Und ihre Kinderarme waren

von Dienern um den Welkenden gebunden,

auf dem sie lag die süßen langen Stunden,

ein wenig bang vor seinen vielen Jahren.

Und manchmal wandte sie in seinem Barte

ihr Angesicht, wenn eine Eule schrie;

und alles, was die Nacht war, kam un scharte

mit Bangen un Verlangen sich um sie.

Die Sterne zitterten wie ihresgleichen,

ein Duft ging suchend durch das Schlafgemach,

der Vorhang rührte sich und gab ein Zeichen,

und leise ging ihr Blick dem Zeichen nach—.

Aber sie hielt sich an dem dunkeln Alten

und, von der Nacht der Nächte nicht erreicht,

lag sie auf seinem fürstlichen Erkalten

jungfräulich und wie eine Seele leicht.

 

II

Der König saß und sann den leeren Tag

getaner Taten, ungefühlter Lüste

und seiner Lieblingshündin, der er pflag—.

Aber am Abend wölbte Abisag

sich über ihm. Sein wirres Leben lag

verlassen wie verrufne Meeresküste

unter dem Sternbild ihrer stillen Brüste.

Und manchmal, als ein Kundiger der Frauen,

erkannte er durch seine Augenbrauen

den unbewegten, küsselosen Mund;

und sah: ihres Gefühles grüne Rute

neigte sich nicht herab zu seinem Grund.

Ihn fröstelte. Er horchte wie ein Hund

und suchte sich in seinem letzten Blute.

Abishag

I

She lay. And her childlike arms were bound

by servants around the withering king,

on whom she lay throughout the sweet long hours,

a little frightened of his many years.

And now and then she turned her face

in his beard, whenever an owl cried;

and all that was night came and flocked

around her with fear and longing.

The stars trembled just as she did,

a scent went searching through the sleeping room,

the curtain stirred and made a sign,

and her gaze went softly after it—.

But she kept clinging to the dark old man

and, not reached by what the nights call forth,

lay on his potent slumber’s deepening chill

with virgin lightness, like a buoyant soul.

 

II

The king sat thinking through the empty day

of deeds accomplished, of unfelt pleasures,

and of his favorite dog, on whom he doted.

But in the evening Abishag arched

over him. His tangled life lay

abandoned like an ill-famed coast

beneath the constellation of her silent breasts.

And now and then, as one adept in women,

he recognized through his eyebrows

the unmoved, kissless mouth;

and saw: her feeling’s green divining rod

did not point downward to his depths.

A chill went through him. He hearkened like a hound

and sought himself in his last blood.

David singt vor Saul

I

König, hörst du, wie mein Saitenspiel

Fernen wirft, durch die wir uns bewegen:

Sterne treiben uns verwirrt entgegen,

und wir fallen endlich wie ein Regen,

und es blüht, wo dieser Regen fiel.

Mädchen blühen, die du noch erkannt,

die jetzt Frauen sind und mich verführen;

den Geruch der Jungfraun kannst du spüren,

und die Knaben stehen, angespannt

schlank und atmend, an verschwiegnen Türen.

Daß mein Klang dir alles wiederbrächte.

Aber trunken taumelt mein Getön:

Deine Nächte, König, deine Nächte—,

und wie waren, die dein Schaffen schwächte,

o wie waren alle Leiber schön.

Dein Erinnern glaub ich zu begleiten,

weil ich ahne. Doch auf welchen Saiten

greif ich dir ihr dunkles Lustgestöhn?—

 

II

König, der du alles dieses hattest

und der du mit lauter Leben mich

überwältigest und überschattest:

komm aus deinem Throne und zerbrich

meine Harfe, die du so ermattest.

Sie ist wie ein abgenommner Baum:

durch die Zweige, die dir Frucht getragen,

schaut jetzt eine Tiefe wie von Tagen

welche kommen—, und ich kenn sie kaum.

Laß mich nicht mehr bei der Harfe schlafen;

sieh dir diese Knabenhand da an:

glaubst du, König, daß sie die Oktaven

eines Leibes noch nicht greifen kann?

 

III

König, birgst du dich in Finsternissen,

und ich hab dich doch in der Gewalt.

Sieh, mein festes Lied ist nicht gerissen,

und der Raum wird um uns beide kalt.

Mein verwaistes Herz und dein verworrnes

hängen in den Wolken deines Zornes,

wütend ineinander eingebissen

und zu einem einzigen verkrallt.

Fühlst du jetzt, wie wir uns umgestalten?

König, König, das Gewicht wird Geist.

Wenn wir uns nur aneinander halten,

du am Jungen, König, ich am Alten,

sind wir fast wie ein Gestirn das kreist.

David Sings before Saul

I

King, do you hear how my strings cast

distances, through which we’re winding?

Bewildered stars drift up to us,

and we fall at long last like a rain,

and it flowers where this rain came down.

Girls flower, whom you once knew,

and who now are women tempting me;

you can detect the scent of virgins,

and young boys stand, stretched

slim and breathing, at secluded doors.

That my sound could bring it back to you!

But my music’s reeling drunkenly:

Your nights, King, your nights—,

and how lovely, weakened by your prowess,

O how lovely all those bodies were.

I can just keep pace with your remembering,

since I divine. But on what strings might I

pluck for you their dark moans of pleasure?

 

II

King, you who had all this,

and who with sheer life

overwhelm and overshadow me:

come down from your throne and smash

my harp, which you’re exhausting so.

It’s like a tree picked bare:

through the branches that bore you fruit

a depth now gazes, as of days that

are approaching—, and I scarcely know them.

Let me sleep no longer beside the harp;

take a look at this boyish hand:

do you think, King, that it still can’t

span the octaves of a body?

 

III

King, you ensconse yourself in darknesses,

and still I have you in my grip.

Look, my sturdy song spins on untorn,

and the space around us both grows cold.

My abandoned heart and your entangled one

are hanging in your anger’s clouds,

madly locked in one another’s jaws

and clawed together in a single pulse.

Do you feel now, how we’re changing?

King, King, gravity’s becoming spirit.

If only we can cling to one another,

you to youth, King, I to age,

we’re almost like a circling star.

Josuas Landtag

So wie der Strom am Ausgang seine Dämme

durchbricht mit seiner Mündung Übermaß,

so brach nun durch die Ältesten der Stämme

zum letzten Mal die Stimme Josuas.

Wie waren die geschlagen, welche lachten,

wie hielten alle Herz und Hände an,

als hübe sich der Lärm von dreißig Schlachten

in einem Mund; und dieser Mund begann.

Und wieder waren Tausende voll Staunen

wie an dem großen Tag vor Jericho,

nun aber waren in ihm die Posaunen,

und ihres Lebens Mauern schwankten so,

daß sie sich wälzten von Entsetzen trächtig

und wehrlos schon and überwältigt, eh

sie’s noch gedachten, wie er eigenmächtig

zu Gibeon die Sonne anschrie: steh:

Und Gott ging hin, erschrocken wie ein Knecht,

und hielt die Sonne, bis ihm seine Hände

wehtaten, ob dem schlachtenden Geschlecht,

nur weil da einer wollte, daß sie stände.

Und das war dieser; dieser Alte wars,

von dem sie meinten, daß er nicht mehr gelte

inmitten seines hundertzehnten Jahrs.

Da stand er auf und brach in ihre Zelte.

Er ging wie Hagel nieder über Halmen:

Was wollt ihr Gott versprechen? Ungezählt

stehn um euch Götter, wartend daß ihr wählt.

Doch wenn ihr wählt, wird euch der Herr zermalmen.

Und dann, mit einem Hochmut ohnegleichen:

Ich und mein Haus, wir bleiben ihm verhmählt.

Da schrien sie alle: Hilf uns, gieb ein Zeichen

und stärke uns zu unserer schwere Wahl.

Aber sie sahn ihn, wie seit Jahren schweigend,

zu seiner festen Stadt am Berge steigend;

und dann nicht mehr. Es war das letzte Mal.

Joshua’s Council

As the river at its outlet breaks through

its dams with its mouth’s accumulations,

so now for the last time the voice of Joshua

broke through the elders of the tribes.

How those who laughed were smitten;

how all hearts and hands were halted,

as if the din of thirty battles rose

in one mouth; and that mouth began.

And again thousands were lost in wonder

as on that great day in front of Jericho,

only now the trumpets sounded inside him,

and their own lives’ walls were swaying so

that they were convulsed with pangs of horror,

and already defenseless, overwhelmed,

before they recalled how high-handedly

he shouted to the sun in Gideon: Stand!

And God went off, cowering like a serf,

and held the sun above that murdering race

until his hands ached, just because

one man willed that it should stand.

And this was that man; this old patriarch

whose presence, they thought, no longer mattered,

immured within his hundred-ten-year life.

Then he stood up and broke into their tents.

He descended like hail upon stalks of corn:

What would you promise God? Unnumbered gods

stand around you, waiting on your choice.

Yet when you choose, the Lord will crush you.

And then, with peerless arrogance:

I and my house are still his bride.

At that they all cried: Help us, give a sign

and strengthen us for our hard choice.

But they saw him, as if already silent

for years, ascending to his mountain stronghold;

and then no more. It was the last time.

Der Auszug des verlorenen Sohnes

Nun fortzugehn von alledem Verworrnen,

das unser ist und uns doch nicht gehört,

das, wie das Wasser in den alten Bornen,

uns zitternd spiegelt und das Bild zerstört;

von allem diesen, das sich wie mit Dornen

noch einmal an uns anhängt—fortzugehn

und Das und Den,

die man schon nicht mehr sah

(so täglich waren sie und so gewöhnlich),

auf einmal anzuschauen: sanft, versöhnlich

und wie an einem Anfang und von nah;

und ahnend einzusehn, wie unpersönlich,

wie über alle hin das Leid geschah,

von dem die Kindheit voll war bis zum Rand—:

Und dann doch fortzugehen, Hand aus Hand,

als ob man ein Geheiltes neu zerrisse,

und fortzugehn: wohin? Ins Ungewisse,

weit in ein unverwandtes warmes Land,

das hinter allem Handeln wie Kulisse

gleichgültig sein wird: Garten oder Wand;

und fortzugehn: warum? Aus Drang, aus Artung,

aus Ungeduld, aus dunkler Erwartung,

aus Unverständlichkeit und Unverstand:

Dies alles auf sich nehmen und vergebens

vielleicht Gehaltnes fallen lassen, um

allein zu sterben, wissend nicht warum—

Ist das der Eingang eines neuen Lebens?

The Departure of the Prodigal Son

Now to go away from all this confusion

that is ours without belonging to us,

that like the water in old wellsprings

mirrors us trembling and destroys the image;

from all this, that is clinging to us

once more as if with thorns—to go away,

and on all the scattered things

you’d long since ceased to see

(they were so everyday and ordinary)

suddenly to gaze: gently, contritely,

and as in a beginning and from close by;

and to fathom how impersonally,

how over everyone the sorrow came

that filled childhood up to the brim—:

And even then to go away, hand slipping

from hand, as if you tore a new-healed wound,

and to go away: where? into uncertainty,

far into some warm, unrelated land

that behind all acting will be

indifferent as a backdrop—garden or wall;

and to go away: why? From urge, from instinct,

from impatience, from dark expectation,

from not understanding and not being understood:

To take all this upon yourself and in vain

perhaps let fall the things you’ve held,

in order to die alone, not knowing why—

Is this the way new life commences?

Der Ölbaum-Garten

Er ging hinauf unter dem grauen Laub

ganz grau und aufgelöst im Ölgelände

und legte seine Stirne voller Staub

tief in das Staubigsein der heißen Hände.

Nach allem dies. Und dieses war der Schluß.

Jetzt soll ich gehen, während ich erblinde,

und warum willst Du, daß ich sagen muß

Du seist, wenn ich Dich selber nicht mehr finde.

Ich finde Dich nicht mehr. Nicht in mir, nein.

Nicht in den andern. Nicht in diesem Stein.

Ich finde Dich nicht mehr. Ich bin allein.

Ich bin allein mit aller Menschen Gram,

den ich durch Dich zu lindern unternahm,

der Du nicht bist. O namenlose Scham …

Später erzählte man: ein Engel kam—.

Warum ein Engel? Ach es kam die Nacht

und blätterte gleichgültig in den Bäumen.

Die Jünger rührten sich in ihren Träumen.

Warum ein Engel? Ach es kam die Nacht.

Die Nacht, die kam, war keine ungemeine;

so gehen hunderte vorbei.

Da schlafen Hunde und da liegen Steine.

Ach eine traurige, ach irgendeine,

die wartet, bis es wieder Morgen sei.

Denn Engel kommen nicht zu solchen Betern,

und Nächte werden nicht um solche groß.

Die Sich-Verlierenden läßt alles los,

und sie sind preisgegeben von den Vätern

und ausgeschlossen aus der Mütter Schooß.

The Olive Garden

He went up under the gray leaves

entirely gray, dissolved in olive country,

and laid his forehead full of dust

deep in the dustiness of burning hands.

After everything this. And this was the end.

Now I’m to go, while I am going blind,

and why is it Your will that I must say

You are, when I myself no longer find You.

I find no longer You. Not inside me.

Not in the others. Not in this stone.

I find You no longer. I am alone.

I am alone with all of human grief,

which I undertook through You to soothe,

You who are not. O indescribable shame …

Later they would say: an angel came—.

Why an angel? It was the night that came,

and leafed indifferently through the trees.

The disciples stirred in their dreams.

Why an angel? It was the night that came.

The night that came was no uncommon one;

hundreds like it pass men by.

Dogs sleep in them, stones lie in them.

A sad night, ah any night at all

that waits until it’s once more morning.

For angels don’t answer the prayers of such men

and the nights don’t expand around them.

Those who lose themselves are let go by everything,

and are abandoned by their fathers

and excluded from their mothers’ wombs.

Pietà

So seh ich, Jesus, deine Füße wieder,

die damals eines Jünglings Füße waren,

da ich sie bang entkleidete und wusch;

wie standen sie verwirrt in meinem Haaren

und wie ein weißes Wild im Dornenbusch.

So seh ich deine niegeliebten Glieder

zum erstenmal in dieser Liebesnacht.

Wir legten uns noch nie zusammen nieder,

und nun wird nur bewundert und gewacht.

Doch, siehe, deine Hände sind zerrissen—:

Geliebter, nicht von mir, von meinen Bissen.

Dein Herz steht offen und man kann hinein:

das hätte dürfen nur mein Eingang sein.

Nun bist du müde, und dein müder Mund

hat keine Lust zu meinem wehen Munde—.

O Jesus, Jesus, wann war unsre Stunde?

Wie gehn wir beide wunderlich zugrund.

Pietà

Like this then, Jesus, I see your feet once more,

that were a young man’s feet when long ago

I stripped them bare and washed them trembling;

how they stood entangled in my hair,

like a white stag hiding in a thornbush.

Like this I see your never-cherished limbs

for the first time in this our night of love.

Now when at last I have you in my arms,

there’s just admiring you and keeping watch.

But look, your hands are torn—:

not from me, dear, not from my bites.

Your heart stands open for anyone at all;

it should have been an entrance kept for me.

Now you are tired, and your weary lips

have no desire for my aching mouth—.

O Jesus, Jesus, when was our moment?

How strangely both of us are perishing.

Gesang der Frauen an den Dichter

Sieh, wie sich alles auftut: so sind wir;

denn wir sind nichts als solche Seligkeit.

Was Blut und Dunkel war in einem Tier,

das wuchs in uns zur Seele an und schreit

als Seele weiter. Und es schreit nach dir.

Du freilich nimmst es nur in dein Gesicht

als sei es Landschaft: sanft und ohne Gier.

Und darum meinen wir, du bist es nicht,

nach dem es schreit. Und doch, bist du nicht der,

an den wir uns ganz ohne Rest verlören?

Und werden wir in irgend einem mehr?

Mit uns geht das Unendliche vorbei.

Du aber sei, du Mund, daß wir es hören,

du aber, du Uns-Sagender: du sei.

Song of the Women to the Poet

Look, how everything unfolds: it’s so with us,

for we are nothing but such bliss.

What was blood and darkness in a beast

has grown in us to soul, and keeps crying out

as soul. And it cries to you.

You, it’s true, take it only into your face,

as though it were landscape: gently and uncravingly.

And therefore we suppose it isn’t you

to whom it cries. And yet, aren’t you the one

in whom we would entirely lose ourselves?

And do we become in someone something more?

With us the infinite is passing by.

But you be, you mouth, that we may hear it;

but you, you sayer of us: you be.

Der Tod des Dichters

Er lag. Sein aufgestelltes Antlitz war

bleich und verweigernd in den steilen Kissen,

seitdem die Welt und dieses von-ihr-Wissen,

von seinen Sinnen abgerissen,

zurückfiel an das teilnahmslose Jahr.

Die, so ihn leben sahen, wußten nicht,

wie sehr er Eines war mit allem diesen;

denn Dieses: diese Tiefen, diese Wiesen

und diese Wasser waren sein Gesicht.

O sein Gesicht war diese ganze Weite,

die jetzt noch zu ihm will und um ihn wirbt;

und seine Maske, die nun bang verstirbt,

ist zart und offen wie die Innenseite

von einer Frucht, die an der Luft verdirbt.

The Poet’s Death

He lay. His erected countenance was

pale and refusing in the steep pillows,

now that the world and all this knowledge of it,

torn from his senses,

had fallen back to the indifferent year.

Those who watched him living didn’t know

how deeply one he was with all of this;

for these: these valleys, these meadows,

and these waters were his face.

O his face was this entire expanse,

that now still woos him and tries to reach him;

and his mask, now dying fearfully,

is tender and open, like the inside

of a fruit that is spoiling in the air.

Buddha

Als ob er horchte. Stille: eine Ferne …

wir halten ein und hören sie nicht mehr.

Und er ist Stern. Und andre große Sterne,

die wir nicht sehen, stehen um ihn her.

O er ist Alles. Wirklich, warten wir,

daß er uns sähe? Sollte er bedürfen?

Und wenn wir hier uns vor ihm niederwürfen,

er bliebe tief und träge wie ein Tier.

Denn das, was uns zu seinen Füßen reißt,

das kreist in ihm seit Millionen Jahren.

Er, der vergißt was wir erfahren

und der erfährt was uns verweist.

Buddha

As if he listened. Stillness: something distant …

We check ourselves, and cease to hear it.

And he is Star.