–
Ich denk mir eine andre Wendung aus.
Pause. – Er greift nach des Kurfürsten Brief, den die Prinzessin in der Hand hält.
Was sagt er eigentlich im Briefe denn?
NATALIE ihn verweigernd.
Nichts, gar nichts!
DER PRINZ VON HOMBURG.
Gebt!
NATALIE.
Ihr last ihn ja!
DER PRINZ VON HOMBURG erhascht ihn.
Wenn gleich!
Ich will nur sehn, wie ich mich fassen soll.
Er entfaltet und überliest ihn.
NATALIE für sich.
O Gott der Welt! Jetzt ist's um ihn geschehn!
DER PRINZ VON HOMBURG betroffen.
Sieh da! Höchst wunderbar, so wahr ich lebe!
– Du übersahst die Stelle wohl?
NATALIE.
Nein! – Welche?
DER PRINZ VON HOMBURG.
Mich selber ruft er zur Entscheidung auf!
NATALIE.
Nun, ja!
DER PRINZ VON HOMBURG.
Recht wacker, in der Tat, recht würdig!
Recht, wie ein großes Herz sich fassen muß!
NATALIE.
O seine Großmut, Freund, ist ohne Grenzen!
– Doch nun tu auch das Deine du, und schreib,
Wie er's begehrt; du siehst, es ist der Vorwand,
Die äußre Form nur, deren es bedarf:
Sobald er die zwei Wort in Händen hat,
Flugs ist der ganze Streit vorbei!
DER PRINZ VON HOMBURG legt den Brief weg.
Nein, Liebe!
Ich will die Sach bis morgen überlegen.
NATALIE.
Du Unbegreiflicher! Welch eine Wendung? –
Warum? Weshalb?
DER PRINZ VON HOMBURG erhebt sich leidenschaftlich vom Stuhl.
Ich bitte, frag mich nicht!
Du hast des Briefes Inhalt nicht erwogen!
Daß er mir unrecht tat, wie's mir bedingt wird,
Das kann ich ihm nicht schreiben; zwingst du mich,
Antwort, in dieser Stimmung, ihm zu geben,
Bei Gott! so setz ich hin, du tust mir recht!
Er läßt sich mit verschränkten Armen wieder an den Tisch nieder und sieht in den Brief.
NATALIE bleich.
Du Rasender! Was für ein Wort sprachst du?
Sie beugt sich gerührt über ihn.
DER PRINZ VON HOMBURG drückt ihr die Hand.
Laß, einen Augenblick! Mir scheint –
Er sinnt.
NATALIE.
Was sagst du?
DER PRINZ VON HOMBURG.
Gleich werd ich wissen, wie ich schreiben soll.
NATALIE schmerzvoll.
Homburg!
DER PRINZ VON HOMBURG nimmt die Feder.
Ich hör! Was gibt's?
NATALIE.
Mein süßer Freund!
Die Regung lob ich, die dein Herz ergriff.
Das aber schwör ich dir: das Regiment
Ist kommandiert, das dir Versenktem morgen,
Aus Karabinern, überm Grabeshügel,
Versöhnt die Totenfeier halten soll.
Kannst du dem Rechtsspruch, edel wie du bist,
Nicht widerstreben, nicht, ihn aufzuheben,
Tun, wie er's hier in diesem Brief verlangt:
Nun so versichr ich dich, er faßt sich dir
Erhaben, wie die Sache steht, und läßt
Den Spruch mitleidsvoll morgen dir vollstrecken!
DER PRINZ VON HOMBURG schreibend.
Gleichviel!
NATALIE.
Gleichviel?
DER PRINZ VON HOMBURG.
Er handle, wie er darf;
Mir ziemt's hier zu verfahren, wie ich soll!
NATALIE tritt erschrocken näher.
Du Ungeheuerster, ich glaub, du schriebst?
DER PRINZ VON HOMBURG schließt.
»Homburg, gegeben, Fehrbellin, am zwölften –«
Ich bin schon fertig. – Franz!
Er couvertiert und siegelt den Brief.
NATALIE.
O Gott im Himmel!
DER PRINZ VON HOMBURG steht auf.
Bring diesen Brief aufs Schloß, zu meinem Herrn!
Der Bediente ab.
Ich will ihm, der so würdig vor mir steht,
Nicht, ein Unwürd'ger, gegenüberstehn!
Schuld ruht, bedeutende, mir auf der Brust,
Wie ich es wohl erkenne; kann er mir
Vergeben nur, wenn ich mit ihm drum streite,
So mag ich nichts von seiner Gnade wissen.
NATALIE küßt ihn.
Nimm diesen Kuß! – Und bohrten gleich zwölf Kugeln
Dich jetzt in Staub, nicht halten könnt ich mich,
Und jauchzt und weint und spräche: du gefällst mir!
– Inzwischen, wenn du deinem Herzen folgst,
Ist's mir erlaubt, dem meinigen zu folgen.
– Graf Reuß!
Der Läufer öffnet die Tür; der Graf tritt auf.
GRAF REUSS.
Hier!
NATALIE.
Auf, mit Eurem Brief,
Nach Arnstein hin, zum Obersten von Kottwitz!
Das Regiment bricht auf, der Herr befiehlt's,
Hier, noch vor Mitternacht, erwart ich es!
Alle ab.
Fünfter Akt
Szene: Saal im Schloß.
Erster Auftritt
Der Kurfürst kommt halbentkleidet aus dem Nebencabinet; ihm folgen Graf Truchß, Graf Hohenzollern, und der Rittmeister von der Golz – Pagen mit Lichtern.
DER KURFÜRST.
Kottwitz? Mit den Dragonern der Prinzessin?
Hier in der Stadt?
GRAF TRUCHSS öffnet das Fenster.
Ja, mein erlauchter Herr!
Hier steht er vor dem Schlosse aufmarschiert.
DER KURFÜRST.
Nun? – Wollt ihr mir, ihr Herrn, dies Rätsel lösen?
– Wer rief ihn her?
HOHENZOLLERN.
Das weiß ich nicht, mein Kurfürst.
DER KURFÜRST.
Der Standort, den ich ihm bestimmt, heißt Arnstein!
Geschwind! Geh einer hin, und bring ihn her!
GOLZ.
Er wird sogleich, o Herr, vor dir erscheinen!
DER KURFÜRST.
Wo ist er?
GOLZ.
Auf dem Rathaus, wie ich höre,
Wo die gesamte Generalität,
Die deinem Hause dient, versammelt ist.
DER KURFÜRST.
Weshalb? Zu welchem Zweck?
HOHENZOLLERN.
– Das weiß ich nicht.
GRAF TRUCHSS.
Erlaubt mein Fürst und Herr, daß wir uns gleichfalls,
Auf einen Augenblick, dorthin verfügen?
DER KURFÜRST.
Wohin? Aufs Rathaus?
HOHENZOLLERN.
In der Herrn Versammlung!
Wir gaben unser Wort, uns einzufinden.
DER KURFÜRST nach einer kurzen Pause.
– Ihr seid entlassen!
GOLZ.
Kommt, ihr werten Herrn!
Die Offiziere ab.
Zweiter Auftritt
Der Kurfürst. – Späterhin zwei Bediente.
DER KURFÜRST.
Seltsam! – Wenn ich der Dei von Tunis wäre,
Schlüg ich bei so zweideut'gem Vorfall, Lärm.
Die seidne Schnur, legt ich auf meinen Tisch;
Und vor das Tor, verrammt mit Palisaden,
Führt ich Kanonen und Haubitzen auf.
Doch weil's Hans Kottwitz aus der Priegnitz ist,
Der sich mir naht, willkürlich, eigenmächtig,
So will ich mich auf märk'sche Weise fassen.
Von den drei Locken, die man silberglänzig,
Auf seinem Schädel sieht, faß ich die eine,
Und führ ihn still, mit seinen zwölf Schwadronen,
Nach Arnstein, in sein Hauptquartier, zurück.
Wozu die Stadt aus ihrem Schlafe wecken?
Nachdem er wieder einen Augenblick ans Fenster getreten, geht er an den Tisch und klingelt; zwei Bedienten treten auf.
DER KURFÜRST.
Spring doch herab und frag, wär's für dich,
Was es im Stadthaus gibt?
ERSTER BEDIENTER.
Gleich, mein Gebieter!
Ab.
DER KURFÜRST zu dem andern.
Du aber geh und bring die Kleider mir!
Der Bediente geht und bringt sie; der Kurfürst kleidet sich an und legt seinen fürstlichen Schmuck an.
Dritter Auftritt
Feldmarschall Dörfling tritt auf. – Die Vorigen.
FELDMARSCHALL.
Rebellion, mein Kurfürst!
DER KURFÜRST noch im Ankleiden beschäftigt.
Ruhig, ruhig!
Es ist verhaßt mir, wie dir wohl bekannt,
In mein Gemach zu treten, ungemeldet!
– Was willst du?
FELDMARSCHALL.
Herr, ein Vorfall – du vergibst!
Führt von besonderem Gewicht mich her.
Der Obrist Kottwitz rückte, unbeordert,
Hier in die Stadt; an hundert Offiziere
Sind auf dem Rittersaal um ihn versammelt;
Es geht ein Blatt in ihrem Kreis herum,
Bestimmt in deine Rechte einzugreifen.
DER KURFÜRST.
Es ist mir schon bekannt! – Was wird es sein,
Als eine Regung zu des Prinzen Gunsten,
Dem das Gesetz die Kugel zuerkannte.
FELDMARSCHALL.
So ist's! Beim höchsten Gott! Du hast's getroffen!
DER KURFÜRST.
Nun gut! – So ist mein Herz in ihrer Mitte.
FELDMARSCHALL.
Man sagt, sie wollten heut, die Rasenden!
Die Bittschrift noch im Schloß dir überreichen,
Und falls, mit unversöhntem Grimm, du auf
Den Spruch beharrst – kaum wag ich's dir zu melden? –
Aus seiner Haft ihn mit Gewalt befrein!
DER KURFÜRST finster.
Wer hat dir das gesagt?
FELDMARSCHALL.
Wer mir das sagte?
Die Dame Retzow, der du trauen kannst,
Die Base meiner Frau! Sie war heut abend,
In ihres Ohms, des Drost von Retzow, Haus,
Wo Offiziere, die vom Lager kamen,
Laut diesen dreisten Anschlag äußerten.
DER KURFÜRST.
Das muß ein Mann mir sagen, eh ich's glaube!
Mit meinem Stiefel, vor sein Haus gesetzt,
Schütz ich vor diesen jungen Helden ihn!
FELDMARSCHALL.
Herr, ich beschwöre dich, wenn's überall
Dein Wille ist, den Prinzen zu begnadigen:
Tu's, eh ein höchstverhaßter Schritt geschehn!
Jedwedes Heer liebt, weißt du, seinen Helden;
Laß diesen Funken nicht, der es durchglüht,
Ein heillos fressend Feuer um sich greifen.
Kottwitz weiß und die Schar, die er versammelt,
Noch nicht, daß dich mein treues Wort gewarnt;
Schick, eh er noch erscheint, das Schwert dem Prinzen,
Schick's ihm, wie er's zuletzt verdient, zurück:
Du gibst der Zeitung eine Großtat mehr,
Und eine Untat weniger zu melden.
DER KURFÜRST.
Da müßt ich noch den Prinzen erst befragen,
Den Willkür nicht, wie dir bekannt sein wird,
Gefangennahm und nicht befreien kann. –
Ich will die Herren, wenn sie kommen, sprechen.
FELDMARSCHALL für sich.
Verwünscht! – Er ist jedwedem Pfeil gepanzert.
Vierter Auftritt
Zwei Heiducken treten auf; der eine hält einen Brief in der Hand. – Die Vorigen.
ERSTER HEIDUCK.
Der Obrist Kottwitz, Hennings, Truchß und andre,
Erbitten sich Gehör!
DER KURFÜRST zu dem anderen, indem er ihm den Brief aus der Hand nimmt.
Vom Prinz von Homburg?
ZWEITER HEIDUCK.
Ja, mein erlauchter Herr!
DER KURFÜRST.
Wer gab ihn dir?
ZWEITER HEIDUCK.
Der Schweizer, der am Tor die Wache hält,
Dem ihn des Prinzen Jäger eingehändigt.
DER KURFÜRST stellt sich an den Tisch und liest; nachdem dies geschehen ist, wendet er sich und ruft einen Pagen.
Prittwitz! – Das Todesurteil bring mir her!
– Und auch den Paß, für Gustav Graf von Horn,
Den schwedischen Gesandten, will ich haben!
Der Page ab; zu dem ersten Heiducken.
Kottwitz, und sein Gefolg; sie sollen kommen!
Fünfter Auftritt
Obrist Kottwitz und Obrist Hennings, Graf Truchß, Graf Hohenzollern und Sparren, Graf Reuß, Rittmeister von der Golz und Stranz, und andre Obristen und Offiziere treten auf. – Die Vorigen.
OBRIST KOTTWITZ mit der Bittschrift.
Vergönne, mein erhabner Kurfürst, mir,
Daß ich, im Namen des gesamten Heers,
In Demut dies Papier dir überreiche!
DER KURFÜRST.
Kottwitz, bevor ich's nehme, sag mir an,
Wer hat dich her nach dieser Stadt gerufen?
KOTTWITZ sieht ihn an.
Mit den Dragonern?
DER KURFÜRST.
Mit dem Regiment! –
Arnstein hatt ich zum Sitz dir angewiesen.
KOTTWITZ.
Herr! Deine Ordre hat mich hergerufen.
DER KURFÜRST.
Wie? – Zeig die Ordre mir.
KOTTWITZ.
Hier, mein Gebieter.
DER KURFÜRST liest.
»Natalie, gegeben Fehrbellin;
In Auftrag meines höchsten Oheims Friedrich.« –
KOTTWITZ.
Bei Gott, mein Fürst und Herr, ich will nicht hoffen,
Daß dir die Ordre fremd?
DER KURFÜRST.
Nicht, nicht! Versteh mich –
Wer ist's, der dir die Ordre überbracht?
KOTTWITZ.
Graf Reuß!
DER KURFÜRST nach einer augenblicklichen Pause.
Vielmehr, ich heiße dich willkommen! –
Dem Obrist Homburg, dem das Recht gesprochen,
Bist du bestimmt, mit deinen zwölf Schwadronen,
Die letzten Ehren morgen zu erweisen.
KOTTWITZ erschrocken.
Wie, mein erlauchter Herr?!
DER KURFÜRST indem er ihm die Ordre wiedergibt.
Das Regiment
Steht noch in Nacht und Nebel, vor dem Schloß?
KOTTWITZ.
Die Nacht, vergib –
DER KURFÜRST.
Warum rückt es nicht ein?
KOTTWITZ.
Mein Fürst, es rückte ein; es hat Quartiere,
Wie du befahlst, in dieser Stadt bezogen!
DER KURFÜRST mit einer Wendung gegen das Fenster.
Wie? Vor zwei Augenblicken – –? Nun, beim Himmel!
So hast du Ställe rasch dir ausgemittelt! –
Um soviel besser denn! Gegrüßt noch einmal!
Was führt dich her, sag an? Was bringst du Neues?
KOTTWITZ.
Herr, diese Bittschrift deines treuen Herrs.
DER KURFÜRST.
Gib!
KOTTWITZ.
Doch das Wort, das deiner Lipp entfiel,
Schlägt alle meine Hoffnungen zu Boden.
DER KURFÜRST.
So hebt ein Wort auch wiederum sie auf.
Er liest.
»Bittschrift, die allerhöchste Gnad erflehend,
Für unsern Führer, peinlich angeklagt,
Den General, Prinz Friedrich, Hessen-Homburg.«
Zu den Offizieren.
Ein edler Nam, ihr Herrn! Unwürdig nicht,
Daß ihr, in solcher Zahl, euch ihm verwendet!
Er sieht wieder in das Blatt.
Die Bittschrift ist verfaßt von wem?
KOTTWITZ.
Von mir.
DER KURFÜRST.
Der Prinz ist von dem Inhalt unterrichtet?
KOTTWITZ.
Nicht auf die fernste Weis! In unsrer Mitte
Ist sie empfangen und vollendet worden.
DER KURFÜRST.
Gebt mir auf einen Augenblick Geduld.
Er tritt an den Tisch und durchsieht die Schrift. – Lange Pause.
Hm! Sonderbar! – Du nimmst, du alter Krieger,
Des Prinzen Tat in Schutz? Rechfertigst ihn,
Daß er auf Wrangel stürzte, unbeordert?
KOTTWITZ.
Ja, mein erlauchter Herr; das tut der Kottwitz!
DER KURFÜRST.
Der Meinung auf dem Schlachtfeld warst du nicht.
KOTTWITZ.
Das hatt ich schlecht erwogen, mein Gebieter!
Dem Prinzen, der den Krieg gar wohl versteht,
Hätt ich mich ruhig unterwerfen sollen.
Die Schweden wankten, auf dem linken Flügel,
Und auf dem rechten wirkten sie Sukkurs;
Hätt er auf deine Ordre warten wollen,
Sie faßten Posten wieder, in den Schluchten
Und nimmermehr hättst du den Sieg erkämpft.
DER KURFÜRST.
So! – Das beliebt dir so vorauszusetzen!
Den Obrist Hennings hatt ich abgeschickt,
Wie dir bekannt, den schwed'schen Brückenkopf,
Der Wrangels Rücken deckt, hinwegzunehmen.
Wenn ihr die Ordre nicht gebrochen hättet,
Dem Hennings wäre dieser Schlag geglückt;
Die Brücken hätt er, in zwei Stunden Frist,
In Brand gesteckt, am Rhyn sich aufgepflanzt,
Und Wrangel wäre ganz, mit Stumpf und Stiel,
In Gräben und Morast, vernichtet worden.
KOTTWITZ.
Es ist der Stümper Sache, nicht die deine,
Des Schicksals höchsten Kranz erringen wollen;
Du nahmst, bis heut, noch stets, was es dir bot.
Der Drachen ward, der dir die Marken trotzig
Verwüstete, mit blut'gem Hirn verjagt;
Was konnte mehr, an einem Tag, geschehn?
Was liegt dir dran, ob er zwei Wochen noch
Erschöpft im Sand liegt, und die Wunde heilt?
Die Kunst jetzt lernten wir, ihn zu besiegen,
Und sind voll Lust, sie fürder noch zu üben:
Laß uns den Wrangel rüstig, Brust an Brust,
Noch einmal treffen, so vollendet sich's,
Und in die Ostsee ganz fliegt er hinab!
Rom ward an einem Tage nicht erbaut.
DER KURFÜRST.
Mit welchem Recht, du Tor, erhoffst du das,
Wenn auf dem Schlachtenwagen, eigenmächtig,
Mir in die Zügel jeder greifen darf?
Meinst du das Glück werd immerdar, wie jüngst,
Mit einem Kranz den Ungehorsam lohnen?
Den Sieg nicht mag ich, der, ein Kind des Zufalls,
Mir von der Bank fällt; das Gesetz will ich,
Die Mutter meiner Krone, aufrechthalten,
Die ein Geschlecht von Siegen mir erzeugt!
KOTTWITZ.
Herr, das Gesetz, das höchste, oberste,
Das wirken soll, in deiner Feldherrn Brust,
Das ist der Buchstab deines Willens nicht;
Das ist das Vaterland, das ist die Krone,
Das bist du selber, dessen Haupt sie trägt.
Was kümmert dich, ich bitte dich, die Regel,
Nach der der Feind sich schlägt: wenn er nur nieder
Vor dir, mit allen seinen Fahnen, sinkt?
Die Regel, die ihn schlägt, das ist die höchste!
Willst du das Heer, das glühend an dir hängt,
Zu einem Werkzeug machen, gleich dem Schwerte,
Das tot in deinem goldnen Gürtel ruht?
Der ärmste Geist, der in den Sternen fremd,
Zuerst solch eine Lehre gab! Die schlechte,
Kurzsicht'ge Staatskunst, die, um eines Falles,
Da die Empfindung sich verderblich zeigt,
Zehn andere vergißt, im Lauf der Dinge,
Da die Empfindung einzig retten kann!
Schütt ich mein Blut dir, an dem Tag der Schlacht,
Für Sold, sei's Geld, sei's Ehre, in den Staub?
Behüte Gott, dazu ist es zu gut!
Was! Meine Lust hab, meine Freude ich,
Frei und für mich im stillen, unabhängig,
An deiner Trefflichkeit und Herrlichkeit,
Am Ruhm und Wachstum deines großen Namens!
Das ist der Lohn, dem sich mein Herz verkauft!
Gesetzt, um dieses unberufnen Sieges,
Brächst du dem Prinzen jetzt den Stab; und ich,
Ich träfe morgen, gleichfalls unberufen,
Den Sieg wo irgend zwischen Wald und Felsen,
Mit den Schwadronen, wie ein Schäfer, an:
Bei Gott, ein Schelm müßt ich doch sein, wenn ich
Des Prinzen Tat nicht munter wiederholte.
Und sprächst du, das Gesetzbuch in der Hand:
"Kottwitz, du hast den Kopf verwirkt!" so sagt ich:
"Das wußt ich Herr; da nimm ihn hin, hier ist er:
Als mich ein Eid an deine Krone band,
Mit Haut und Haar, nahm ich den Kopf nicht aus,
Und nichts dir gäb ich, was nicht dein gehörte!"
DER KURFÜRST.
Mit dir, du alter, wunderlicher Herr,
Werd ich nicht fertig! Es besticht dein Wort
Mich, mit arglist'ger Rednerkunst gesetzt,
Mich, der, du weißt, dir zugetan, und einen
Sachwalter ruf ich mir, den Streit zu enden,
Der meine Sache führt!
Er klingelt, ein Bedienter tritt auf.
Der Prinz von Homburg!
Man führ aus dem Gefängnis ihn hierher!
Der Bediente ab.
Der wird dich lehren, das versichr ich dich,
Was Kriegszucht und Gehorsam sei! Ein Schreiben
Schickt' er mir mindstens zu, das anders lautet,
Als der spitzfünd'ge Lehrbegriff der Freiheit,
Den du hier, wie ein Knabe, mir entfaltet.
Er stellt sich wieder an den Tisch und liest.
KOTTWITZ erstaunt.
Wen holt –? Wen ruft –?
OBERST HENNINGS.
Ihn selber?
GRAF TRUCHSS.
Nein unmöglich!
Die Offiziere treten unruhig zusammen und sprechen miteinander.
DER KURFÜRST.
Von wem ist diese zweite Zuschrift hier?
HOHENZOLLERN.
Von mir, mein Fürst!
DER KURFÜRST liest.
»Beweis, daß Kurfürst Friedrich
Des Prinzen Tat selbst« – – – Nun, beim Himmel!
Das nenn ich keck!
Was! Die Veranlassung, du wälzest sie des Frevels,
Den er sich in der Schlacht erlaubt, auf mich?
HOHENZOLLERN.
Auf dich, mein Kurfürst, ja; ich Hohenzollern!
DER KURFÜRST.
Nun denn, bei Gott, das übersteigt die Fabel!
Der eine zeigt mir, daß nicht schuldig er,
Der andre gar mir, daß der Schuld'ge ich! –
Womit wirst solchen Satz du mir beweisen?
HOHENZOLLERN.
Du wirst dich jener Nacht, o Herr, erinnern,
Da wir den Prinzen, tief versenkt im Schlaf,
Im Garten unter den Plantanen fanden:
Vom Sieg des nächsten Tages mocht er träumen,
Und einen Lorbeer hielt er in der Hand.
Du, gleichsam um sein tiefstes Herz zu prüfen,
Nahmst ihm den Kranz hinweg, die Kette schlugst du,
Die dir vom Hals hängt, lächelnd um das Laub;
Und reichtest Kranz und Kette, so verschlungen,
Dem Fräulein, deiner edlen Nichte, hin.
Der Prinz steht, bei so wunderbarem Anblick,
Errötend auf; so süße Dinge will er,
Und von so lieber Hand gereicht, ergreifen:
Du aber, die Prinzessin rückwärts führend,
Entziehst dich eilig ihm; die Tür empfängt dich,
Jungfrau und Kett und Lorbeerkranz verschwinden,
Und einsam – einen Handschuh in der Hand,
Den er, nicht weiß er selber, wem? entrissen –
Im Schoß der Mitternacht, bleibt er zurück.
DER KURFÜRST.
Welch einen Handschuh?
HOHENZOLLERN.
Herr, laß mich vollenden! –
Die Sache war ein Scherz; jedoch von welcher
Bedeutung ihm, das lernt ich bald erkennen.
Denn, da ich, durch des Gartens hintre Pforte,
Jetzt zu ihm schleich, als wär's von ohngefähr,
Und ihn erweck, und er die Sinne sammelt:
Gießt die Erinnrung Freude über ihn,
Nichts Rührenders, fürwahr, kannst du dir denken.
Den ganzen Vorfall, gleich, als wär's ein Traum,
Trägt er, bis auf den kleinsten Zug, mir vor;
So lebhaft, meint' er, hab er nie geträumt – :
Und fester Glaube baut sich in ihm auf,
Der Himmel hab ein Zeichen ihm gegeben:
Es werde alles, was sein Geist gesehn,
Jungfrau und Lorbeerkranz und Ehrenschmuck,
Gott, an dem Tag der nächsten Schlacht, ihm schenken.
DER KURFÜRST.
Hm! Sonderbar! – Und jener Handschuh –?
HOHENZOLLERN.
Ja, –
Dies Stück des Traums, das ihm verkörpert ward,
Zerstört zugleich und kräftigt seinen Glauben.
Zuerst mit großem Aug sieht er ihn an –
Weiß ist die Farb, er scheint nach Art und Bildung,
Von einer Dame Hand –: doch weil er keine
Zu Nacht, der er entnommen könnte sein,
Im Garten sprach, – durchkreuzt in seinem Dichten,
Von mir, der zur Parol' aufs Schloß ihn ruft,
Vergißt er, was er nicht begreifen kann,
Und steckt zerstreut den Handschuh ins Collet.
DER KURFÜRST.
Nun? Drauf?
HOHENZOLLERN.
Drauf tritt er nun mit Stift und Tafel,
Ins Schloß, aus des Feldmarschalls Mund, in frommer
Aufmerksamkeit, den Schlachtbefehl zu hören;
Die Fürstin und Prinzessin, reisefertig
Befinden grad im Herrensaal sich auch.
Doch wer ermißt das ungeheure Staunen,
Das ihn ergreift, da die Prinzeß den Handschuh,
Den er sich ins Collet gesteckt, vermißt.
Der Marschall ruft, zu wiederholten Malen:
Herr Prinz von Homburg! Was befiehlt, mein Marschall?
Entgegnet er, und will die Sinne sammeln;
Doch er, von Wundern ganz umringt – –: der Donner
Des Himmels hätte niederfallen können! –!
Er hält inne.
DER KURFÜRST.
War's der Prinzessin Handschuh?
HOHENZOLLERN.
Allerdings!
Der Kurfürst fällt in Gedanken.
HOHENZOLLERN fährt fort.
Ein Stein ist er, den Bleistift in der Hand,
Steht er zwar da und scheint ein Lebender;
Doch die Empfindung, wie durch Zauberschläge,
In ihm verlöscht; und erst am andern Morgen,
Da das Geschütz schon in den Reihen donnert,
Kehrt er ins Dasein wieder und befragt mich:
Liebster, was hat schon Dörfling, sag mir's, gestern
Beim Schlachtbefehl, mich treffend, vorgebracht?
FELDMARSCHALL.
Herr, die Erzählung, wahrlich, unterschreib ich!
Der Prinz, erinnr ich mich, von meiner Rede
Vernahm kein Wort; zerstreut sah ich ihn oft,
Jedoch in solchem Grad abwesend ganz
Aus seiner Brust, noch nie, als diesen Tag.
DER KURFÜRST.
Und nun, wenn ich dich anders recht verstehe,
Türmst du, wie folgt, ein Schlußgebäu mir auf:
Hätt ich, mit dieses jungen Träumers Zustand,
Zweideutig nicht gescherzt, so blieb er schuldlos:
Bei der Parole wär er nicht zerstreut,
Nicht widerspenstig in der Schlacht gewesen.
Nicht? Nicht? Das ist die Meinung?
HOHENZOLLERN.
Mein Gebieter,
Das überlaß ich jetzt dir, zu ergänzen.
DER KURFÜRST.
Tor, der du bist, Blödsinniger! hättest du
Nicht in den Garten mich herabgerufen,
So hätt ich, einem Trieb der Neugier folgend,
Mit diesem Träumer harmlos nicht gescherzt.
Mithin behaupt ich, ganz mit gleichem Recht,
Der sein Versehn veranlaßt hat, warst du! –
Die delph'sche Weisheit meiner Offiziere!
HOHENZOLLERN.
Es ist genug, mein Kurfürst! Ich bin sicher,
Mein Wort fiel, ein Gewicht, in deine Brust!
Sechster Auftritt
Ein Offizier tritt auf. – Die Vorigen.
DER OFFIZIER.
Der Prinz, o Herr, wird augenblicks erscheinen!
DER KURFÜRST.
Wohlan! Laßt ihn herein.
OFFIZIER.
In zwei Minuten! –
Er ließ nur flüchtig, im Vorübergehn,
Durch einen Pförtner sich den Kirchhof öffnen.
DER KURFÜRST.
Den Kirchhof?
OFFIZIER.
Ja mein Fürst und Herr!
DER KURFÜRST.
Weshalb?
OFFIZIER.
Die Wahrheit zu gestehn, ich weiß es nicht;
Es schien, das Grabgewölb wünscht' er zu sehen,
Das dein Gebot ihm dort eröffnen ließ.
Die Obersten treten zusammen und sprechen miteinander.
DER KURFÜRST.
Gleichviel! Sobald er kömmt, laßt ihn herein.
Er tritt wieder an den Tisch und sieht in die Papiere.
GRAF TRUCHSS.
Da führt die Wache schon den Prinzen her.
Siebenter Auftritt
Der Prinz von Homburg tritt auf. Ein Offizier mit Wache. – Die Vorigen.
DER KURFÜRST.
Mein junger Prinz, Euch ruf ich mir zu Hülfe!
Der Obrist Kottwitz bringt, zugunsten Eurer,
Mir dieses Blatt hier, schaut, in langer Reihe
Von hundert Edelleuten unterzeichnet;
Das Heer begehre, heißt es, Eure Freiheit,
Und billige den Spruch des Kriegsrechts nicht. –
Lest, bitt ich, selbst, und unterrichtet Euch!
Er gibt ihm das Blatt.
DER PRINZ VON HOMBURG.
nachdem er einen Blick hineingetan, wendet sich, und sieht sich im Kreis der Offiziere um.
Kottwitz, gib deine Hand mir, alter Freund!
Du tust mir mehr, als ich, am Tag der Schlacht,
Um dich verdient! Doch jetzt geschwind geh hin
Nach Arnstein wiederum, von wo du kamst,
Und rühr dich nicht; ich hab's mir überlegt,
Ich will den Tod, der mir erkannt, erdulden!
Er übergibt ihm die Schrift.
KOTTWITZ betroffen.
Nein, nimmermehr, mein Prinz! Was sprichst du da?
HOHENZOLLERN.
Er will den Tod. –?
GRAF TRUCHSS.
Er soll und darf nicht sterben!
MEHRERE OFFIZIERE vordringend.
Mein Herr und Kurfürst! Mein Gebieter! Hör uns?
DER PRINZ VON HOMBURG.
Ruhig! Es ist mein unbeugsamer Wille!
Ich will das heilige Gesetz des Kriegs,
Das ich verletzt, im Angesicht des Heers,
Durch einen freien Tod verherrlichen!
Was kann der Sieg euch, meine Brüder, gelten,
Der eine, dürftige, den ich vielleicht
Dem Wrangel noch entreiße, dem Triumph
Verglichen, über den verderblichsten
Der Feind' in uns, den Trotz, den Übermut,
Errungen glorreich morgen? Es erliege
Der Fremdling, der uns unterjochen will,
Und frei, auf mütterlichem Grund, behaupte
Der Brandenburger sich; denn sein ist er,
Und seiner Fluren Pracht nur ihm erbaut!
KOTTWITZ gerührt.
Mein Sohn! Mein liebster Freund! Wie nenn ich dich?
GRAF TRUCHSS.
O Gott der Welt!
KOTTWITZ.
Laß deine Hand mich küssen!
Sie drängen sich um ihn.
DER PRINZ VON HOMBURG wendet sich zum Kurfürsten.
Doch dir, mein Fürst, der einen süßern Namen
Dereinst mir führte, leider jetzt verscherzt:
Dir leg ich tiefbewegt zu Füßen mich!
Vergib, wenn ich am Tage der Entscheidung,
Mit übereiltem Eifer dir gedient:
Der Tod wäscht jetzt von jeder Schuld mich rein.
Laß meinem Herzen, das versöhnt und heiter
Sich deinem Rechtsspruch unterwirft, den Trost,
Daß deine Brust auch jedem Groll entsagt:
Und, in der Abschiedsstunde, dess' zum Zeichen,
Bewill'ge huldreich eine Gnade mir!
DER KURFÜRST.
Sprich, junger Held! Was ist's, das du begehrst?
Mein Wort verpfänd ich dir und Ritterehre,
Was es auch sei, es ist dir zugestanden!
DER PRINZ VON HOMBURG.
Erkauf o Herr, mit deiner Nichte Hand,
Von Gustav Karl Hand den Frieden nicht! Hinweg
Mit diesem Unterhändler aus dem Lager,
Der solchen Antrag ehrlos dir gemacht:
Mit Kettenkugeln schreib die Antwort ihm!
DER KURFÜRST küßt seine Stirn.
Sei's, wie du sagst! Mit diesem Kuß, mein Sohn,
Bewillg' ich diese letzte Bitte dir!
Was auch, bedarf es dieses Opfers noch,
Vom Mißglück nur des Kriegs mir abgerungen,
Blüht doch aus jedem Wort, das du gesprochen,
Jetzt mir ein Sieg auf, der zu Staub ihn malmt!
Prinz Homburgs Braut sei sie, werd ich ihm schreiben,
Der Fehrbellins halb, dem Gesetzt verfiel,
Und seinem Geist, tot vor den Fahnen schreitend,
Kämpf er auf dem Gefild der Schlacht, sie ab!
Er küßt ihn noch einmal und erhebt ihn.
DER PRINZ VON HOMBURG.
Nun sieh, jetzt schenktest du das Leben mir!
Nun fleh ich jeden Segen dir herab,
Den, von dem Thron der Wolken, Seraphin
Auf Heldenhäupter jauchzend niederschütten:
Geh und bekrieg, o Herr, und überwinde
Den Weltkreis, der dir trotzt – denn du bist's wert!
DER KURFÜRST.
Wache! Führt ihn zurück in sein Gefängnis!
Achter Auftritt
Natalie und die Kurfürstin zeigen sich unter der Tür. Hofdamen folgen. – Die Vorigen.
NATALIE.
O Mutter, laß! Was sprichst du mir von Sitte?
Die höchst' in solcher Stund, ist ihn zu lieben!
– Mein teurer, unglücksel'ger Freund!
DER PRINZ VON HOMBURG bricht auf.
Hinweg!
GRAF TRUCHSS hält ihn.
Nein nimmermehr, mein Prinz!
Mehrere Offiziere treten ihm in den Weg.
DER PRINZ VON HOMBURG.
Führt mich hinweg!
HOHENZOLLERN.
Mein Kurfürst, kann dein Herz –?
DER PRINZ VON HOMBURG reißt sich los.
Tyrannen, wollt ihr
Hinaus an Ketten mich zum Richtplatz schleifen?
Fort! – Mit der Welt schloß ich die Rechnung ab!
Ab, mit Wache.
NATALIE indem sie sich an die Brust der Tante legt.
O Erde, nimm in deinen Schoß mich auf!
Wozu das Licht der Sonne länger schaun?
Neunter Auftritt
Die Vorigen ohne den Prinzen von Homburg.
FELDMARSCHALL.
O Gott der Welt! Mußt es bis dahin kommen!
Der Kurfürst spricht heimlich und angelegentlich mit einem Offizier.
KOTTWITZ kalt.
Mein Fürst und Herr, nach dem, was vorgefallen,
Sind wir entlassen?
DER KURFÜRST.
Nein! Zur Stund noch nicht!
Dir sag ich's an, wenn du entlassen bist!
Er fixiert ihn eine Weile mit den Augen; alsdann nimmt er die Papiere, die ihm der Page gebracht hat, vom Tisch, und wendet sich damit zum Feldmarschall.
Hier, diesen Paß dem schwed'schen Grafen Horn!
Es wär des Prinzen, meines Vetters Bitte,
Die ich verpflichtet wäre zu erfüllen;
Der Krieg heb, in drei Tagen, wieder an!
Pause. – Er wirft einen Blick in das Todesurteil.
Ja, urteilt selbst, ihr Herrn! Den Prinz von Homburg
Hat im verfloßnen Jahr, durch Trotz und Leichtsinn,
Um zwei der schönsten Siege mich gebracht;
Den dritten auch hat er mir schwer gekränkt.
Die Schule dieser Tage durchgegangen,
Wollt ihr's zum vierten Male mit ihm wagen?
KOTTWITZ UND TRUCHSS durcheinander.
Wie, mein vergöttert – angebeteter –?
DER KURFÜRST.
Wollt ihr? Wollt ihr?
KOTTWITZ.
Bei dem lebend'gen Gott,
Du könntest an Verderbens Abgrund stehn,
Daß er, um dir zu helfen, dich zu retten,
Auch nicht das Schwert mehr zückte, ungerufen!
DER KURFÜRST zerreißt das Todesurteil.
So folgt, ihr Freunde, in den Garten mir!
Alle ab.
Szene: Schloß, mit der Rampe, die in den Garten hinabführt; wie im ersten Akt. – Es ist wieder Nacht.
Zehnter Auftritt
Der Prinz von Homburg wird vom Rittmeister Stranz mit verbundenen Augen durch das untere Gartengitter aufgeführt. Offizier mit Wache. – In der Ferne hört man Trommeln des Totenmarsches.
DER PRINZ VON HOMBURG.
Nun, o Unsterblichkeit, bist du ganz mein!
Du strahlst mir, durch die Binde meiner Augen,
Mit Glanz der tausendfachen Sonne zu!
Es wachsen Flügel mir an beiden Schultern,
Durch stille Ätherräume schwingt mein Geist;
Und wie ein Schiff, vom Hauch des Winds entführt,
Die muntre Hafenstadt versinken sieht,
So geht mir dämmernd alles Leben unter:
Jetzt unterscheid ich Farben noch und Formen,
Und jetzt liegt Nebel alles unter mir.
Der Prinz setzt sich auf die Bank, die in der Mitte des Platzes, um die Eiche aufgeschlagen ist; der Rittmeister Stranz enfernt sich von ihm, und sieht nach der Rampe hinauf.
DER PRINZ VON HOMBURG.
Ach, wie die Nachtviole lieblich duftet!
Spürst du es nicht?
Stranz kommt wieder zu ihm zurück.
STRANZ.
Es sind Levkojn und Nelken.
DER PRINZ VON HOMBURG.
Levkojn? – Wie kommen die hierher?
STRANZ.
Ich weiß nicht. –
Es scheint, ein Mädchen hat sie hier gepflanzt.
– Kann ich dir eine Nelke reichen?
DER PRINZ VON HOMBURG.
Lieber! –
Ich will zu Hause sie in Wasser setzen.
Eilfter Auftritt
Der Kurfürst mit dem Lorbeerkranz, um welchen die goldne Kette geschlungen ist, Kurfürstin, Prinzessin Natalie, Feldmarschall Dörfling, Obrist Kottwitz, Hohenzollern, Golz usw. – Hofdamen, Offiziere und Fackeln erscheinen auf der Rampe des Schlosses. – Hohenzollern tritt, mit einem Tuch, an das Geländer und winkt dem Rittmeister Stranz; worauf dieser den Prinzen von Homburg verläßt, und im Hintergrund der Wache spricht.
DER PRINZ VON HOMBURG.
Lieber, was für ein Glanz verbreitet sich?
STRANZ kehrt zu ihm zurück.
Mein Prinz, willst du gefällig dich erheben?
DER PRINZ VON HOMBURG.
Was gibt es?
STRANZ.
Nichts, das dich erschrecken dürfte! –
Die Augen bloß will ich dir wieder öffnen.
DER PRINZ VON HOMBURG.
Schlug meiner Leiden letzte Stunde?
STRANZ.
Ja! –
Heil dir und Segen, denn du bist es wert!
Der Kurfürst gibt den Kranz, an welchem die Kette hängt, der Prinzessin, nimmt sie bei der Hand und führt sie die Rampe herab. Herren und Damen folgen. Die Prinzessin tritt, umgeben von Fackeln, vor den Prinzen, welcher erstaunt aufsteht; setzt ihm den Kranz auf, hängt ihm die Kette um, und drückt seine Hand an ihr Herz. Der Prinz fällt in Ohnmacht.
NATALIE.
Himmel! die Freude tötet ihn!
HOHENZOLLERN faßt ihn auf.
Zu Hülfe!
DER KURFÜRST.
Laßt den Kanonendonner ihn erwecken!
Kanonenschüsse. Ein Marsch. Das Schloß erleuchtet sich.
KOTTWITZ.
Heil, Heil dem Prinz von Homburg!
DIE OFFIZIERE.
Heil! Heil! Heil!
ALLE.
Dem Sieger in der Schlacht bei Fehrbellin!
Augenblickliches Stillschweigen.
DER PRINZ VON HOMBURG.
Nein, sagt! Ist es ein Traum?
KOTTWITZ.
Ein Traum, was sonst?
MEHRERE OFFIZIERE.
Ins Feld! Ins Feld!
GRAF TRUCHSS.
Zur Schlacht!
FELDMARSCHALL.
Zum Sieg! Zum Sieg!
ALLE.
In Staub mit allen Feinden Brandenburgs!
Ende
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