Dann wurde geplättet. Thilde war in einer apart guten Laune. »Sieh nur, wie er glüht.« Und dann schlug sie den Schieber mit einem Feuerhaken zu.
»Hast du auch die Billetter, Thilde«, das waren die letzten Worte, die vor Verlassung der Wohnung gesprochen wurden. Ihr Mieter Hugo Großmann hatte sich den ganzen Tag nicht sehn lassen, wodurch er der Begleitungsfrage klug entgangen war.
Kosinsky war dreimal gerufen worden, und die Alte, die nicht klatschen wollte, hatte sich begnügt, dem Darsteller der Rolle zuzunicken, als er sich grade nach der andren Seite hin bedankte. Dann sagte sie zu Thilde, während der Lärm noch fortdauerte: »Er macht es recht gut, er hat soviel Anstand. Es muß doch sehr schwer sein.«
»I Gott bewahre«, sagte Thilde, die sich ablehnend gegen alles verhielt, weil sie bemerkte, daß Hugo vermied, nach dem zweiten Range hinaufzusehn. Einmal geschah es, und nun grüßte er auch, aber sehr steif und förmlich. Sie legte sich's aber schließlich doch zum Guten zurecht, und als der große Traum kam und eben das weiße Haar in die Waagschale des Gerichts fiel, sagte sie sich: Es ist ein gutes Zeichen, daß er nich raufsieht, weil er kein Leichtfuß ist und es ernst nimmt. Er sagt sich, all so was hat eine Tragweite... ja, von Tragweite hat er schon ein paarmal zu mir gesprochen... Und so ganz abgeschlossen hat er noch nicht... er nimmt es nicht als Spaß... Sie kam in ihren Betrachtungen nicht weiter, weil die Alte sagte: »Sieh doch mal nach, Thilde, wer der alte Diener ist; er zittert ja so furchtbar.«
»Ach, laß doch«, sagte Thilde und reichte der Alten die Tüte mit Drops zurück, die sie mitgenommen hatte.
Seitens der Möhrings waren Mantel und Hut draußen abgegeben worden, Thilde hatte drauf bestanden. »Mutter«, hatte sie gesagt, »du weißt doch, daß ich's zusammenhalte. Aber mitunter muß man, und mitunter ist Anständigkeit auch das klügste.«
»Na, wenn du meinst, Thilde. Wir wollen es aber auf eine Nummer geben.«
Jetzt hatten sie sich eingemummelt und stiegen die Treppe hinunter. Unten in der Vorhalle verweilte sich Thilde, weil sie's für möglich hielt, daß ihr Mieter an einer der Barren stehn und auf sie warten würde. Aber er war nicht da. Das gab eine neue Verstimmung, und einen Augenblick überkam die sonst unerschütterliche Thilde die Frage: »Ob ich mich doch vielleicht irre?« Sie war aber, weil sie den Charakter ihres Mieters ganz genau zu kennen glaubte, von einem unvertilgbaren Optimismus oder Hoffnungsseligkeit und sagte sich: er muß natürlich seinen Freund beglückwünschen, und er kann nicht an zwei Stellen zugleich sein.
Erst nach zehn waren sie zu Hause, was nichts schadete, da sie den Hausschlüssel mithatten. »Siehst du, Thilde, wie gut«, sagte die Alte, als sie den Hausschlüssel aus ihrer Tasche hervorholte.
»Ach, Mutter, als ob ich nicht gewollt hätte. Natürlich. Ich dachte ja sogar, wir könnten erst um elfe kommen.«
Auf der Treppe trafen sie den Portier, der eben das Gas ausmachte. »Soll ja sehr schön gewesen sein«, sagte dieser.
»Gott, Krieghoff, wissen Sie denn schon?«
»Ja, meine Ida war auch da; Ida ist immer da. Sie kennt welche von's Theater.«
»Na, das ist recht«, sagte Thilde. »Theater bildet.«
Und damit stiegen Mutter und Tochter höher die Treppe hinauf, während der Portier, in einem Anfall von Wohlwollen, ihnen noch eine halbe Treppe hinaufleuchtete.
Oben sagte Thilde: »Nu, Mutter, wollen wir uns einen Tee aufgießen und warten, bis er kommt. Er wird uns wohl auch noch sehn wollen und hören, ob wir uns amüsiert haben.«
»Ach, Thilde, es war ja doch so graulich. Der alte Mann. Und wie er aussah, wie er da rauskam und der andre gleich rin. Na, da fiel mir 'n Stein vom Herzen. Wenn ich mir denke, daß so einer noch frei rumliefe...«
»Das kann er ja gar nich, Mutter; es ist ja schon so lange her.
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