Mehrere müssen es sein, die glücklich verlaufen, ehe der Schlag geführt werden kann. Wo aber die Gründe hernehmen, um die häufigen Fahrten zu rechtfertigen? – Und wie selten auch weht der Süd oder der Südwest, bei dem allein das Unternehmen gelingen kann, und noch dazu in der gehörigen Stärke. Darum muß noch etwas Besonderes gefunden werden, ein Grund wie kein anderer. Einer, der jede Vorbereitung unnötig macht und gegen den es keinen Widerspruch gibt.

Bis dahin aber, das legt ihm Busze immer wieder ans Herz, heißt es freundlich zu der Indre sein, damit ihr jeder Verdacht genommen wird und auch die Nachbarn glauben können, es sei nun alles wieder in Ordnung.

Und er ist freundlich zu der Indre – so freundlich, wie's einer versteht, der sich nie im Leben verstellt hat. Er schlägt das Herdholz klein und trägt es ihr zu, er hilft ihr beim Garnkochen, er bessert den Stöpsel im Rauchfang, er küßt sie beim »Guten Tag« und »Gute Nacht«, und er schläft sogar an ihrer Seite, aber er rührt sie nicht an.

Die Indre drückt sich still an die Wand, wenn er um Mitternacht heimkommt, um den Dunst der Magd nicht zu atmen, den er nach wie vor an sich herumträgt.

Und schließlich – die Busze hat es so verlangt – bringt er auch das schwerste Opfer und geht des Abends nicht mehr ins Sumpfweidendickicht. Von nun an verkehren sie nur durch den Briefträger. Die Aufschriften sind von einem jungen Kanzlisten in Heydekrug, dem er weisgemacht hat, er könne nicht schreiben, auf Vorrat gefertigt, und drinnen stehen Zeichen, die nur sie beide verstehen.

So muß auch die Indre glauben, der heimliche Verkehr habe aufgehört. Aber täuschen läßt sie sich doch nicht. Ihr ist manchmal, als habe sie die Gabe des zweiten Gesichts, und oft, wenn er sich vor ihr wunder wie niedlich macht, denkt sie sich: »Wie seh' ich ihn doch durch und durch!«

Eines Tages kommt er besonders liebselig auf sie zu und sagt: »Mein Täubchen, mein Schwälbchen, du hast böse Tage gehabt, ich möchte dir gern etwas Gutes bereiten, such es dir aus.«

Sie sieht ihn nur an und weiß schon, daß er Hinterhältiges im Sinne führt. Und sie sagt: »Ich brauche nichts Gutes. Ich hab' ja die Kinder.«

»Nein, nein,« sagt er, »es muß sein. Schon wegen der Nachbarn. Auch deinem Vater will ich einen Beweis meiner Sinnesänderung geben. Weißt du nichts, so denke nach, und auch ich werde mir den Kopf zerbrechen.«

Am nächsten Tag kommt er wieder. Aber sie weiß noch immer nichts.

Da sagt er: »Nun, dann weiß ich es. Du hast noch nie die Eisenbahn gesehen. Laß uns nach Tilsit fahren, damit du einmal die Eisenbahn siehst.«

Sie sagt darauf: »Die Leute erzählen sich, daß die Eisenbahn nächstens bis nach Memel geführt werden soll, und Heydekrug wird dann eine Station werden. Wenn es so weit ist, kann ich ja einmal zum Wochenmarkt mitfahren.«

Aber er gibt sich nicht zufrieden.

»Tilsit ist eine schöne Stadt,« sagt er, »wenn du nicht hinfahren willst, so weiß ich, daß du einen bösen Willen hast und an Versöhnung nicht denkst, während ich nichts anderes im Sinne habe, als dir zu Gefallen zu leben.«

Da fällt ihr ein, daß er die Zusammenkünfte mit der Magd wirklich aufgegeben hat, und sie beginnt in ihrer Meinung wankend zu werden.

Und sie sagt: »Ach Ansas, ich weiß ja, daß du es nicht aufrichtig meinst, aber ich werde dir wohl den Willen tun müssen. Außerdem sind wir ja alle in Gottes Hand.«

Der Ansas hat die Gewohnheit, daß er rot werden kann wie irgend ein junges Ding. Und weil er das weiß, geht er rasch vor die Tür und schämt sich draußen. Aber ihm ist zumut, als muß er es tun und ein Zurück gebe es nicht. Als wenn ihn der Drache mit feuriger Gabel vorwärts schuppst, so ist ihm zumut. Und darum fängt er an demselben Tage noch einmal an.

»In Tilsit ist ein Kirchturm,« sagt er, »der ruht auf acht Kugeln, und darum hat ihn der Napoleon immer nach Frankreich mitnehmen wollen. Er ist ihm aber zu schwer gewesen. Eine so merkwürdige Sache muß man doch sehen.«

Die Indre lächelt ihn bloß so an, sagt aber nichts.

»Außerdem,« fährt er fort, »gibt es ja ein Lied, das geht so:

 

Tilschen, mein Tilschen, wie schön bist du doch!

Ich liebe dich heute wie einst,

Die Sonne wär' nichts wie ein finsteres Loch,

Wenn du sie nicht manchmal bescheinst.

 

Nun weißt du hoffentlich, was für eine schöne Stadt Tilsit ist.«

Wie er sich so zereifert, lächelt ihn Indre noch einmal an, und er wird wieder rot und redet rasch von anderen Dingen.

Am nächsten Morgen aber sagt er ganz obenhin: »Nun, wann werden wir fahren?« Als ob es längst eine abgemachte Sache wäre.

Sie denkt: »Will er mich los sein, so kann er es auf tausend Arten. Es ist das Beste, ich füge mich.«

Und zu ihm sagt sie: »Wann du wirst wollen.«

»Nun, dann je eher, je besser,« sagt er.

Es wird also der nächste Morgen bestimmt.

Und wie die Busze es ihm eingegeben hat, läuft er am Nachmittag von Wirtschaft zu Wirtschaft und sagt: »Ihr wißt, liebe Nachbarn, daß ich mich schlecht aufgeführt habe. Aber von nun an soll alles anders werden. Zum Zeichen dessen werde ich mit der Indre eine Vergnügungsfahrt nach Tilsit machen. Damit will ich sozusagen die Versöhnung festlich begehen.«

Und die Nachbarn beglückwünschen ihn auch noch. Genau, wie die Busze es vorhergesagt hat.

Was aber tut die Indre inzwischen?

Sie legt die Sachen der Kinder zurecht, schreibt auf ein Papier, was sie am Alltag und am Sonntag anziehen sollen und wie die Stücke Leinwand, die sie selber gewebt hat, künftig einmal zu verschneiden sind.