Der hatte sein Opfer nämlich nicht hier getötet, sondern es nur weggeworfen wie ein Stück Abfall.

Zorn durchdrang Lena bis ins Mark.

Allerdings war dem Mörder ein Fehler unterlaufen. Die Plastiksäcke, in die das Opfer verpackt war, unterschieden sich von sämtlichen Säcken in allen Müllcontainern in einem Umkreis von fünf Häuserblocks. Es waren Säcke von Profiqualität, um einiges dicker als gewöhnliche und mindestens dreißig Prozent größer. Lenas Vater war Schweißer gewesen. Die Silhouette von Denver hatte viel von ihrer Form und ihrer Schönheit seiner Arbeit zu verdanken. Aus Erfahrung wusste sie also, dass derartige Säcke häufig auf Baustellen zum Einsatz kamen. Die stabile Plastikfolie hielt mehr Belastung stand und platzte nicht so leicht auf, wenn man sie mit spitzen Gegenständen wie Glasscherben, Nägeln oder wie in diesem Fall den zersplitterten Knochen einer jungen Frau füllte.

Danny Bartlett, der Ausreißer aus Little Rock, hatte gerade seine Crackpfeife gestopft und befand sich irgendwo auf Wolke sieben, als er die fünf grünen Säcke aus dem Müllcontainer angelte. Lena hatte den Inhalt der vier anderen Säcke im Container zuerst mit einem Kriminaltechniker und dann mit dem Küchenchef des Tiny’s durchgesehen. Der Inhalt stammte aus dem Lokal und war letzte Nacht gegen zwei Uhr hinausgebracht worden. Laut Aussage des Mitarbeiters, der sie weggeworfen hatte, war am Vorabend die Müllabfuhr gekommen. Der Container war also völlig leer gewesen. Keiner der Anlieger der Gasse hatte, seit er heute Morgen zur Arbeit erschienen war, einen Wagen hier vorbeifahren sehen. Also konnte man mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit davon ausgehen, dass der Täter sich zwischen zwei Uhr morgens und Sonnenaufgang seines Opfers entledigt hatte. Anschließend war er die wenigen Kilometer nach Norden gefahren und irgendwo im Freeway-Netz verschwunden.

Lena schüttelte sich und machte Platz, als sie hörte, wie der Transporter des Leichenbeschauers rückwärts an den Müllcontainer heranrangierte. Inzwischen hatten Gainers Mitarbeiter die Müllsäcke in einem blauen Leichensack verstaut und verschlossen ihn. Nachdem das Opfer im Transporter lag, quittierte Gainer Lena den Empfang der Frauenleiche. Unter der Rubrik »Name« wurde »Jane Doe Nr. 99« eingetragen. Gainer hatte Datum, Uhrzeit und Adresse vermerkt, allerdings nichts, was auf die Identität der Toten hinwies. Obwohl Lena die hohe Zahl überraschte, verkniff sie sich eine Bemerkung. Ebenso wie die Mordrate würde die Anzahl der unbekannten Opfer am Neujahrstag auf null zurückgestellt werden. Auch wenn sich dieser Zustand nicht lange halten würde.

»Sie haben Glück«, meinte Gainer. »Ich habe gerade mit Madina telefoniert. Er hat umdisponiert. Seine Maschine landet gegen Mittag in Burbank. Morgen Nachmittag nimmt er sich Ihren Fall vor. Trotz des Rückstaus.«

Lena hatte darauf gehofft, denn sie wollte, dass Art Madina die Autopsie durchführte, obwohl er sich bei einem Ärztekongress in New Haven aufhielt. Da das Opfer zerstückelt worden war, war sie auf die Fachkenntnisse des Pathologen angewiesen.

»Haben Sie ihm alles erklärt?«

Gainer nickte. »Ich habe ihm gesagt, dass wir alles so gelassen haben wie vorgefunden. Was von ihr noch übrig ist, steckt in den Tüten.«

Gainers Stimme erstarb.