Gelingt mir mein Vorhaben, so führen wir einen kühnen Streich aus.«

Alle jauchzten laut auf und packten zusammen. Die Posten wurden eingezogen und Girolamo ging mit dem Vortrab ab. Dann folgte Altaverde mit dem Corps, und Cinthio führte den Nachtrab an. Bei welchem Zuge Rinaldo sein wollte, wußte niemand.

Er nahm seine Guitarre und sein Gewehr und ging in Begleitung zweier Hunde der Gegend zu, nach welcher vorige Nacht der Greis zugegangen war.

 

Bald fand er einen Fußweg und erblickte, als schon die Schatten länger wurden, zwischen Büschen, nahe an einem Bergrücken, ein kleines Hüttendach. Er ging darauf zu und hatte es noch nicht erreicht, als er den bekannten Greis gewahr ward, der Wurzeln ausgrub.

Sie grüßten einander, wie es schien, beiderseits verlegen. Endlich fragte der Alte, indem er sich zu fassen suchte:

»Hast du die Landstraße noch nicht gefunden?«

»Noch suchte ich sie nicht«; – antwortete Rinaldo. – »Aber dich habe ich aufgesucht, um dich um ein Nachtlager zu bitten.«

DER ALTE Du kannst bei mir übernachten, aber – aber zu bequem wirst du eben nicht ruhen.

RINALDO Wer ruhen kann, ruht immer bequem. – Ich bin kein Weichling. Du hast gesehen, daß ich vorige Nacht ziemlich hart lag. –

DER ALTE Wenn du vorliebnehmen willst, wie du mich findest, so kannst du mir folgen.

Rinaldo folgte ihm schweigend, und sie kamen in die Klause. – Reinlich und nett war das enge Stübchen, in welches Rinaldo geführt wurde. Ein Paar Tischchen und einige Stühle waren der ganze Hausrat, der hier zu sehen war. Auf dem einen Tische lag eine Lateinische Bibel, und ein Kruzifix stand darauf. Auf dem andern lag ein weibliches Strickzeug. Das fiel Rinaldo anfangs auf, aber, dachte er endlich, es ist wohl auch möglich, daß der Alte selbst strickt. – Indes räumte dieser doch das Strickzeug weg, als er bemerkte, daß sein Gast dasselbe mit größerer als gewöhnlicher Aufmerksamkeit betrachtete. Rinaldo wagte es nicht, ihn zu fragen, ob dies seine eigene Arbeit sei, und der Alte verließ auf einige Zeit die Stube.

Als er mit einer angezündeten Lampe wiederkam, zog Rinaldo ein paar Bouteillen Wein aus den Taschen, setzte sie auf den Tisch und sagte:

»Bei einem Glase Wein wollen wir uns näher kennenlernen.«

»Eine Bekanntschaft« – antwortete der Alte, – »die von ein paar rechtlichen Menschen bei einer Flasche Wein gemacht wird, ist nicht selten so herzlich geworden, als der Wein selbst der herzlichste Trank ist, den der Himmel den Menschen gegeben hat. – Er wird das Beste bei unserer Abendmahlzeit sein, denn ich kann meinem Gaste weiter nichts vorsetzen als ein Stück Käse und Brot, etwas Butter und eine Melone, die ich eben heute erst abgeschnitten habe.«

»Genug, lieber Alter! für uns beide. Auch genug, wenn noch eine dritte Person mit uns speisen sollte?« – sagte Rinaldo.

Der Alte antwortete schnell:

»Eine dritte Person? Ist noch jemand zurück, der dir folgt?«

»Von mir ist niemand zurück. Wenn aber etwa hier« –

»Bei mir wohnt keine Seele, als mein Hündchen und ein paar Turteltauben. – Wie kommst du aber auf die Vermutung, hier außer mir, noch eine Person zu finden?«

Rinaldo schob den Tischkasten auf und zeigte auf das Strickzeug.

»Aha!« – lächelte der Alte. – »Ja, dieses Strickzeug gehört wirklich einer dritten Person, die aber nicht bei mir wohnt. Sie hat es vergessen und diesen Morgen hier liegenlassen.«

Hierauf verließ der Alte seinen Gast, sein frugales Mahl aufzutragen.

Indessen sah sich Rinaldo genauer um und öffnete eine Tür, die in eine kleine Kammer führte. Hier war das Nachtlager des Alten, über welchem ein paar Pistolen zwischen zwei Ölgemälden hingen. Er nahm die Lampe, beleuchtete die Gemälde und fuhr betroffen zurück.

Die Gemälde, die er sah, waren die nämlichen Bildnisse, die ihm diesen Morgen als Beute waren gegeben worden; die Nonne und der Offizier. Den kleineren Portraits waren sie zum Sprechen ähnlich. – Er verließ die Kammer und ging nachdenkend in die Stube zurück.

Der Alte, der sich Donato nannte, trug seine Gerichte auf und setzte sich, als er ein kurzes Gebet recht herzlich gesprochen hatte, mit seinem Gaste zu Tisch.

Sie ließen es sich beide wohl schmecken, und als die erste Bouteille geleert und die zweite schon angebrochen war, kam es zu einer, uns auch nicht gleichgültigen, Unterhaltung.

RINALDO Nun ein Glas auf das Wohlsein der bewußten dritten Person; sie sei nun hier oder nicht!

DONATO Auf ihr Wohlsein! aber hier ist sie nicht.

RINALDO Wo denn?

DONATO Ungefähr eine Stunde von hier, außerhalb dem Gebirge, liegt ein Meierhof. In diesem wohnt das Mädchen, das ihr Strickzeug hier liegenließ. – Sie ist die Pflegetochter des Meiers; ein gutes, harmloses, frohes Geschöpf. Ich liebe sie, wie ein Vater seine Tochter liebt, und sie ist meiner Liebe, sie ist der Liebe der ganzen Welt wert.