Wir leben. – Sie fordert, ernst genommen zu werden. Ihr Wert gibt ihr das volle Recht dazu.

SCHWARZ

Was tut sie denn?

SCHÖN

 – Du hast eine halbe Million geheiratet!

SCHWARZ (erhebt sich, außer sich)

Sie …

SCHÖN (nimmt ihn bei der Schulter)

Nein, das ist der Weg nicht! (Nötigt ihn, sich zu setzen.) Wir haben hier sehr ernst miteinander zu sprechen.

SCHWARZ

Was tut sie?!

SCHÖN

Rechne dir erst genau an den Fingern nach, was du ihr zu verdanken hast, und dann …

SCHWARZ

Was tut sie – Mensch!!

SCHÖN

Und dann mach’ dich für deine Fehler verantwortlich und nicht sonst jemand.

SCHWARZ

Mit wem? Mit wem?

SCHÖN

Wenn wir uns schießen sollen …

SCHWARZ

Seit wann denn?!

SCHÖN (ausweichend)

 – Ich komme nicht hierher, um Skandal zu machen. Ich komme, um dich vor dem Skandal zu retten.

SCHWARZ (kopfschüttelnd)

 – Du hast sie missverstanden.

SCHÖN (verlegen)

Damit ist mir nicht gedient. Ich kann dich in deiner Blindheit nicht so weiterleben sehen. Das Mädchen verdient, eine anständige Frau zu sein. Sie hat sich, seit ich sie kenne, zu ihrem Besseren entwickelt.

SCHWARZ

Seit du sie kennst? – Seit wann kennst du sie denn?

SCHÖN

Etwa seit ihrem zwölften Jahr.

SCHWARZ (verwirrt)

Davon hat sie mir nichts gesagt.

SCHÖN

Sie verkaufte Blumen vor dem Alhambra-Café. Sie drückte sich barfuß zwischen den Gästen durch, jeden Abend zwischen zwölf und zwei.

SCHWARZ

Davon hat sie mir nichts gesagt.

SCHÖN

Daran hat sie recht getan! Ich sage es dir, damit du siehst, dass du es nicht mit moralischer Verworfenheit zu tun hast. Das Mädchen ist im Gegenteil außergewöhnlich gut veranlagt.

SCHWARZ

Sie sagte, sie sei bei einer Tante aufgewachsen.

SCHÖN

Das war die Frau, der ich sie übergab. Sie war die beste Schülerin. Die Mütter stellten sie ihren Kindern als Vorbild hin. Sie besitzt Pflichtgefühl. Es ist einzig und allein dein Versehen, wenn du bis jetzt versäumt hast, sie bei ihren besten Seiten zu nehmen.

SCHWARZ (schluchzend)

O Gott …!

SCHÖN (mit Nachdruck)

Kein »O Gott«!! An dem Glück, das du gekostet, kann nichts etwas ändern. Geschehen ist geschehen. Du überschätzest dich gegen besseres Wissen, wenn du dir einredest, zu verlieren. Es gilt zu gewinnen. Mit dem »O Gott« ist nichts gewonnen. Einen größeren Freundschaftsdienst habe ich dir noch nicht erwiesen. Ich spreche offen und biete dir meine Hilfe. Zeig’ dich dessen nicht unwürdig!

SCHWARZ (von jetzt an mehr und mehr in sich zusammenbrechend)

Als ich sie kennenlernte, sagte sie mir, sie habe noch nie geliebt.

SCHÖN

Wenn eine Witwe das sagt! Ihr gereicht es zur Ehre, dass sie dich zum Manne gewählt. Stelle die nämliche Anforderung an dich, und dein Glück ist makellos.

SCHWARZ

Er habe sie kurze Kleider tragen lassen.

SCHÖN

Er hat sie doch geheiratet! – Das war ihr Meisterstreich. Wie sie den Mann dazu gebracht, ist mir unfasslich. Du musst es jetzt ja wissen. Du genießt die Früchte ihrer Diplomatie.

SCHWARZ

Woher kannte Dr. Goll sie denn?

SCHÖN

Durch mich! – Es war nach dem Tode meiner Frau, als ich die ersten Beziehungen zu meiner gegenwärtigen Verlobten anknüpfte. Sie stellte sich dazwischen. Sie hatte sich in den Kopf gesetzt, meine Frau zu werden.

SCHWARZ (wie von einer entsetzlichen Ahnung befallen)

Und als ihr Mann dann starb?

SCHÖN

 – Du hast eine halbe Million geheiratet!!

SCHWARZ (jammernd)

Wär’ ich geblieben, wo ich war! Wär’ ich hungers gestorben!

SCHÖN (mit Überlegenheit)

Glaubst du denn, ich mache keine Zugeständnisse? Wer macht keine Zugeständnisse? Du hast eine halbe Million geheiratet. Du bist heute einer der ersten Künstler. Dazu kommt man nicht ohne Geld. Du bist nicht derjenige, um über sie zu Gericht zu sitzen. Bei einer Herkunft, wie sie Mignon hat, kannst du unmöglich mit den Begriffen der bürgerlichen Gesellschaft rechnen.

SCHWARZ (ganz wirr)

Von wem sprichst du denn?

SCHÖN

Ich spreche von ihrem Vater. Du bist Künstler, sag’ ich.