»Hat einer von euch vielleicht ’ne Kanone bei sich?«

›Rotbart‹ breitete einladend die Arme aus. Der Kriminalbeamte durchsuchte schnell erst den einen und dann den anderen. Keine Waffe kam zum Vorschein.

»Das wäre in Ordnung«, sagte der Beamte heiter. »Ich sehe euch also gegen neun am Bahnhof?«

»Unbedingt«, sagte ›Rotbart‹ ebenso herzlich.

Der Beamte ging hinunter und durch die Halle, um zu telefonieren. Der Engländer war nicht mehr da.

»Es gibt Leute, die gleich die ganze Welt haben wollen«, klagte der Geschäftsführer. »Seine Hoheit wünschen eine neue Fernstraße.«

»Engländer?«

»Durch und durch«, brummte der Geschäftsführer.

Eine Stunde später kamen ›Rotbart‹ und sein Freund in die Halle hinunter und wurden stille Zuschauer einer Zeremonie.

Eine Anzahl übermütiger junger Männer aus Littleberg hatten einen Kreis um einen verschüchterten Jüngling gebildet und sangen im Chor ein unanständiges Lied, in dem neben Anspielungen auf die Hochzeitsnacht von der Geizigkeit der Waterschen Familie im allgemeinen und der Geizigkeit Sam Waters im besonderen die Rede war.

»Aber wirklich, hört mal, das ist zuviel!« rief der Betroffene.

Der Kreis verteilte sich in kleine Gruppen, jede der Gruppen für sich ziemlich lärmend.

»Es stimmt aber, Sam! Bist wirklich ein geiziger Kerl!«

»Aber, wirklich … Kommt mit mir in meine Wohnung …!«

Die Menge wogte schwankend zur Tür. Mr. Bennett, Besitzer vom ›Berghaus‹ rieb sich die Hände im Hintergrund und sah zum erstenmal, seit diese Gemeinde in sein Haus eingedrungen war, wieder glücklich aus.

Die Wohnung von Sam Water lag über der Garage seines geduldigen Vaters. Hier gab Sam von Zeit zu Zeit Festlichkeiten. Es gab geheime Schränke, worin das scharfe Zeug aufbewahrt wurde, und eine eigenartige Sammlung von Gläsern.

Gegen Schluß des Nachmittags machte Sam einen Vorschlag.

»Zuhören, Kerls … hab’ ‘ne Idee. Ein alter ›Penner‹ hockt droben im Wald … netter Kerl … Mann von Welt. Wollen hingehen, ihm was zu saufen geben. Wetten, daß er so was seit Jahren nicht geschmeckt hat … Wir wollen alle Brüder sein, die herrliche Vereinigung von Männern, die die große freie Natur lieben … Wir wollen …«

3

Mrs. Elmer ging wiederholt ins Schlafzimmer. Den ganzen Tag hatte sie vergeblich versucht, in Oktober das Bewußtsein ihrer Verantwortung zu wecken.

»Du würdest einem Stein das Herz brechen«, sagte Mrs. Elmer bitter.

Sie war eine erschreckend dünne Frau mit einem Gesicht, das aus lauter Ecken bestand, und ihre Art war unveränderlich mürrisch.

»Wie kann ich denn für dich packen, Oktober? Ich weiß ja gar nicht, was du mitnehmen willst.«

Oktober legte ihr Buch nieder und sah die dünne Frau nachdenklich an.

»Irgend etwas. Was trägt denn überhaupt eine Braut?«

Es war das erstemal, daß sie auch nur einen Funken Interesse zeigte.

»Dein Blaues, das Seidene. Mr. Elmer war der Meinung, daß es, da die Hochzeit in aller Stille stattfinden soll, eine Geldverschwendung gewesen wäre, etwas Neues zu kaufen …«

»Großer Gott«, stöhnte Oktober, »wer will denn etwas Neues? Wie es Ihnen paßt, Mr. Elmer. Nur nicht zuviel mitnehmen, ich möchte nicht die Mühe des Auspackens haben.«

»Kannst du denn gar nichts tun?« fragte die gereizte Dame. »Erwartest du von mir, ich soll mir über deinen Koffern den Rücken zerbrechen?«

»Dann packen Sie nicht«, sagte Oktober und kehrte zu ihrem Buch zurück.

Sie nahm ihr Abendessen allein in ihrem Zimmer ein. Sie las, den Kopf auf eine Hand gestützt, als Mrs. Elmer in knisternder schwarze Seide zu ihr hereinflatterte.

»Herr Pfarrer Stevens ist da«, flüsterte sie, als sei diese Nachricht zu heilig, laut ausgesprochen zu werden.

Oktober legte ihr Buch hin, wobei sie vorsichtig das Lesezeichen befestigte, schüttelte ihre Haare mit einer schnellen Bewegung zurück und stand auf.

»Was will er denn eigentlich?« fragte sie überraschenderweise. Mrs. Elmer fiel nicht in Ohnmacht. »Du wirst doch getraut, nicht wahr?« fragte sie heftig.

»Ach so!«

Normalerweise war der Salon im Birkenhof ein kahles, freudloses Zimmer. Man hatte versucht, das Zimmer durch Blumen freundlicher zu gestalten. Mr. Elmer in seiner Sonntagskleidung und Pfarrer Stevens in Schwarz waren imposante Erscheinungen.