Gern wäre ich nach Meffersdorf hinübergewandelt, aber meine Zeit erlaubte hier keinen Abstecher. Von Görlitz und Waldau aus hat man rechts einige Tage lang auf vielen Punkten die Aussicht in das Riesengebirge. Vorzüglich schön erschien es mir auf der Anhöhe zwischen Waldau und Bunzlau bei untergehender Sonne; und das Bobertal macht vor Bunzlau abends im Mondschein eine romantische Fahrt. Die Leutchen in Gnadenberg leben fast durchaus wie die Leutchen in Herrenhuth, und eine Kolonie sieht der andern so ähnlich wie Tücher nach ebendemselben Muster aus ebenderselben Fabrik. Ich bin den Anstalten gar nicht abhold, und bedaure nur, daß man in der übrigen Welt nicht ebensoviel Gemeinsinn, Fleiß und Ordnung hat, bei etwas mehr Vernunft und Klarheit.

Es geht doch nichts über die Momente, wo man das Gute des Lebens mit seinen Freunden oder allein in der Erinnerung noch einmal genießt. Was dann noch Vergnügen gibt, hält gewiß die Probe. Ein Freund in der Gegend aus dem Vaterlande schickte mich längs den Sudeten hin; und ich suchte auf der Fahrt die Punkte, wo ich das ganze große, herrliche Gebirge übersehen konnte. Von allen Gebirgen, die ich noch gesehen habe, ist das Riesengebirge eines der schönsten und fruchtbarsten. Bloß der Ätna ist beides mehr, und der Apennin zwischen Florenz und Bologna macht ihm den Rang streitig. Von den Alpen wird es übertroffen an furchtbarer Größe und Erhabenheit, aber nicht an Freundlichkeit und Reichtum der Natur. Jetzt lebte ich zusammengedrängt den Frühling des letzten Jahres noch einmal und sah in der Ferne mit Augen, oder suchte mit dem Geiste, die vorzüglichsten Stellen des großen Rückens. Dort hob sich in der Abendsonne majestätisch das Schneehaupt des Riesen empor, wo ich den vorigen April, wie einst auf dem Ätna, der erste war, der sich durch Sturmwetter hinaufarbeitete und durch das magische Luftgewebe in die Täler herabsah. An seiner Schulter sah ich im Geist die Paude mit dem freundlichen Wirt und weiter herab die Paude mit dem unfreundlichen Namen. Rechts herüber lagen sichtbar die Schneegruben und weiter hin der Reifenstein; und weiter hin zog sich das lange, lange Joch bis an die vaterländische Tafelfichte. Tiefer verfolgte ich die Krümmungen bis an den Zackenfall und durchstrich an den Flüssen herab und herauf das ganze reizende Tal von Warmbrunn und Hirschberg und Schmiedeberg. Einen schöneren Winkel der Erde trifft man nur selten, und selten bessere Menschen. Vor mir stand in friedlicher, freundlicher Einsamkeit der Gräzberg mit der alten Ruine auf seiner Stirne wo ich im letzten Frühling die ersten Veilchen pflückte und die erste Nachtigall schlagen hörte. Der alte, berüchtigte Zobte beschloß den Gesichtskreis, und die Phantasie verlor sich sanft jenseits in Böhmen in dem Steinlabyrinthe zu Adersbach. Mit einiger Mühe unterdrücke ich einige schwärmerische Reime vom letzten ersten Mai in der Schlucht des Zackenfalles und vernichte sie hiermit, damit ich nicht künftig in Versuchung gerate, Dich oder sonst jemand damit zu quälen.

Die Ebene von Liegnitz ist vielleicht eine der größten in Europa; die bei Chalons ist nicht größer. Die Dörfer in Schlesien haben meistens das Ansehen von Wohlhabenheit. Die Häuser sind zwar alle nur mit Stroh gedeckt, aber Schornstein und Fenster und Türe sind überall ziemlich nett und reinlich, und diese nehme ich immer zur Probe guter Haushaltung und liberaler Bewirtschaftung. Vor den Dörfern ist allemal der Name derselben auf einer Tafel an einem Pfosten geschrieben; eine Anordnung, die man, wie ich höre, dem Minister dankt, und die zu der guten Landespolizei nicht wenig beitragen muß! Die Schrift ist aber überall jetzt schon wieder seht unleserlich und braucht Auffrischung. Man täte vielleicht nicht übel, zu eben diesem Behufe jeden Hauswirt seinen Namen mit der Nummer über seine Türe schreiben zu lassen, wie ich wirklich in einigen Orten, ich weiß nicht wo, gesehen habe. Das gibt auch jedem Eigentümer ein Ansehen von Wichtigkeit, das ihm als Staatsbürger und vorzüglichem Kontribuenten wirklich zukommt. Alles klagt hier über Teuerung, der Scheffel Korn kostet schon sechs Taler und der Hafer drei; und beides ist fast nicht zu haben. Weit kläglicher ist es jenseits der Berge in Böhmen, wo eine förmliche Hungersnot sein soll. Die Ausfuhr ist, wie überall, streng verboten, aber es wird dennoch viel hinübergeschafft. »Unsere Nachbarn haben uns gefüttert, als wir Not hatten«, sagten die Schlesier ganz laut, »wir können sie also doch jetzt nicht verhungern lassen.« Wer vermag nun zu entscheiden, ob dies Menschlichkeit oder Gewinnsucht ist. Ein Glück ist es, daß die Vorsehung die Leidenschaften in das gemeinsame Wohl mit verflochten hat. Aus reiner Vernunft wird wohl der Mensch, so wie er jetzt politisch und moralisch ist, wenig Gutes tun.

Hier in Breslau hörte ich in der Elisabethkirche den Tod Jesu von Graun.