Die
Treulose hatte sich mit einem jungen Neapolitaner, den sie im Hause
ihres Vaters kennengelernt hatte, eingeschifft. Mein Bruder, aufs
äußerste empört über diesen Schritt, bot alles auf, die Schuldige zur
Strafe zu ziehen; doch vergebens; seine Versuche, die in Neapel und
Florenz Aufsehen erregt hatten, dienten nur dazu, sein und unser
aller Unglück zu vollenden. Der florentinische Edelmann reiste in
sein Vaterland zurück, zwar mit dem Vorgeben, meinem Bruder Recht zu
verschaffen, der Tat nach aber, um uns zu verderben. Er schlug in
Florenz alle jene Untersuchungen, welche mein Bruder angeknüpft hatte,
nieder und wußte seinen Einfluß, den er auf alle Art sich verschafft
hatte, so gut zu benützen, daß mein Vater und mein Bruder ihrer
Regierung verdächtig gemacht und durch die schändlichsten Mittel
gefangen, nach Frankreich geführt und dort vom Beil des Henkers
getötet wurden. Meine arme Mutter verfiel in Wahnsinn, und erst nach
zehn langen Monaten erlöste sie der Tod von ihrem schrecklichen
Zustand, der aber in den letzten Tagen zu vollem, klarem Bewußtsein
geworden war. So stand ich jetzt ganz allein in der Welt, aber nur
ein Gedanke beschäftigte meine Seele, nur ein Gedanke ließ mich meine
Trauer vergessen, es war jene mächtige Flamme, die meine Mutter in
ihrer letzten Stunde in mir angefacht hatte.
In den letzten Stunden war, wie ich dir sagte, ihr Bewußtsein
zurückgekehrt; sie ließ mich rufen und sprach mit Ruhe von unserem
Schicksal und ihrem Ende. Dann aber ließ sie alle aus dem Zimmer
gehen, richtete sich mit feierlicher Miene von ihrem ärmlichen Lager
auf und sagte, ich könne mir ihren Segen erwerben, wenn ich ihr
schwöre, etwas auszuführen, das sie mir auftragen würde—Ergriffen
von den Worten der sterbenden Mutter, gelobte ich mit einem Eide zu
tun, wie sie mir sagen werde. Sie brach nun in Verwünschungen gegen
den Florentiner und seine Tochter aus und legte mir mit den
fürchterlichsten Drohungen ihres Fluches auf, mein unglückliches Haus
an ihm zu rächen. Sie starb in meinen Armen. Jener Gedanke der
Rache hatte schon lange in meiner Seele geschlummert; jetzt erwachte
er mit aller Macht. Ich sammelte den Rest meines väterlichen
Vermögens und schwor mir, alles an meine Rache zu setzen oder selbst
mit unterzugehen.
Bald war ich in Florenz, wo ich mich so geheim als möglich aufhielt;
mein Plan war um vieles erschwert worden durch die Lage, in welcher
sich meine Feinde befanden. Der alte Florentiner war Gouverneur
geworden und hatte so alle Mittel in der Hand, sobald er das
geringste ahnte, mich zu verderben. Ein Zufall kam mir zu Hilfe.
Eines Abends sah ich einen Menschen in bekannter Livree durch die
Straßen gehen; sein unsicherer Gang, sein finsterer Blick und das
halblaut herausgestoßene "Santo sacramento", "Maledetto diavolo"
ließen mich den alten Pietro, einen Diener des Florentiners, den ich
schon in Alessandria gekannt hatte, erkennen. Ich war nicht in
Zweifel, daß er über seinen Herrn in Zorn geraten sei, und beschloß,
seine Stimmung zu benützen. Er schien sehr überrascht, mich hier zu
sehen, klagte mir sein Leiden, daß er seinem Herrn, seit er
Gouverneur geworden, nichts mehr recht machen könne, und mein Gold,
unterstützt von seinem Zorn, brachte ihn bald auf meine Seite. Das
Schwierigste war jetzt beseitigt; ich hatte einen Mann in meinem
Solde, der mir zu jeder Stunde die Türe meines Feindes öffnete, und
nun reifte mein Racheplan immer schneller heran. Das Leben des alten
Florentiners schien mir ein zu geringes Gewicht, dem Untergang meines
Hauses gegenüber, zu haben. Sein Liebstes mußte er gemordet sehen,
und dies war Bianka, seine Tochter. Hatte ja sie so schändlich an
meinem Bruder gefrevelt, war ja doch sie die Ursache unseres Unglücks.
Gar erwünscht kam sogar meinem rachedürstigen Herzen die Nachricht,
daß in dieser Zeit Bianka zum zweitenmal sich vermählen wollte, es
war beschlossen, sie mußte sterben. Aber mir selbst graute vor der
Tat, und auch Pietro traute sich zu wenig Kraft zu; darum spähten wir
umher nach einem Mann, der das Geschäft vollbringen könne. Unter den
Florentinern wagte ich keinen zu dingen, denn gegen den Gouverneur
würde keiner etwas Solches unternommen haben. Da fiel Pietro der
Plan ein, den ich nachher ausgeführt habe; zugleich schlug er dich
als Fremden und Arzt als den Tauglichsten vor. Den Verlauf der Sache
weißt du. Nur an deiner großen Vorsicht und Ehrlichkeit schien mein
Unternehmen zu scheitern. Daher der Zufall mit dem Mantel.
Pietro öffnete uns das Pförtchen an dem Palast des Gouverneurs; er
hätte uns auch ebenso heimlich wieder hinausgeleitet, wenn wir nicht,
durch den schrecklichen Anblick, der sich uns durch die Türspalte
darbot, erschreckt, entflohen wären. Von Schrecken und Reue gejagt,
war ich über zweihundert Schritte fortgerannt, bis ich auf den Stufen
einer Kirche niedersank. Dort erst sammelte ich mich wieder, und
mein erster Gedanke warst du und dein schreckliches Schicksal, wenn
man dich in dem Hause fände. Ich schlich an den Palast, aber weder
von Pietro noch von dir konnte ich eine Spur entdecken; das Pförtchen
aber war offen, so konnte ich wenigstens hoffen, daß du die
Gelegenheit zur Flucht benützt haben könntest.
Als aber der Tag anbrach, ließ mich die Angst vor der Entdeckung und
ein unabweisbares Gefühl von Reue nicht mehr in den Mauern von
Florenz. Ich eilte nach Rom. Aber denke dir meine Bestürzung, als
man dort nach einigen Tagen überall diese Geschichte erzählte mit dem
Beisatz, man habe den Mörder, einen griechischen Arzt, gefangen.
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