Wo würden dann aber jene Bilder sein? Würde ich sie wirklich, wenn ich einmal gegen mein Lebensende im siebenundneunzigsten oder achtundneunzigsten Jahre in eine andere Stadt oder in ein anderes Haus übersiedelte, in den Wägen zu verfahren haben? Oder werden sie zerstreut sein?

Dies führt mich auf einen weiteren Zustand meines Malertums. Ich habe nämlich das Glück, daß ich kein Bild verkaufen muß. Ich werde auch keines verkaufen. Ich habe an Geld und Gut so viel, daß ich, und wenn ich ein Weib mit sieben Kindern hätte, mit allen davon reichlich leben könnte. Ich werde aber gar niemals ein Weib bekommen, weil mir an einem solchen gar nichts liegt.

Mein Oheim sagte, als mein Vater Bedenken über meine Malerangelegenheiten äußerte: »Lasse dem Narren das Ding, er muß etwas haben, daran er mit den Hörnern stößt, und wenn du es ihm nimmst, so ergötzt er sich vielleicht daran, sein Geld zu verschwenden.« Nun, mit dem Verschwenden hat es seine guten Wege. Farben, Leinwand, Pinsel, Malerstäbe sind nicht teuer, sonst brauche ich nicht viel, und so wird das Geld immer mehr. Aber, was ich mit den Bildern, falls sie am Leben bleiben werden, tue? Das weiß ich noch nicht. Jetzt, wenn ich ein Bild male, und wenn Zug nach Zug so gelingt, so habe ich eine Freude daran, daß ich das Bild um keinen Preis hergäbe, man möchte mir Geld oder gute Worte, oder Verwandtschaftsliebe dafür bieten, bis ich es nach und nach verderbe und verbrenne.

Bleiben also doch Bilder übrig, und ändere ich diesen Sinn nicht, so habe ich endlich wirklich alle meine Bilder in meiner Wohnung beisammen, oder in den Räumen, die ich dafür miete. Ändere ich meinen Sinn, was sehr übel wäre, so habe ich eine Schwester, die Kinder hat; so haben meine zwei Oheime Kinder, diese Kinder bekommen einst Kinder, welche wieder Kinder bekommen, so daß ich bei dem hohen Alter, welches ich erreichen werde, Nichten, Neffen, Geschwisterkinder, Urnichten, Urneffen, Urgeschwisterkinder, Ururnichten, Ururneffen, Ururgeschwisterkinder, und so weiter, in großer Zahl haben werde, unter welche ich meine Bilder als Geschenke verteilen kann.

Meine Großmutter sagt, daß unsere Vorfahren immer zahlreiche Nachkommenschaften gehabt haben, und daß das Geschlecht nie so zusammengeschmolzen gewesen wäre, wie eben jetzt: sich aber wieder auszudehnen beginne, indem ihre jüngeren Söhne schon so viele Kinder haben, und noch mehr zu bekommen hoffen dürfen, welche Hoffnung bei meinem Vater auch noch nicht vorüber wäre. Und wären jene Oheime und Großoheime und Tanten nicht gestorben, von denen ich mein Geld geerbt habe, so würde das Geschlecht noch ausgedehnter geworden sein; das könnte nun einen Maler in Atem erhalten, der es mit Landschaften zu versorgen hätte. Mögen sie sich ausdehnen, ich dehne mich nicht aus, wie mein Großoheim sich nicht ausgedehnt hat, der so unendlich viele Hasen geschossen hat, bis er ohne Kind und Kegel gestorben ist.

Da bin ich in dem Lüpfinger Tale, an das mich auch eine Hexe gebannt hat. Es ist gar nicht schön, und hat ein langes Moor, von dem man das Fieber bekommt. Ich bekomme aber nicht das Fieber, denn ich war schon einmal da und bekam kein Fieber, sondern ich suchte das Moor und den daranstoßenden einfärbigen Fichtenwald und die gegenüber liegenden Weidehügel und den hinter ihm liegenden, ebenfalls einfärbigen Fichtenwald und die hinter diesem Fichtenwalde emporstehenden blauen und mit grauen Lichtern glitzernden Berge zu malen. Ich male jetzt wieder daran, weil ich das frühere verbrannt habe. Aber es ist nicht viel zu malen, denn da hat ein unbillig reicher Mann das Schloß Firnberg gekauft, und läßt so viele Steine und Erde in das Moor führen und so viele Gräben von ihm hinwegziehen, daß das Moor kleiner und das Fieber weniger geworden ist. Er hat dann ein Bischen Gras und sehr schlechten Hafer auf dem Moore geerntet. Meine Frau Wirtin auf der Lüpf sagt, es sei jetzt gar nicht mehr der Rede wert, was an Fiebern erkranke, und ich sage, es sei nicht der Rede wert, was man an dem Moore malen könne – aber ich muß es malen, denn der reiche Mann vernichtet es am Ende ganz, und dann ist gar nichts zu malen.

Da ist auch ein Schlammbad mit einem Hause, das zu dem Schlosse Firnberg gehört; der reiche Mann hat das Haus veröden und das Schlammbad verfallen lassen, so daß das Schwein des Wegmachers der letzte Schlammbadegast gewesen sein soll. So ändert sich alles. Wenn nicht das Haus meiner Wirtin auf einem Hügel stände, von dem aus man das ganze noch übrige Moor und die zwei einfärbigen Fichtenwälder und die grauen Hügel gegenüber und die blauen Berge hinten überschauen kann, und wenn nicht der Hügel und das Haus schon seit der Sündflut dem Wirte gehörte, und wenn der jetzige Lüpfwirt nicht alles andere eher täte, als das Haus dem Lüpfgeschlechte zu entziehen und es weg zu geben: der reiche Mann hätte es schon gekauft und vielleicht den Hügel und das Haus in das Moor geworfen.

Wenn der Sohn und der Enkel des Lüpfwirtes dem Vater und Großvater nachschlagen, so werden sie auch ihre kleinen Felder auf den Anhöhen hinter dem Hügel pflügen, den Wanderern, die hier als auf einem Kreuzpunkte der Fußwege von vier Tälern zusprechen, einschenken, und einen Maler in dem oberen Stübchen beherbergen, der die Felder unter sich malt, wenn die Nachkommen des reichen Mannes schon lange statt des Moores nichts mehr haben als eine Wiese mit gelbem Grase und einen Acker mit kurzem Hafer.

Als es gestern seit den drei Tagen, die ich im Lüpfhause bin, zum ersten Male ein wenig wärmer geworden war, setzte ich mich gegen Abend, nachdem ich all mein unter Tags verwendetes Malerzeug geputzt und geordnet hatte, vorne auf den Hügel, wo ein Apfelbaum steht, auf ein Holzbänkchen an eines der vier dort befindlichen Holztischchen, um mein Abendessen zu verzehren. Die Wirtin brachte mir einen gebratenen Fisch, ein Ei, ein Stück weißen Brotes und ein Glas guten Weines, den sie meinetwegen eingelegt hatte. Diese Dinge kann man im Lüpfhause immer frisch bekommen, da die Hühner die Eier legen, der große Bach in der Lüpf Fische hat, und die Wirtin zu ihren Broten immer ein weißes Laibchen bäckt.

Als ich gegessen hatte und mich behaglich der Betrachtung meines Moores hingab, nicht des gemalten, sondern des wirklichen, kam ein Mann zu dem Apfelbaume. Er war mittlerer Größe, hatte ein graues Käppchen auf und graue Kleider an. Seine nicht langen Haupthaare waren weiß, und sein nicht langer, voller Bart war auch weiß. Daraus sahen rote Wangen hervor, und die Augen, die er hatte, waren braun und klar. Er setzte sich zu einem der Tischchen, lüftete das graue Häubchen und wischte sich mit einem weißen Tuche ein wenig Schweiß von der Stirne. Dann lüftete er das Häubchen noch einmal und grüßte mich. Ich erschrak, stand auf und dankte sehr artig; denn es wäre eigentlich an mir, dem jüngeren, gewesen, zuerst zu grüßen.

Die Wirtin brachte ihm in einem geschliffenen Deckelglase Bier und setzte es vor ihn hin. Nach einer Weile lüftete er den Deckel des Glases, blies den weißen Schaum ein wenig weg und kostete das Bier. Ich sage: kostete; denn nicht sieben Fingerhüte voll hatte er getrunken. Nach einer sehr langen Weile trank er wieder, und jetzt mehr.