Geht es verloren, so steigt sie herab zu den übrigen.

Bei uns zerstörten die Freiheiten die Freiheit, die Gerechtigkeiten die Gerechtigkeit. Jedes Privilegium, jede Realimmunität ist ganz gewiß der erste Schritt zur Sklaverei, so wie es die erste öffentliche Ungerechtigkeit ist. Das ist unser Urteil. Das sehen alle Vernünftigen; aber niemand hat den Mut, den Anfang zur Gerechtigkeit zu machen. So mögen wir denn die Schmach unsrer Schwäche tragen! Die Franzosen werden freilich jetzt hart gedrückt, aber welche Nation hat auch getan, was sie getan haben? Wo findet man ihresgleichen in der Geschichte? Das tat der Geist, der in ihnen erwacht ist. Schläft dieser Geist wieder ein, so sinken sie wieder zurück. Aber ehe er wieder einschläft, kann er noch viel um sich her zertrümmern, so wie er schon viel zertrümmert hat. Ich erinnere mich, daß vor einiger Zeit einige Franzosen sich bitter beklagten über die Menge und Größe der Abgaben, die sie bezahlen. »Wollt ihr dieses?« fragte ich sie und hielt ihnen ein deutsches Steuerkataster vor. Sie fuhren elektrisch auf. »Nein, bei Gott«, riefen sie; »wir wollen geben, solange wir können; und wir wollen schlagen, solange die letzten Knochen halten. Wir tragen wenigstens gleich und haben alle nur eine Furcht und eine Hoffnung.« Das ist wahr; und dieses macht sie stark. Ob das lange währen wird, mag der Zeit bleiben. Ich glaube leider, die Keime des Verderbens wieder unter ihnen schlummern zu sehen.

Die Römer und Griechen hatten ein starkes Gefühl, aber keinen Begriff von Naturrecht und Völkerrecht. Ihre Geschichte ist Beleg. Die unglücklichen Gracchen sind die einzigen, in deren Seele ein Schimmer von öffentlicher Gerechtigkeit gefallen zu sein scheint. Als unsere Vorfahren, die Barbaren, eroberten, war, trotz des vielen Redens davon, bei ihnen kein Gedanke von Freiheit und Gerechtigkeit. Man schlug und vertilgte und machte Sklaven. Der sogenannte Freie oder Edelmann war der Zügellose; die Überwundenen wurden zur Schande der Menschenvernunft und der Religion als Dinge behandelt. Ich habe das Recht, meinen Feind zu töten, aber nicht das Recht, ihn zum Sklaven zu machen. Sklaverei ist mehr Erniedrigung als Tod, also ist der Tod das Minus. Es ist hier kein Paktum, oder es wäre null, und ohne Paktum ist kein Verhältnis. Der strenge Beweis gehört nicht hierher. Nur der Edelmann war Person; einige Städte ausgenommen, waren die übrigen ganz ohne Haupt, sine capite im Sinne des römischen Unrechts. Der Unsinn leuchtet freilich ein; aber wie vieles dieser Art leuchtet nicht ein und dauert doch Jahrhunderte und vielleicht Jahrtausende?

Die Staaten waren damals einfacher, der Adel etwas anderes und in dem Chaos verhältnismäßig auch etwas besseres. Er allein trug die Last und tat und handelte. Von den übrigen war keine Frage. Die Zeiten änderten sich; man brauchte mehr, von innen und nach außen. Der Adel wollte nicht geben, denn die jetzige Seele des Adels ist ja nichts beitragen und alles genießen. Adel nenne ich die Inhaber der Privilegien und Immunitäten; alles übrige ist Kleinigkeit.