Sodann nahm ich mein schärfstes Messer und
schnitt mit einem Zug die Kehle durch. Aber welcher Schrecken! Die
Tote schlug die Augen auf, schloß sie aber gleich wieder, und in
einem tiefen Seufzer schien sie jetzt erst ihr Leben auszuhauchen.
Zugleich schoß mir ein Strahl heißen Blutes aus der Wunde entgegen.
Ich überzeugte mich, daß ich erst die Arme getötet hatte; denn daß
sie tot sei, war kein Zweifel, da es von dieser Wunde keine Rettung
gab. Ich stand einige Minuten in banger Beklommenheit über das, was
geschehen war. Hatte der Rotmantel mich betrogen, oder war die
Schwester vielleicht nur scheintot gewesen? Das letztere schien mir
wahrscheinlicher. Aber ich durfte dem Bruder der Verstorbenen nicht
sagen, daß vielleicht ein weniger rascher Schnitt sie erweckt hätte,
ohne sie zu töten, darum wollte ich den Kopf vollends ablösen; aber
noch einmal stöhnte die Sterbende, streckt sich in schmerzhafter
Bewegung aus und starb. Da übermannte mich der Schrecken, und ich
stürzte schaudernd aus dem Gemach. Aber draußen im Gang war es
finster; denn die Lampe war verlöscht. Keine Spur von meinem
Begleiter war zu entdecken, und ich mußte aufs ungefähr mich im
Finstern an der Wand fortbewegen, um an die Wendeltreppe zu gelangen.
Ich fand sie endlich und kam halb fallend, halb gleitend hinab.
Auch unten war kein Mensch. Die Türe fand ich nur angelehnt, und ich
atmete freier, als ich auf der Straße war; denn in dem Hause war mir
ganz unheimlich geworden. Von Schrecken gespornt, rannte ich in
meine Wohnung und begrub mich in die Polster meines Lagers, um das
Schreckliche zu vergessen, das ich getan hatte. Aber der Schlaf floh
mich, und erst der Morgen ermahnte mich wieder, mich zu fassen. Es
war mir wahrscheinlich, daß der Mann, der mich zu dieser verruchten
Tat, wie sie mir jetzt erschien, verführt hatte, mich nicht angeben
würde. Ich entschloß mich, gleich in mein Gewölbe an mein Geschäft
zu gehen und womöglich eine sorglose Miene anzunehmen. Aber ach!
Ein neuer Umstand, den ich jetzt erst bemerkte, vermehrte noch meinen
Kummer. Meine Mütze und mein Gürtel wie auch meine Messer fehlten
mir, und ich war ungewiß, ob ich sie in dem Zimmer der Getöteten
gelassen oder erst auf meiner Flucht verloren hatte. Leider schien
das erste wahrscheinlicher, und man konnte mich also als Mörder
entdecken.
Ich öffnete zur gewöhnlichen Zeit mein Gewölbe. Mein Nachbar trat zu
mir her, wie er alle Morgen zu tun pflegte, denn er war ein
gesprächiger Mann. "Ei, was sagt Ihr zu der schrecklichen
Geschichte", hub er an, "die heute nacht vorgefallen ist?" Ich tat,
als ob ich nichts wüßte. "Wie, solltet Ihr nicht wissen, von was die
ganze Stadt erfüllt ist? Nicht wissen, daß die schönste Blume von
Florenz, Bianka, die Tochter des Gouverneurs, in dieser Nacht
ermordet wurde? Ach! Ich sah sie gestern noch so heiter durch die
Straßen fahren mit ihrem Bräutigam, denn heute hätten sie Hochzeit
gehabt."
Jedes Wort des Nachbarn war mir ein Stich ins Herz. Und wie oft
kehrte meine Marter wieder; denn jeder meiner Kunden erzählte mir die
Geschichte, immer einer schrecklicher als der andere, und doch konnte
keiner so Schreckliches sagen, als ich selbst gesehen hatte. Um
Mittag ungefähr trat ein Mann vom Gericht in mein Gewölbe und bat
mich, die Leute zu entfernen. "Signore Zaleukos", sprach er, indem
er die Sachen, die ich vermißte, hervorzog, "gehören diese Sachen
Euch zu?" Ich besann mich, ob ich sie nicht gänzlich ableugnen sollte;
aber als ich durch die halbgeöffnete Tür meinen Wirt und mehrere
Bekannte, die wohl gegen mich zeugen konnten, erblickte, beschloß ich,
die Sache nicht noch durch eine Lüge zu verschlimmern, und bekannte
mich zu den vorgezeigten Dingen. Der Gerichtsmann bat mich, ihm zu
folgen, und führte mich in ein großes Gebäude, das ich bald für das
Gefängnis erkannte. Dort wies er mir bis auf weiteres ein Gemach an.
Meine Lage war schrecklich, als ich so in der Einsamkeit darüber
nachdachte. Der Gedanke, gemordet zu haben, wenn auch ohne Willen,
kehrte immer wieder. Auch konnte ich mir nicht verhehlen, daß der
Glanz des Goldes meine Sinne befangen gehalten hatte; sonst hätte ich
nicht so blindlings in die Falle gehen können. Zwei Stunden nach
meiner Verhaftung wurde ich aus meinem Gemach geführt. Mehrere
Treppen ging es hinab, dann kam man in einen großen Saal. Um einen
langen, schwarzbehängten Tisch saßen dort zwölf Männer, meistens
Greise. An den Seiten des Saales zogen sich Bänke herab, angefüllt
mit den Vornehmsten von Florenz; auf den Galerien, die in der Höhe
angebracht waren, standen dicht gedrängt die Zuschauer.
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