Als sie ein Funkeln bemerkte, fiel ihr Blick auf das Sakko des Senators. Er trug eine Anstecknadel am Revers. Es war nicht die übliche amerikanische Flagge, sondern ein individuell gestaltetes Schmuckstück.

»Möchten Sie es sich anschauen?«, fragte West.

Sie nickte. »Die Feuerwehr. Sie haben es nach den Anschlägen vom 11. September von den Feuerwehrleuten bekommen.«

Er lächelte ihr freundlich zu – seine blauen Augen leuchteten –, nahm dann die Nadel ab und reichte sie ihr.

»Sie war ein Geschenk«, erklärte er. »Ich trage sie jeden Tag. Es ist ein Ereignis, das ich nie vergessen werde.«

Lena ließ die Nadel über ihre Handfläche rollen, sodass sich das Licht im Gold fing. Es handelte sich um die dreidimensionale Darstellung eines Löschzugs der Feuerwehr von Los Angeles am Ground Zero in New York. Neun Feuerwehrleute standen auf dem Wagen und reckten eine Leiter zur Sonne empor. Lena erinnerte sich noch gut an die Zeremonie, in der West von der Feuerwehr von Los Angeles geehrt worden war, da ihre gesamte Abteilung daran teilgenommen hatte. Allerdings hatte sie die Anstecknadel noch nie mit eigenen Augen gesehen und kannte das leuchtend rote und goldene Kunstwerk nur von den Abbildungen in der Zeitung. Die Nadel war von einem Goldschmied in South Pasadena angefertigt worden, ein Zeichen der Anerkennung für einen Mann, der sich nicht nur bei den Rettungsmaßnahmen nach dem Anschlag mächtig ins Zeug gelegt hatte. Er hatte sich auch noch Jahre später engagiert dafür eingesetzt, dass die an Folgeerkrankungen leidenden Rettungskräfte die ihnen zustehende medizinische und finanzielle Unterstützung erhielten. Die Anstecknadel war ein Geschenk für jemanden, der nicht wie der Reporter eines Kabelsenders von einem sensationellen Ereignis zum nächsten hastete, um möglichst viel Geld zu verdienen und seine Einschaltquoten zu erhöhen. Es gebührte nur einem Menschen, der niemals vergessen würde, was geschehen war.

Lena gab dem Senator die Nadel zurück und sah zu, wie er sie sorgfältig an seinem Revers befestigte.

»Ich möchte Sie um einen Gefallen bitten, Detective. Und ich weiß bereits, dass Sie es nur ungern tun werden.« Wieder huschte ein fragendes Lächeln über sein Gesicht, während er ihr seine Visitenkarte reichte. »Ich verbringe mehr Zeit hier als in Washington«, sagte er. »Falls ich Ihnen je behilflich sein kann, rufen Sie mich an, und ich versuche mein Bestes.« »Und um was für einen Gefallen geht es?« »Da draußen wimmelt es von Presseleuten. Und ich würde mich über ein Foto für mein Büro freuen, das uns beide gemeinsam zeigt. Ramiras Fotograf wird es aufnehmen und mir einen Abzug schicken. Aber halten Sie mich nicht für naiv. Alle anderen im Raum werden dieses Foto ebenfalls schießen. Und das ist der Grund, warum Sie es nur ungern tun werden. Doch ich würde mich freuen.«

Lena überlegte. Der Senator zog eine Augenbraue hoch. Sein warmes Lächeln war ansteckend. Nach einer Weile nickte sie.

5

Da Lena zu aufgeregt war, um auf den Aufzug zu warten, hastete sie die Treppe hinunter zum Büro des Leichenbeschauers. Unten angekommen, schlug ihr der Geruch nach Desinfektionsmittel und Verwesung entgegen. Mit angewiderter Miene eilte sie an den entlang der linken Wand aufgereihten Leichen vorbei, wobei sie es vermied, sie anzusehen.

In der letzten Nacht hatte sie kein Auge zugetan, sich immer wieder hin und her gewälzt und aus dem Fenster neben dem Bett geschaut.