Märchen-Almanach auf das Jahr 1826
The Project BookishMall.com EBook of Maerchen-Almanach auf das Jahr 1826
by Wilhelm Hauff
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Title: Maerchen-Almanach auf das Jahr 1826
Author: Wilhelm Hauff
Release Date: October, 2004 [EBook #6638]
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[This file was first posted on January 9, 2003]
Edition: 10
Language: German
*** START OF THE PROJECT BookishMall.com EBOOK, MAERCHEN-ALMANACH AUF DAS JAHR 1826 ***
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Märchen-Almanach auf das Jahr 1826
Wilhelm Hauff
Inhalt:
Märchen als Almanach
Die Karawane (Rahmenerzählung)
Die Geschichte vom Kalif Storch
Die Geschichte von dem Gespensterschiff
Die Geschichte von der abgehauenen Hand
Die Errettung Fatmes
Die Geschichte von dem kleinen Muck
Das Märchen vom falschen Prinzen
Märchen als Almanach
Wilhelm Hauff
In einem schönen, fernen Reiche, von welchem die Sage lebt, daß die
Sonne in seinen ewig grünen Gärten niemals untergehe, herrschte von
Anfang an bis heute die Königin Phantasie. Mit vollen Händen
spendete diese seit vielen Jahrhunderten die Fülle des Segens über
die Ihrigen und war geliebt, verehrt von allen, die sie kannten. Das
Herz der Königin war aber zu groß, als daß sie mit ihren Wohltaten
bei ihrem Lande stehen geblieben wäre; sie selbst, im königlichen
Schmuck ihrer ewigen Jugend und Schönheit, stieg herab auf die Erde;
denn sie hatte gehört, daß dort Menschen wohnen, die ihr Leben in
traurigem Ernst, unter Mühe und Arbeit hinbringen. Diesen hatte sie
die schönsten Gaben aus ihrem Reiche mitgebracht, und seit die schöne
Königin durch die Fluren der Erde gegangen war, waren die Menschen
fröhlich bei der Arbeit, heiter in ihrem Ernst.
Auch ihre Kinder,nicht minder schön und lieblich als die königliche
Mutter, sandte sie aus, um die Menschen zu beglücken. Einst kam
Märchen, die älteste Tochter der Königin, von der Erde zurück. Die
Mutter bemerkte, daß Märchen traurig sei, ja, hier und da wollte ihr
bedünken, als ob sie verweinte Augen hätte.
"Was hast du, liebes Märchen", sprach die Königin zu ihr, "du bist
seit deiner Reise so traurig und niedergeschlagen, willst du deiner
Mutter nicht anvertrauen, was dir fehlt?"
"Ach, liebe Mutter", antwortete Märchen, "ich hätte gewiß nicht so
lange geschwiegen, wenn ich nicht wüßte, daß mein Kummer auch der
deinige ist."
"Sprich immer, meine Tochter", bat die schöne Königin, "der Gram ist
ein Stein, der den einzelnen niederdrückt, aber zwei tragen ihn
leicht aus dem Wege."
"Du willst es", antwortete Märchen, "so höre: Du weißt, wie gerne ich
mit den Menschen umgehe, wie ich freudig auch bei dem Ärmsten vor
seiner Hütte sitze, um nach der Arbeit ein Stündchen mit ihm zu
verplaudern; sie boten mir auch sonst gleich freundlich die Hand zum
Gruß, wenn ich kam, und sahen mir lächelnd und zufrieden nach, wenn
ich weiterging; aber in diesen Tagen ist es gar nicht mehr so!"
"Armes Märchen!" sprach die Königin und streichelte ihr die Wange,
die von einer Träne feucht war, "aber du bildest dir vielleicht dies
alles nur ein?"
"Glaube mir, ich fühle es nur zu gut", entgegnete Märchen, "sie
lieben mich nicht mehr. Überall, wo ich hinkomme, begegnen mir
kalte Blicke; nirgends bin ich mehr gern gesehen; selbst die Kinder,
die ich doch immer so lieb hatte, lachen über mich und wenden mir
altklug den Rücken zu."
Die Königin stützte die Stirne in die Hand und schwieg sinnend.
"Und woher soll es denn", fragte die Königin, "kommen, Märchen, daß
sich die Leute da unten so geändert haben?"
"Sieh, die Menschen haben kluge Wächter aufgestellt, die alles, was
aus deinem Reich kommt, o Königin Phantasie, mit scharfem Blicke
mustern und prüfen. Wenn nun einer kommt, der nicht nach ihrem Sinne
ist, so erheben sie ein großes Geschrei, schlagen ihn tot oder
verleumden ihn doch so sehr bei den Menschen, die ihnen aufs Wort
glauben, daß man gar keine Liebe, kein Fünkchen Zutrauen mehr findet.
Ach, wie gut haben es meine Brüder, die Träume, fröhlich und leicht
hüpfen sie auf die Erde hinab, fragen nichts nach jenen klugen
Männern, besuchen die schlummernden Menschen und weben und malen
ihnen, was das Herz beglückt und das Auge erfreut!"
"Deine Brüder sind Leichtfüße", sagte die Königin, "und du, mein
Liebling, hast keine Ursache, sie zu beneiden. Jene Grenzwächter
kenne ich übrigens wohl; die Menschen haben so unrecht nicht, sie
aufzustellen; es kam so mancher windige Geselle und tat, als ob er
geradewegs aus meinem Reiche käme, und doch hatte er höchstens von
einem Berge zu uns herübergeschaut."
"Aber warum lassen sie dies mich, deine eigene Tochter, entgelten",
weinte Märchen. "Ach, wenn du wüßtest, wie sie es mit mir gemacht
haben; sie schalten mich eine alte Jungfer und drohten, mich das
nächste Mal gar nicht mehr hereinzulassen." "Wie, meine Tochter nicht
mehr einzulassen?" rief die Königin, und Zorn rötete ihre Wangen.
"Aber ich sehe schon, woher dies kommt; die böse Muhme hat uns
verleumdet!"
"Die Mode? Nicht möglich!" rief Märchen, "sie tat ja sonst immer so
freundlich."
"Oh! Ich kenne sie, die Falsche", antwortete die Königin, "aber
versuche es ihr zum Trotze wieder, meine Tochter, wer Gutes tun will,
darf nicht rasten."
"Ach, Mutter! Wenn sie mich dann ganz zurückweisen, oder wenn sie
mich verleumden, daß mich die Menschen nicht ansehen oder einsam und
verachtet in der Ecke stehen lassen?"
"Wenn die Alten, von der Mode betört, dich geringschätzen, so wende
dich an die Kleinen, wahrlich, sie sind meine Lieblinge, ihnen sende
ich meine lieblichsten Bilder durch deine Brüder, die Träume, ja, ich
bin schon oft selbst zu ihnen hinabgeschwebt, habe sie geherzt und
geküßt und schöne Spiele mit ihnen gespielt; sie kennen mich auch
wohl, sie wissen zwar meinen Namen nicht, aber ich habe schon oft
bemerkt, wie sie nachts zu meinen Sternen herauflächeln und morgens,
wenn meine glänzenden Lämmer am Himmel ziehen, vor Freuden die Hände
zusammenschlagen. Auch wenn sie größer werden, lieben sie mich noch,
ich helfe dann den lieblichen Mädchen bunte Kränze flechten, und die
wilden Knaben werden stiller, wenn ich auf hoher Felsenspitze mich zu
ihnen setze, aus der Nebelwelt der fernen, blauen Berge hohe Burgen
und glänzende Paläste auftauchen lasse und aus den rötlichen Wolken
des Abends kühne Reiterscharen und wunderliche Wallfahrtszüge bilde."
"O die guten Kinder!" rief Märchen bewegt aus. "Ja, es sei! Mit
ihnen will ich es noch einmal versuchen."
"Ja, du gute Tochter", sprach die Königin, "gehe zu ihnen; aber ich
will dich auch ein wenig ordentlich ankleiden, daß du den Kleinen
gefällst und die Großen dich nicht zurückstoßen; siehe, das Gewand
eines Almanachs will ich dir geben."
"Eines Almanachs, Mutter? Ach!—Ich schäme mich, so vor den Leuten
zu prangen."
Die Königin winkte, und die Dienerinnen brachten das zierliche Gewand
eines Almanachs. Es war von glänzenden Farben und schöne Figuren
eingewoben.
Die Zofen flochten dem schönen Mädchen das lange Haar; sie banden ihr
goldene Sandalen unter die Füße und hingen ihr dann das Gewand um.
Das bescheidene Märchen wagte nicht aufzublicken, die Mutter aber
betrachtete es mit Wohlgefallen und schloß es in ihre Arme. "Gehe
hin", sprach sie zu der Kleinen, "mein Segen sei mit dir. Und wenn
sie dich verachten und höhnen, so kehre zurück zu mir, vielleicht,
daß spätere Geschlechter, getreuer der Natur, ihr Herz dir wieder
zuwenden."
Also sprach die Königin Phantasie. Märchen aber stieg hinab auf die
Erde. Mit pochendem Herzen nahte sie dem Ort, wo die klugen Wächter
hauseten; sie senkte das Köpfchen zur Erde, sie zog das schöne Gewand
enger um sich her, und mit zagendem Schritt nahte sie dem Tor.
"Halt!" rief eine tiefe, rauhe Stimme. "Wache heraus! Da kommt ein
neuer Almanach!"
Märchen zitterte, als sie dies hörte; viele ältliche Männer von
finsterem Aussehen stürzten hervor; sie hatten spitzige Federn in der
Faust und hielten sie dem Märchen entgegen. Einer aus der Schar
schritt auf sie zu und packte sie mit rauher Hand am Kinn. "Nur auch
den Kopf aufgerichtet, Herr Almanach", schrie er, "daß man Ihm in den
Augen ansiehet, ob er was Rechtes ist oder nicht!"
Errötend richtete Märchen das Köpfchen in die Höhe und schlug das
dunkle Auge auf.
"Das Märchen!" riefen die Wächter und lachten aus vollem Hals, "das
Märchen! Haben wunder gemeint, was da käme! Wie kommst du nur in
diesen Rock?"
"Die Mutter hat ihn mir angezogen", antwortete Märchen. "So? Sie
will dich bei uns einschwärzen? Nichts da! Hebe dich weg, mach, daß
du fortkommst!" riefen die Wächter untereinander und erhoben die
scharfen Federn.
"Aber ich will ja nur zu den Kindern", bat Märchen, "dies könnt ihr
mir ja doch erlauben."
"Läuft nicht schon genug solches Gesindel im Land umher?" rief einer
der Wächter. "Sie schwatzen nur unseren Kindern dummes Zeug vor."
"Laßt uns sehen, was sie diesmal weiß!" sprach ein anderer.
"Nun ja", riefen sie, "sag an, was du weißt, aber beeile dich, denn
wir haben nicht viele Zeit für dich!"
Märchen streckte die Hand aus und schrieb mit dem Zeigefinger viele
Zeichen in die Luft. Da sah man bunte Gestalten vorüberziehen;
Karawanen mit schönen Rossen, geschmückte Reiter, viele Zelte im Sand
der Wüste; Vögel und Schiffe auf stürmischen Meeren; stille Wälder
und volkreiche Plätze und Straßen; Schlachten und friedliche Nomaden,
sie alle schwebten in belebten Bildern, in buntem Gewimmel vorüber.
Märchen hatte in dem Eifer, mit welchem sie die Bilder aufsteigen
ließ, nicht bemerkt, wie die Wächter des Tores nach und nach
eingeschlafen waren. Eben wollte sie neue Zeichen schreiben, als ein
freundlicher Mann auf sie zutrat und ihre Hand ergriff.
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