Der Vorschlag
des alten Mannes gefiel mir wohl. In banger Erwartung sahen wir die
Nacht herankommen. Neben der Kajüte war ein kleines Kämmerchen,
dorthin beschlossen wir uns zurückzuziehen. Wir bohrten mehrere
Löcher in die Türe, hinlänglich groß, um durch sie die ganze Kajüte
zu überschauen, dann verschlossen wir die Türe, so gut es ging, von
innen, und Ibrahim schrieb den Namen des Propheten in alle vier Ecken.
So erwarteten wir die Schrecken der Nacht. Es mochte wieder
ungefähr elf Uhr sein, als es mich gewaltig zu schläfern anfing.
Mein Gefährte riet mir daher, einige Sprüche des Korans zu beten, was
mir auch half. Mit einem Male schien es oben lebhaft zu werden; die
Taue knarrten, Schritte gingen über das Verdeck, und mehrere Stimmen
waren deutlich zu unterscheiden—Mehrere Minuten hatten wir so in
gespannter Erwartung gesessen, da hörten wir etwas die Treppe der
Kajüte herabkommen. Als dies der Alte hörte, fing er an, den Spruch,
den ihn sein Großvater gegen Spuk und Zauberei gelehrt hatte,
herzusagen:
"Kommt ihr herab aus der Luft,
Steigt ihr aus tiefem Meer,
Schlieft ihr in dunkler Gruft,
Stammt ihr vom Feuer her:
Allah ist euer Herr und Meister,
ihm sind gehorsam alle Geister."
Ich muß gestehen, ich glaubte gar nicht recht an diesen Spruch, und
mir stieg das Haar zu Berg, als die Tür aufflog. Herein trat jener
große, stattliche Mann, den ich am Mastbaum angenagelt gesehen hatte.
Der Nagel ging ihm auch jetzt mitten durchs Hirn; das Schwert aber
hatte er in die Scheide gesteckt; hinter ihm trat noch ein anderer
herein, weniger kostbar gekleidet; auch ihn hatte ich oben liegen
sehen. Der Kapitano, denn dies war er unverkennbar, hatte ein
bleiches Gesicht, einen großen, schwarzen Bart, wildrollende Augen,
mit denen er sich im ganzen Gemach umsah. Ich konnte ihn ganz
deutlich sehen, als er an unserer Türe vorüberging; er aber schien
gar nicht auf die Türe zu achten, die uns verbarg. Beide setzten
sich an den Tisch, der in der Mitte der Kajüte stand, und sprachen
laut und fast schreiend miteinander in einer unbekannten Sprache.
Sie wurden immer lauter und eifriger, bis endlich der Kapitano mit
geballter Faust auf den Tisch hineinschlug, daß das Zimmer dröhnte.
Mit wildem Gelächter sprang der andere auf und winkte dem Kapitano,
ihm zu folgen. Dieser stand auf, riß seinen Säbel aus der Scheide,
und beide verließen das Gemach. Wir atmeten freier, als sie weg
waren; aber unsere Angst hatte noch lange kein Ende. Immer lauter
und lauter ward es auf dem Verdeck. Man hörte eilends hin und her
laufen und schreien, lachen und heulen. Endlich ging ein wahrhaft
höllischer Lärm los, so daß wir glaubten, das Verdeck mit allen
Segeln komme zu uns herab, Waffengeklirr und Geschrei—auf einmal
aber tiefe Stille. Als wir es nach vielen Stunden wagten
hinaufzugehen, trafen wir alles wie sonst; nicht einer lag anders als
früher. Alle waren steif wie Holz.
So waren wir mehrere Tage auf dem Schiffe; es ging immer nach Osten,
wohin zu, nach meiner Berechnung, Land liegen mußte; aber wenn es
auch bei Tag viele Meilen zurückgelegt hatte, bei Nacht schien es
immer wieder zurückzukehren, denn wir befanden uns immer wieder am
nämlichen Fleck, wenn die Sonne aufging. Wir konnten uns dies nicht
anders erklären, als daß die Toten jede Nacht mit vollem Winde
zurücksegelten. Um nun dies zu verhüten, zogen wir, ehe es Nacht
wurde, alle Segel ein und wandten dasselbe Mittel an wie bei der Türe
in der Kajüte; wir schrieben den Namen des Propheten auf Pergament
und auch das Sprüchlein des Großvaters dazu und banden es um die
eingezogenen Segel. Ängstlich warteten wir in unserem Kämmerchen
den Erfolg ab. Der Spuk schien diesmal noch ärger zu toben, aber
siehe, am anderen Morgen waren die Segel noch aufgerollt, wie wir sie
verlassen hatten. Wir spannten den Tag über nur so viele Segel auf,
als nötig waren, das Schiff sanft fortzutreiben, und so legten wir in
fünf Tagen eine gute Strecke zurück.
Endlich, am Morgen des sechsten Tages, entdeckten wir in geringer
Ferne Land, und wir dankten Allah und seinem Propheten für unsere
wunderbare Rettung. Diesen Tag und die folgende Nacht trieben wir an
einer Küste hin, und am siebenten Morgen glaubten wir in geringer
Entfernung eine Stadt zu entdecken; wir ließen mit vieler Mühe einen
Anker in die See, der alsobald Grund faßte, setzten ein kleines Boot,
das auf dem Verdeck stand, aus und ruderten mit aller Macht der Stadt
zu. Nach einer halben Stunde liefen wir in einen Fluß ein, der sich
in die See ergoß, und stiegen ans Ufer. Am Stadttor erkundigten wir
uns, wie die Stadt heiße, und erfuhren, daß es eine indische Stadt
sei, nicht weit von der Gegend, wohin ich zuerst zu schiffen willens
war. Wir begaben uns in eine Karawanserei und erfrischten uns von
unserer abenteuerlichen Reise. Ich forschte daselbst auch nach einem
weisen und verständigen Manne, indem ich dem Wirt zu verstehen gab,
daß ich einen solchen haben möchte, der sich ein wenig auf Zauberei
verstehe. Er führte mich in eine abgelegene Straße, an ein
unscheinbares Haus, pochte an, und man ließ mich eintreten mit der
Weisung, ich solle nur nach Muley fragen.
In dem Hause kam mir ein altes Männlein mit grauem Bart und langer
Nase entgegen und fragte nach meinem Begehr. Ich sagte ihm, ich
suche den weisen Muley, und er antwortete mir, er sei es selbst.
1 comment