Man brachte den Abend sehr fröhlich zu und die beiden Eheleute begaben sich in ihr Schlafzimmer.

Die Nacht ward nicht so hingebracht, wie es bei den meisten Leuten zu sein pflegt, die sich nun mit der Bewilligung des Priesters und dem Segen der Kirche umarmen dürfen; sondern sie fielen beide auf die Kniee und schickten andächtige Gebete zum Himmel, nicht etwa, um Segen für ihre Nachkommenschaft herabzuflehen, sondern um sich in ihrem sonderbaren Vorsatze zu stärken. Der Mann erklärte jetzt der Frau, daß er fest entschlossen sei, diese Nacht nicht anders als in Gebeten mit ihr hinzubringen, die Frau freute sich über diesen Entschluß: dann machten sie aus, daß sie in den künftigen Nächten, voneinander abgesondert, schlafen wollten, um den Versuchungen des bösen Geistes desto weniger ausgesetzt zu sein. Der Himmel verlieh ihnen die verlangte Stärke, oder Schwäche, wie man es nennen will und sie sahen mit unbeflecktem Gemüte den Aufgang der Sonne. Die Gäste gratulierten und brachten die gewöhnlichen Späße an, die ein jeder von seinem Vater schon geerbt hatte und die ohne Zweifel hergesagt werden müssen, wenn man eine Hochzeitfeier nicht für höchst mangelhaft erklären soll.

Kaum war ein Vierteljahr verflossen, als der Herr von Bührau, zum Erstaunen seiner Bekannten und zur Freude seiner Verwandten in ein Mönchskloster ging; als unbefleckte Jungfrau ging die Frau in ein Nonnenkloster. Seine Verwandten erbten seine Güter und nannten ihn einen frommen Mann; einige seiner Freunde, die gern an seinem Tisch gegessen hatten, nannten ihn einen Narren. – So verschieden ist das Urteil der Leute: man kann es unmöglich allen recht machen.

Meine Leser werden sich bei dieser Stelle gewiß überrascht finden, aber das ist eben die Kunst, um eine Episode interessant zu machen. Die meisten hätten gewiß darauf geschworen, daß der Herr von Bührau mein Vater wäre, und nun geht er plötzlich in ein Kloster und seine Frau wird Nonne. –

Kaum war der Herr von Bührau seit einem halben Jahre im Kloster, als er anfing blaß und mager zu werden und beständig über Krankheit, Herzensbangigkeiten und Brustbeschwerden zu klagen. Eine gewisse melancholische Wehmut hatte sich seiner bemeistert, er konnte stundenlang seufzen und die trüben Wände seiner Zelle ansehn. Er hatte ängstliche Träume, das Kloster ward ihm zu eng, er wünschte sich in die weite Welt zurück. Er dachte dann an seine Frau und verwünschte seine Frömmigkeit und den Kapuziner. Der Arzt fand seinen Puls mit jedem Tage bedenklicher; sein Zustand ward für gefährlich erklärt und der Prior gab endlich seine Einwilligung, daß der Pater Placidus, (so hieß der Herr von Bührau als Klosterbruder,) auf einen Monat ein Bad besuchen könne. Er reiste ab und atmete schon zufriedener die freie Luft des Himmels ein.

Ein seltsamer Zufall, oder die Natur, hatte es so veranlaßt, daß die Frau von Bührau alle die nämlichen Symptome an sich bemerkte. Ihr Arzt riet ihr ebenfalls die Brunnenkur und ein noch seltsamerer Zufall machte, daß beide Eheleute, ohne daß sie es wußten, sich in einem und ebendemselben Bade aufhielten.

Der Pater Placidus ging häufig spazieren, am liebsten besuchte er einsame Gegenden, wo er sich ganz ungestört seiner Melancholie überlassen konnte; ebendies war auch bei seiner Frau der Fall. Hätte der Zufall, der schon so viel getan hatte, um sie zusammenzuführen, nicht auch das Letzte tun sollen?

Der nachdenkende Pater ging an einem schönen Tage dem Gemurmel eines Baches nach, der sich immer tiefer in dichtverwachsene Gebüsche hinabsenkte. Er setzte sich endlich in das weiche Moos und dachte von neuem über seinen Zustand nach, das Gemurmel des Bachs, der süße Gesang der Vögel versetzten ihn nach und nach in sehr empfindsame Träumereien, als er endlich von ungefähr aufblickte, steht eine schöne, weibliche Gestalt vor ihm, er betrachtet sie genauer, es ist seine Frau.

Anfangs waren sie beide erstaunt, sich hier zu finden; das Erstaunen mußte bald der Freude Platz machen, und die Freude wieder der Reue, daß sie beide einen zu voreiligen Schritt ins Kloster getan hatten. Alle diese Gespräche veranlaßten natürlicherweise eine Vertraulichkeit, die selbst in ihrem ehemaligen Ehestande nicht unter ihnen stattgefunden hatte: die empfindsame Nonne sank in das weiche Moos hinab, die Arme ihres Mannes fingen sie auf. Man vergaß Kloster und Klostergesetze, sie überließen sich ganz der Leidenschaft, die erst jetzt in ihnen erwachte; der Bruder Placidus vergaß seine Gebete zum Himmel zu schicken, Küsse, Seufzer und Umarmungen ließen ihm nicht Zeit, zu Worte zu kommen und als er endlich wieder Atem gewonnen hatte, war es zu spät.

Der Pater ward gesund, die Wangen der Nonne färbten sich wieder: beide reisten in ihr Kloster zurück.

Bald ward die Nonne, die ihr Gelübde vergessen hatte, durch ein Pfand unter ihrem Herzen daran erinnert. – Was konnte man tun? Sie suchte ihre Schwangerschaft zu verbergen, die man demungeachtet bald entdeckte. Sie gestand ihr Verbrechen, man verhörte den Pater Placidus, beider Aussagen stimmten vollkommen überein. – Ihr Verbrechen kam vor billige, menschliche Richter; man erwägte, daß sie durch das Ansehn der Kirche Mann und Frau wären, man verzieh ihnen.

Die Nonne kam mit Zwillingen nieder, wovon der männliche kein anderer ist, als der Held der Geschichte, Peter Lebrecht. Um seine Abkunft zu verbergen, hatte man ihn einer Bäuerin mit diesem unechten Namen zur Erziehung übergeben.

Von meiner Schwester hatte Frau Marthe weiter keine Nachrichten, als daß man sie in ein entferntes Dorf einer gewissen Frau Möhring zu erziehen gegeben habe. –

Es war unterdessen unter der Linde Abend geworden, ich ging mit der Erzählerin wieder in die Hütte, wir ergötzten uns in freundschaftlichen Gesprächen und an einem ländlichen Abendessen, dann ging ich schlafen. Froh und munter erwachte ich, ich beschenkte meine Pflegeeltern und verließ sie nach vielen zärtlichen Umarmungen.

 

Dreizehntes Kapitel

 

Ich verliere mein Amt und gewinne einen Prozeß

Man hatte mich auf den Weg nach dem Gute des Präsidenten gebracht und ich ging jetzt unter mancherlei Gedanken meine Straße. Ich hatte eine Braut verloren, war in eine Grube gefallen, hatte meine Pflegeeltern gefunden, um den Namen und die seltsame Geschichte meines wahren Vaters zu erfahren. Jetzt wußte ich zugleich, warum ich in meiner Kindheit eine so große Vorliebe für den geistlichen Stand gehabt hatte. – Ich hatte Stoff genug zum Nachdenken und stand schon, ehe ich es vermutete, vor dem Landhause des Präsidenten.

Man war meinetwegen in großer Angst gewesen, man hatte gefürchtet, ich könnte in meiner Melancholie wohl gar einen desperaten Entschluß fassen; Louise war noch immer nicht aufgefunden.

Ich ging mit dem Präsidenten auf sein Zimmer und erzählte ihm mein Abenteuer und meine Entdeckung, er war erstaunt und dachte lange über die sonderbare Geschichte nach. Es entstand jetzt die Frage, ob man mir die Güter, die mir eigentlich gehörten, nicht wieder verschaffen könnte: er versprach, mich mit seinem ganzen Einflusse zu unterstützen.

In weniger Zeit war ein förmlicher Prozeß eingeleitet. In dieser Periode meines Lebens ward ich es vorzüglich inne, wie unschätzbar ein Freund ist, dessen Macht uns beschützen kann: der Ausgang meines Streites wäre immer zweifelhaft gewesen, ja es ist mir jetzt sogar wahrscheinlich, daß ich den Prozeß verloren, wenn sich der Präsident nicht meiner väterlich angenommen hätte. Durch seine Freunde und durch Leute, die wieder Gefälligkeiten von ihm erwarteten, brachte er es endlich dahin, daß die Güter, die bis jetzt ein Eigentum meiner Verwandten gewesen waren, mir zugesprochen wurden.

Ich war jetzt Herr eines großen Vermögens; um aber allen künftigen Schikanen zu entgehn, verkaufte ich meine Besitzungen sogleich wieder für eine sehr ansehnliche Summe an meine Verwandten, und beschloß nun, erst eine Gegend aufzusuchen, wo es mir genug gefiele, um mich dort häuslich niederzulassen.

Ich dankte dem Präsidenten, dem ich nie genug danken konnte, legte mein noch nicht angetretenes Amt wieder nieder und machte mich zur Abreise fertig.