ihr Rettung mehr und Liebesglück,
Und triumphirt der Dränger, so
Sei er des Werks doch nimmer froh!
Ihr blutger Leichnam wird ihn schrecken,
Sein schlafendes Gewissen wecken,
Hier wird das freche Laster zagen,
Den scheuen Schritt nicht weiter wagen;
Durch deren Schönheit all das kam,
Ist sie nicht mehr – entnervt ihn Scham.
Und wehrt die tiefe Schuld zu geben
Dem Bruder Freiheit, Gut und Leben,
Wehrt sie der Reue frischem Quell
Aus hartem Felsenherzen hell
Und reich zu strömen, wehrt sie auch
Freudger Versöhnung Lebenshauch –
So warf Gunildens Opfermuth
Die Schranke doch vor neue Wuth,
Der Rache glühende Dämonen,
Die jetzt in Kunos Busen wohnen,
Verscheucht Gunildens rauchend Blut;
Drohende Qualen wird es wenden,
Erlösung dem Geliebten senden,
Es heißt die Kainsthat – vollenden.
In hehrer Glut der Abendhimmel brennt,
Und silbern tritt der Mond ins Firmament.
Aus Felsenbuchten über weiten Wald
Der Hörner Widerhall herüberschallt,
Zum Schloß herauf dringt heller Waidmannsruf,
Um Einlaß scharrt schnaubender Rosse Huf,
Und aus den Bügeln springt der Edlen Troß,
Nach wildem Zechen lechzt der Jagdgenoß.
Auch Kunos Sinn steht nach des Mahles Freuden,
Bis Mitternacht die Stunden zu vergeuden,
Heut aus dem Weine, süßem Rebenblut
Die rechte Stimmung holen dünkt ihm gut;
Und mit dem Becher an dem Munde laut
Lallet er Hohn auf eine treue Braut,
Läßt er die Hochjagd leben, prahlet keck
Mit Edelwild, zu der Vertrauen Schreck,
Und mit dem Becher an dem Munde laut
Vom Liebchen spricht er, heut noch angetraut.
Ein sinnverwirrend klirrendes Getöse
Braust durch den Bau ehrwürdger Heldengröße.
Auch an des ächten Wahnsinns Kerkerthor
Gebrochner Ton des Jubels sich verlor,
In Dagoberts einsame Geistesnacht
Schweifet ein Stern, der lieblich niederlacht.
Ihm däucht es festliche Musik zu sein,
Und sanfter Schlummer wiegt den Aermsten ein.
O weh, da träumet sein zerstört Gemüth
Von süßer Feier, die ihm endlich blüht.
Die Stunde wars, da fern im Thurmgemach
Ein treues Herz, das Herz Gunildens brach.
Indeß in Jagd- und toller Zecherlust
Der Zwingherr schwelgte, war der greise Knecht,
Nur von Gunildens Rettung voll die Brust,
Hinausgeeilt, zu rufen Schutz und Recht.
In nachbarlich Gebiet, volkreichre Gegend
Tritt er, die That mit Kühnheit überlegend.
Erwägend, wem er bringe solche Kunden,
Hat er den rechten Mann schon ausgefunden.
An schattger Halde hält ein schmucker Troß
Von auserlesnen Rittern, hoch zu Roß,
Und von der Heerstraß naht ein andrer Zug
Ehrfurchtvoll grüßend unter Fahnenflug,
Mit Sang und Klang, wies weiten Weg versüßt,
Der Bischof ist es, der den Kaiser grüßt.
Und unversehens vor den Fürsten stand
Der greise Wandersmann im Knechtsgewand;
Er hebt die Hände hoch zum Himmel auf,
Es hemmt sein Ruf den Hin- und Wiederlauf
Und auf der Hörer staunendes Begehr
Erzählt er laut die schlimme dunkle Mähr,
Von Dagobert, von Kuno, von Gunild,
Daß Wuth und Schmerz aus jedem Auge quillt,
Daß selbst der Bischof, Bischof Burkhard wars,
Ein Zucken spürte seines Augenpaars,
Daß ihm ein Graun die Seele überschlich,
Und daß sein Blick des Kaisers Zornblick wich.
Wohl war der Kaiser in das Land gekommen,
Gericht zu halten zu der Unschuld Frommen,
Und das Verbrechen zitterte vor ihm
– Vor Sankt Georg scheut so das Ungethüm –
Doch unverhofft war Kaiser Konrad da,
Schnell, scharf mit Aug und Schwert und immer nah.
Kein Säumen gilt, der Bischof Burkhard meint,
Dem Schicksal schuld ich Rettung für den Freund;
So wills mein Stolz, daß der nicht untergeht,
Der meiner Rache voll Genügen brachte,
Der meine Rechnung nicht zu Schanden machte,
Der vor der Welt nicht, der vor mir besteht.
Drum einen zuverläßigen Mann
Nimmt Bischof Burkhard heimlich ins Gebet,
Wie Ränkesucht sich stets ihn wünschen kann.
Den sendet er auf Stromberg flugs voraus,
Zu führen Kuno aus des Fluches Haus,
Ohn alles Zaudern, Plaudern, Warnen, Drängen
Mit dem Betroffnen aus dem Schloß zu sprengen,
Und früher nicht den Rossen Ruh zu gönnen,
Bis sie im Kloster fern sich bergen können.
Mit diesem Ring, so flüstert der Mann Gottes,
Erstickst du die Entgegnung kecken Spottes,
Wird ihn der sorglos Schwelgende gewahr,
Glaubt er mit Zittern bald an die Gefahr;
Erschlossen ward mir heut des Ritters Sinn,
Wie ich ihn kenne, däucht ihm Flucht Gewinn,
In eines Klosters undurchforschten Mauern
Entrinnt er gern des nahen Todes Schauern,
In eines Büßers härenem Gewand
Birgt er getrost sich jetzt vor Henkershand,
Und beugen ihn nicht höhere Gewalten,
Mag wälsche Pfründe einst ihn schadlos halten!
Schon ruchbar in Palast und Hütte
War Kunos unerhörte That,
Als in der Zecher schwüle Mitte
Auf Stromberg Burkhards Bote trat;
Verlarvt, daß Keiner ihn erkenne
Der Zeugen hier und später nenne,
Erprobt er schlau des Ringes Macht,
Davon der Schlemmer jäh erwacht,
Und, wie der Priester sah voraus,
Verzweifelnd floh von Schmaus und Haus.
Dann, weil der Wirth nicht kehrt zum Feste,
Zerstiebt der scheue Schwarm der Gäste,
Und wie gescheucht von bösen Zeichen
Die bleichen Diener auch entweichen.
Vor Mitternacht mit den Getreun
Traf noch der rasche Kaiser ein:
Vergeltung hofft er reich zu üben,
Doch was er fand, es konnt allein,
Sein glühend Herz zu Tod betrüben.
Der Bischof auch, mit frommem Blick,
Bleibt hinter Konrad nicht zurück,
Geistlichen Fluch und Sakrament
Zu spenden, wie ers dienlich fänd –
Wo Alle zürnen, trauern, schauern,
Still zu frohlocken und zu lauern.
Vergeblich wird das Schloß durchsucht
Nach Kuno, dessen wilde Flucht
Ein Räthsel bleibt.
Im schnell erbrochnen Thurmgelaß
Lag dort Gunild, die Braut so blaß,
Dort lag sie todt – ermordet nicht –
Ein sanfterloschen Himmelslicht –
Zerronnen vor dem grauen Morgen,
Ein Stern, im Himmel tief geborgen.
Wer hebt so lautes Jammern an?
Wirft sich, ein aufgegebner Mann,
Zu der Entseelten Füßen hin,
Der Knecht vor die Gebieterin?
Zu früh für seine Schuld verblich
Die Dulderin, der Keine glich.
Er rafft sich mühsam auf, er führt
Nun Fürst und Ritter, tiefgerührt,
Bei schauerlichem Fackelschein
In Dagoberts Gefängniß ein.
Weh ihm, er schlummert kranken Schlaf,
Bald fährt er auf, wenn Schreck ihn traf,
Bald spielt ein Lächeln um den Mund,
Bald seufzet er von Herzensgrund –
Er wacht; er weicht, er rast, er reißt
Das Schwert dem Kaiser von der Seite,
Aus seinem Auge glüht ein Geist
Vernichtung brütend naher Beute.
Es ist kein Irrsinn, der so blickt,
Und, der ins Innerste erschrickt,
Der Bischof, weiß, was es bedeute.
Den Einen aus der Menge kennt
Der Wahnwitz auch, den Einen brennt
Er zu vertilgen, ist doch klar,
Daß der des Leids Urheber war.
Und blind, die Schwerter rings verachtend,
Auf den Gefährlichen gezückt,
Dringt auf den Bischof unberückt
Der Tolle die Vertheidger schlachtend.
Der Ritter Ehre, Burkhards Stolz
Heischt nun zu bleiben; schon verpfändet
Ist jene, hundert Haufen Golds
Böt dieser dem, ders rühmlich endet.
Dem Muthigsten wills nicht gelingen
Den wilden Helden zu hezwingen,
Zu greifen ihn, verhütend Tod,
Wie Kaiser Konrad es gebot.
– Doch Kaiser Konrad wurmt die Noth
Der besten Männer und ihr Tod.
Und ein Gedanke leuchtet hell
In seiner Seele auf: »so schafft
Die todte Jungfrau mir zur Stell!
Der Wahnsinn nur schürt ihm die Kraft.
Geht Bischof, bringt die Leiche schnell!
Reicht mir ein Schwert indeß – das Wort
Ist unnütz hier, er rast nun fort.«
Man bringt die Bahre, und es ruht das Kämpfen,
So schmerzreich Bild mag Wuth und Wildheit dämpfen.
O seht, o seht! sein schartenvolles Schwert
Wegschleudernd stürzt zu Boden Dagobert.
Der Augenblick entschied, denn schon zugleich
Schlug ihm der Kaiser tödtlich scharfen Streich.
Nothwehr gebots. Der löwengrimmigen Wuth
Die Spanne Zeit, es rönne fürstlich Blut.
Am kalten Munde dort hing Dagobert
Der Sterbende, dem ach, Besinnung kehrt;
Der Unglückselge, der von Kaisers Hand
Gelenkt den Weg in ewige Brautnacht fand.
Er blickt empor – o Gott, mein Kaiser hier?
Wo bin ich? O lebt wohl! Vergebet mir!
Gott sei mit euch! An liebem Munde läßt
Sich süß verbluten. Rittet ihr zum Fest?
Zu meinem Hochzeitsfest? – da starb der Laut
Auf seiner Lippe überm Mund der Braut.
Es ruht die Hand in Kaiser Konrads Rechten,
Der zitternden, der nicht vom Kampf geschwächten
– Der drückt sie stumm, zur letzten Pilgerfahrt,
Und Thränen rollen in des Kaisers Bart.
Da braust es fernher wie von wirren Stimmen
Empörung und Zerstörung gierigen, grimmen.
Kommt! Fackeln vor! schon drängt die Menge draus.
Gebrochen sei die Burg! Schutt dieses Haus!
Mit wenig Tapfern, die ihm ließ der Tod,
Trat Deutschlands Herr hinaus ans Morgenroth.
.
1 comment