Zu seinem Großwesir aber sagte er: "Das heiß' ich gut einkaufen,
Mansor! Wie freue ich mich, bis ich ein Tier bin. Morgen früh
kommst du zu mir; wir gehen dann miteinander aufs Feld, schnupfen
etwas Weniges aus meiner Dose und belauschen dann, was in der Luft
und im Wasser, im Wald und Feld gesprochen wird!"
Kaum hatte am anderen Morgen der Kalif Chasid gefrühstückt und sich
angekleidet, als schon der Großwesir erschien, ihn, wie er befohlen,
auf dem Spaziergang zu begleiten. Der Kalif steckte die Dose mit dem
Zauberpulver in den Gürtel, und nachdem er seinem Gefolge befohlen,
zurückzubleiben, machte er sich mit dem Großwesir ganz allein auf den
Weg. Sie gingen zuerst durch die weiten Gärten des Kalifen, spähten
aber vergebens nach etwas Lebendigem, um ihr Kunststück zu probieren.
Der Wesir schlug endlich vor, weiter hinaus an einen Teich zu gehen,
wo er schon oft viele Tiere, namentlich Störche, gesehen habe, die
durch ihr gravitätisches Wesen und ihr Geklapper immer seine
Aufmerksamkeit erregt hatten.
Der Kalif billigte den Vorschlag seines Wesirs und ging mit ihm dem
Teich zu. Als sie dort angekommen waren, sahen sie einen Storch
ernsthaft auf und ab gehen, Frösche suchend und hier und da etwas vor
sich hinklappernd. Zugleich sahen sie auch weit oben in der Luft
einen anderen Storch dieser Gegend zuschweben.
"Ich wette meinen Bart, gnädigster Herr", sagte er Großwesir, "wenn
nicht diese zwei Langfüßler ein schönes Gespräch miteinander führen
werden. Wie wäre es, wenn wir Störche würden?"
"Wohl gesprochen!" antwortete der Kalif. "Aber vorher wollen wir
noch einmal betrachten, wie man wieder Mensch wird.—Richtig!
Dreimal gen Osten geneigt und mutabor gesagt, so bin ich wieder Kalif
und du Wesir. Aber nur um Himmels willen nicht gelacht, sonst sind
wir verloren!"
Während der Kalif also sprach, sah er den anderen Storch über ihrem
Haupte schweben und langsam sich zur Erde lassen. Schnell zog er die
Dose aus dem Gürtel, nahm eine gute Prise, bot sie dem Großwesir dar,
der gleichfalls schnupfte, und beide riefen: mutabor!
Da schrumpften ihre Beine ein und wurden dünn und rot, die schönen
gelben Pantoffeln des Kalifen und seines Begleiters wurden
unförmliche Storchfüße, die Arme wurden zu Flügeln, der Hals fuhr aus
den Achseln und ward eine Elle lang, der Bart war verschwunden, und
den Körper bedeckten weiche Federn.
"Ihr habt einen hübschen Schnabel, Herr Großwesir", sprach nach
langem Erstaunen der Kalif. "Beim Bart des Propheten, so etwas habe
ich in meinem Leben nicht gesehen." "Danke untertänigst", erwiderte
der Großwesir, indem er sich bückte, "aber wenn ich es wagen darf,
möchte ich behaupten, Eure Hoheit sehen als Storch beinahe noch
hübscher aus denn als Kalif. Aber kommt, wenn es Euch gefällig ist,
daß wir unsere Kameraden dort belauschen und erfahren, ob wir
wirklich Storchisch können."
Indem war der andere Storch auf der Erde angekommen; er putzte sich
mit dem Schnabel seine Füße, legte seine Federn zurecht und ging auf
den ersten Storch zu. Die beiden neuen Störche aber beeilten sich,
in ihre Nähe zu kommen, und vernahmen zu ihrem Erstaunen folgendes
Gespräch:
"Guten Morgen, Frau Langbein, so früh schon auf der Wiese?"
"Schönen Dank, liebe Klapperschnabel! Ich habe mir nur ein kleines
Frühstück geholt. Ist Euch vielleicht ein Viertelchen Eidechs
gefällig oder ein Froschschenkelein?"
"Danke gehorsamst; habe heute gar keinen Appetit. Ich komme auch
wegen etwas ganz anderem auf die Wiese. Ich soll heute vor den
Gästen meines Vaters tanzen, und da will ich mich im stillen ein
wenig üben."
Zugleich schritt die junge Störchin in wunderlichen Bewegungen durch
das Feld. Der Kalif und Mansor sahen ihr verwundert nach; als sie
aber in malerischer Stellung auf einem Fuß stand und mit den Flügeln
anmutig dazu wedelte, da konnten sich die beiden nicht mehr halten;
ein unaufhaltsames Gelächter brach aus ihren Schnäbeln hervor, von
dem sie sich erst nach langer Zeit erholten. Der Kalif faßte sich
zuerst wieder: "Das war einmal ein Spaß", rief er, "der nicht mit
Gold zu bezahlen ist; schade, daß die Tiere durch unser Gelächter
sich haben verscheuchen lassen, sonst hätten sie gewiß auch noch
gesungen!"
Aber jetzt fiel es dem Großwesir ein, daß das Lachen während der
Verwandlung verboten war. Er teilte seine Angst deswegen dem Kalifen
mit. "Potz Mekka und Medina! Das wäre ein schlechter Spaß, wenn ich
ein Storch bleiben müßte! Besinne dich doch auf das dumme Wort, ich
bring' es nicht heraus."
"Dreimal gen Osten müssen wir uns bücken und dazu sprechen:
mu—mu—mu—"
Sie stellten sich gegen Osten und bückten sich in einem fort, daß
ihre Schnäbel beinahe die Erde berührten; aber, o Jammer! Das
Zauberwort war ihnen entfallen, und so oft sich auch der Kalif bückte,
so sehnlich auch sein Wesir mu—mu dazu rief, jede Erinnerung daran
war verschwunden, und der arme Chasid und sein Wesir waren und
blieben Störche.
Traurig wandelten die Verzauberten durch die Felder, sie wußten gar
nicht, was sie in ihrem Elend anfangen sollten. Aus ihrer
Storchenhaut konnten sie nicht heraus, in die Stadt zurück konnten
sie auch nicht, um sich zu erkennen zu geben; denn wer hätte einem
Storch geglaubt, daß er der Kalif sei, und wenn man es auch geglaubt
hätte, würden die Einwohner von Bagdad einen Storch zum Kalif gewollt
haben?
So schlichen sie mehrere Tage umher und ernährten sich kümmerlich von
Feldfrüchten, die sie aber wegen ihrer langen Schnäbel nicht gut
verspeisen konnten. Auf Eidechsen und Frösche hatten sie übrigens
keinen Appetit, denn sie befürchteten, mit solchen Leckerbissen sich
den Magen zu verderben. Ihr einziges Vergnügen in dieser traurigen
Lage war, daß sie fliegen konnten, und so flogen sie oft auf die
Dächer von Bagdad, um zu sehen, was darin vorging.
In den ersten Tagen bemerkten sie große Unruhe und Trauer in den
Straßen; aber ungefähr am vierten Tag nach ihrer Verzauberung saßen
sie auf dem Palast des Kalifen, da sahen sie unten in der Straße
einen prächtigen Aufzug; Trommeln und Pfeifen ertönten, ein Mann in
einem goldbestickten Scharlachmantel saß auf einem geschmückten Pferd,
umgeben von glänzenden Dienern, halb Bagdad sprang ihm nach, und
alle schrien: "Heil Mizra, dem Herrscher von Bagdad!"
Da sahen die beiden Störche auf dem Dache des Palastes einander an,
und der Kalif Chasid sprach: "Ahnst du jetzt, warum ich verzaubert
bin, Großwesir? Dieser Mizra ist der Sohn meines Todfeindes, des
mächtigen Zauberers Kaschnur, der mir in einer bösen Stunde Rache
schwur. Aber noch gebe ich die Hoffnung nicht auf—Komm mit mir, du
treuer Gefährte meines Elends, wir wollen zum Grabe des Propheten
wandern, vielleicht, daß an heiliger Stätte der Zauber gelöst wird."
Sie erhoben sich vom Dach des Palastes und flogen der Gegend von
Medina zu.
Mit dem Fliegen wollte es aber nicht gar gut gehen; denn die beiden
Störche hatten noch wenig Übung. "O Herr", ächzte nach ein paar
Stunden der Großwesir, "ich halte es mit Eurer Erlaubnis nicht mehr
lange aus; Ihr fliegt gar zu schnell! Auch ist es schon Abend, und
wir täten wohl, ein Unterkommen für die Nacht zu suchen."
Chasid gab der Bitte seines Dieners Gehör; und da er unten im Tale
eine Ruine erblickte, die ein Obdach zu gewähren schien, so flogen
sie dahin. Der Ort, wo sie sich für diese Nacht niedergelassen
hatten, schien ehemals ein Schloß gewesen zu sein. Schöne Säulen
ragten unter den Trümmern hervor, mehrere Gemächer, die noch ziemlich
erhalten waren, zeugten von der ehemaligen Pracht des Hauses. Chasid
und sein Begleiter gingen durch die Gänge umher, um sich ein
trockenes Plätzchen zu suchen; plötzlich blieb der Storch Mansor
stehen. "Herr und Gebieter", flüsterte er leise, "wenn es nur nicht
töricht für einen Großwesir, noch mehr aber für einen Storch wäre,
sich vor Gespenstern zu fürchten! Mir ist ganz unheimlich zumute;
denn hier neben hat es ganz vernehmlich geseufzt und gestöhnt." Der
Kalif blieb nun auch stehen und hörte ganz deutlich ein leises Weinen,
das eher einem Menschen als einem Tiere anzugehören schien. Voll
Erwartung wollte er der Gegend zugehen, woher die Klagetöne kamen;
der Wesir aber packte ihn mit dem Schnabel am Flügel und bat ihn
flehentlich, sich nicht in neue, unbekannte Gefahren zu stürzen.
Doch vergebens! Der Kalif, dem auch unter dem Storchenflügel ein
tapferes Herz schlug, riß sich mit Verlust einiger Federn los und
eilte in einen finsteren Gang.
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