– Einen schönen Ring zog er dem Toten vom Finger, und eine Katze, gefüllt mit Goldstücken, riß er ihm vom Leibe.
»Jetzt Rosalie!« – schrie er. – »Auf und davon, ehe des Nichtswürdigen Gesellen kommen!«
Nach einem Wege von anderthalb Stunden fanden sie ein heimliches Örtchen, mitten im tiefsten Walde; einen mit Buschwerk umwachsenen Hügel, an dessen Fuße ein silberheller Quell in den Abhang der Gegend hinabmurmelte. In der Mitte des Hügels war ein freies Plätzchen. Hier ließen sie sich nieder und sprachen über den blutigen Vorfall.
Rinaldo zählte das Gold in der erbeuteten Geldkatze und fand über 200 Stück Dukaten, einige goldene Schaustücke ungerechnet. Indessen durchstöberte Rosalie das Bündel und fand eine Waldbruderkutte, ein Paar falsche Nasen, einen Bart und Wäsche, die beiden sehr gelegen kam.
Sie nahmen hierauf eine kleine Mahlzeit ein, koseten noch mancherlei miteinander und übernachteten auf dem Flecke, wo sie waren.
Zweites Buch
Der Zufall weilt, wo Liebe weilet,
Er wirkt und schafft, er führt zum Ziel;
Dort wird der süße Raub geteilet,
Und immer kühner wird das Spiel.
Die Sonne war aufgegangen. Unser Pärchen machte sich auf den Weg. – Sie kamen der Landstraße näher und sahen, als sie eben dieselbe wieder verlassen wollten, einen Bauer auf sich zukommen, der bei ihrem Anblicke seine Schritte verdoppelte. Rosalie sprang in den Wald zurück; Rinaldo aber blieb stehen und erwartete die Annäherung des Bauern, der, noch weiter als zehn Schritte von ihm entfernt, ihm laut entgegenjauchzte:
»Sei gegrüßt, du glücklich Wiedergefundener!«
Da erkannte Rinaldo an der Stimme, daß es der wackere Cinthio war, der ihn so froh grüßte.
Sie eilten aufeinander zu und umarmten sich mit Frohlocken. – Rosalie trat schüchtern herbei.
RINALDO Sehe ich dich wieder, braver Cinthio! – Und du bist dem Tode entkommen?
CINTHIO Glücklich! – Ich, Altaverde und der Bube Steffano, wir sind es, glaube ich, nebst dir allein, die von uns allen entkommen sind. Wir dreie, verwundet, aber ich am leichtesten, wurden über die Gebirge getrieben. Bei dem Caprilischen Passe war Matheo mit seinem Kommando von den Soldaten beängstigt worden und zog sich, der Grenze näher zu sein, über die Perlenhöhen. Dort trafen wir uns und erzählten ihm unser Unglück. Es war nicht zu zaudern. Wir griffen einen Milizposten an, ließen acht Mann auf dem Platze und schlugen uns durch, bis in die Waldungen, wo ich dich jetzt so glücklich gefunden habe. Und hier hausen wir.
RINALDO Führe mich zu den braven Burschen. – Ich weiß einen guten Platz für uns.
CINTHIO Wer ist das Mädchen?
RINALDO Sie gehört mir an.
CINTHIO So sei sie gegrüßt und willkommen.
Nun wanderten sie dem Platze zu, wo Matheo und seine Gesellen ihr Lager aufgeschlagen hatten. – Rinaldo wurde mit lautem Jubel empfangen und erzählte die Geschichte seines Kampfs mit Batistello.
»Das war recht, Hauptmann!« schrie Matheo, »daß du den Kerl niederschossest.«
Hierauf beschrieb ihnen Rinaldo die Ruinen, und sie brachen sogleich auf, von denselben Besitz zu nehmen. – Da quartierten sie sich ein und fingen an zu kochen und braten.
Gegen Abend gaben die Wachen Signale. Alle griffen zu den Waffen und zogen einem Trupp von zehn Mann entgegen, die von Batistellos Bande waren. Es kam bald zwischen beiden Parteien zum Handgemenge, die Batistellianer zogen den kürzeren. Sechs Mann blieben auf dem Platze. Die übrigen vier unterwarfen sich, schwuren Rinaldo den Eid der Treue und wurden unter seine Bande aufgenommen.
»Es kommt nicht wenig darauf an«, – sagte Rinaldo, als sie einige Tage unter den Ruinen verlebt hatten, – »zu wissen, wie es in dem Florentinischen steht. Ich habe mich entschlossen, selbst Nachforschungen anzustellen, und werde daher morgen auf einige Zeit von euch gehen. Ihr sollt mich aber bald wiedersehen, hoffe ich. Bis dahin mag Altavede das Kommando über euch führen. Als Beistände gebe ich ihm Matheo und Cinthio zu.« Den folgenden Morgen bestieg er, fein gekleidet, ein schönes Pferd, und Rosalie folgte ihm in Bubentracht auf einem Maultiere nach.
Er schlug den Weg nach Oriolo ein, und die Leser können leicht denken, daß er in die Gebirge eilte, seinem Freunde Donato einen Besuch abzustatten.
Die Soldaten waren wieder in ihre Quartiere zurückgekehrt, glaubten Rinaldinis Bande ganz zerstreut zu haben, und die Grenzen waren unbesetzt.
Es war ein schwüler Morgen, als er sich Donatos Klause näherte. Der Alte saß vor der Tür seiner Einsiedelei, hörte Hufschlag und stand eben auf, dem Geräusch entgegenzugehen, als Rinaldo vor ihm stand. Donato erkannte ihn nicht gleich, denn er hatte sein Gesicht unkenntlich gemacht, dennoch aber hatte er eine gewisse Ahnung, mit der er ihn scharf ins Auge faßte.
RINALDO Gott mit dir! Ich freue mich sehr, dich wohlauf zu sehen, ehrlicher Freund!
DONATO Du kennst mich?
RINALDO Wir kennen uns beide. – Kannst du nicht erraten, wer ich bin?
DONATO Ach! meine Ahnung! – Und du lebst wirklich noch? Man sagt für gewiß dich tot.
RINALDO Desto besser! – Du siehst aber, daß ich noch lebe.
DONATO Was willst du nun hier?
RINALDO Dich will ich noch einmal besuchen, ehe ich Italien verlasse.
DONATO Das willst du? – Und in andern Ländern? –
RINALDO Will ich in der Stille leben, Gutes tun und keine Räuber mehr anführen.
DONATO Segne der Himmel deinen Vorsatz!
RINALDO Jetzt bleibe ich bei dir und verlasse dich vor morgen nicht wieder.
Pferd und Maultiere wurden abgesattelt, die Mantelsäcke in Donatos Stube gebracht, und die Gäste nahmen Quartier. Was sie bei sich hatten, wurde für die Tafel hergegeben, und Rosalie, in ihrer jetzigen Tracht Rosetto genannt, nahm sich der Küche an.
Gegen Abend saßen Donato und Rinaldo vor der Tür und beobachteten den Zug donnerschwangerer Gewitterwolken, die die Gipfel der Berge umhüllten.
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