Ach! und ihre wohltätigen Strahlen sind treffende Blitze für mein schuldiges Herz.«
Da rauschte es dicht bei ihm, an der Hecke. Er schlug die Augen auf, und das schöne Mädchen, das er einige Tage zuvor gesehen, mit dem er gesprochen hatte, stand vor ihm.
Betroffen standen beide einige Augenblicke sprachlos einander gegenüber. Endlich nahm Rinaldo das Wort:
»Bist du das gute Mädchen von dem benachbarten Meierhofe, das zuweilen den Klausner Donato besucht?«
AURELIA Dieses Mädchen bin ich.
RINALDO Wie nennt man dich?
AURELIA Aurelia ist mein Name. – Ihr seid ja wohl eben der Herr, der vor einigen Tagen mit mir sprach, als ich Erdbeeren suchte?
RINALDO Eben dieser. Der Freund deines Freundes Donato.
AURELIA Wo ist er?
RINALDO Er schläft.
AURELIA Er schläft noch? So muß er krank sein.
RINALDO Er ist auch wirklich nicht recht wohl. Eine kleine Schwäche – Es wird keine Folgen haben. Wenn ihn der Schlaf erquickt hat, wird es ihm besser sein. – Wir wollen ihn nicht wecken.
AURELIA Ich will's meinem Vater sagen. Der arme Donato ist alt und schwach. Er braucht Beistand.
RINALDO Diesen wollen wir ihm leisten.
AURELIA Wir? – Kenne ich Euch doch nicht, um in Eurer Gesellschaft allein hier bleiben zu können.
RINALDO Ich bin Donatos Freund.
AURELIA Das muß er mir erst selbst sagen. Bis dahin bleibe ich nicht allein mit Euch hier.
RINALDO Ehrenwort und Schwur! Du hast gar nichts zu fürchten.
AURELIA Wer seid Ihr denn?
RINALDO Ein Reisender.
AURELIA Und haltet Euch schon so lange in dieser Gegend auf?
RINALDO Es gefällt mir hier in den Bergen, wo so schöne Mädchen wohnen.
AURELIA Meint Ihr mich? – Ihr wißt wohl nicht, daß ich außerhalb den Bergen wohne?
RINALDO O ja! Das hat mir Donato gesagt.
Da rauschte es um die Hecke. Rinaldo sah hin und erblickte Cinthio, der ihm winkte. – Aurelia sprang in die Einsiedelei.
»Hauptmann!« sagte Cinthio, – »Deine Gegenwart ist bei uns durchaus notwendig. Es gibt Lärm.«
»Erwarte mich«, – antwortete Rinaldo und ging in die Klause.
»Liebes Mädchen!« – sagte er zu Aurelien, – »bleibe bei Donato.«
SIE Das versteht sich! Zumal da er krank ist.
ER Und wenn er erwacht, sag' ihm, daß ich ihn bald wiedersehen würde.
SIE Wo geht Ihr denn jetzt hin?
ER Mein Bedienter ruft mich zu meinem Gepäck, wo eine kleine Unordnung vorgegangen ist. – Leb' wohl, liebes Mädchen, und bleib mir gewogen!
SIE Ich soll Euch gewogen bleiben? – Wißt Ihr doch noch nicht, ob ich es bin.
ER Mir sagt es mein Herz.
SIE Glaube ihm nicht. Es macht Euch nur etwas weiß. – Lebt wohl!
Er drückte ihr die Hand und eilte fort. – In Cinthios Begleitung erreichte er den Platz, wo seine Leute sich gelagert hatten.
»Gut, daß du kommst, Hauptmann« – schrien viele Stimmen durcheinander. – »Wir müssen wissen« –
»Still!« – donnerte Rinaldos Antwort. – »Girolamo! lies den fünften und sechsten Punkt unserer Gesetze laut ab!«
Das geschah. – Hierauf erzählte Rinaldo die Szene in der Klause und endigte mit dem Ausrufe: »Nun entscheide unser Vertrag und unser Gesetz!«
»Gnade! Gnade! Gnade für Paolo!« schrien viele Stimmen.
Rinaldo schwieg. – Paolo lag an der Erde, ward eben wieder frisch verbunden, und bat mit schwacher Stimme um Gnade.
Rinaldo schwieg. – Girolamo trat zu ihm und bat für Paolo um Gnade. – Rinaldo sagte kein Wort.
Jetzt trat Fiorilla zu ihm und begann:
»Hauptmann, um der Leiden willen, die mein Herz um deinetwillen erduldet hat, bitte ich um Gnade für Paolo, den ich liebe, um meine Liebe zu dir zu unterdrücken.«
»Ich stehe, wie ihr, unter dem Gesetze«, – antwortete Rinaldo, – »und kann nicht begnadigen«.
»Du sollst nicht mehr unter dem Gesetze stehen«, – schrien alle. – »Du sollst Gesetzgeber sein und Gnade erteilen können.«
»Wenn ihr das wollt« –
»Wir schwören es dir zu!«
»So sei Paolo begnadigt, und seine Gesellen mit ihm. Aber unter der einzigen Bedingung: daß dieser Fall der erste und letzte sei, in welchem ich bei einem solchen Betragen begnadige.«
»Es sei!«
»Übrigens – bestimme ich: daß Paolo und seine Gefährten, die den ehrwürdigen armen Greis mißhandelten, demselben zwei Ziegen, zwei Fässer Wein, ein Dutzend Stück Federvieh geben und ihn demütig um Verzeihung bitten sollen.«
»Bravo! Bravo! – Es lebe der Hauptmann!«
Unter lautem Jubel, unter Musik und Freudengeschrei nahm Rinaldo dann sein Frühstück vor seinem Gezelte ein; sah dem Gewühle eine Weile zu; zeichnete mancherlei in seine Schreibtafel; schrieb einige Orders, die er versiegelte, und ließ dann das Corps zusammenrufen, welches sogleich still und lauschend in einem weiten Kreis um ihn herum stand. Rinaldo blieb auf seinem Sitze und begann:
»Hier Girolamo! gebe ich dir eine Order, die du in Borgo öffnen kannst. Die Lage der Dinge wird bestimmen, ob du dann nach Arezzo gehen wirst, oder nicht. Das Geschäft, welches dich dorthin führen wird, erfordert Vorsicht, die ich dir nicht besonders zu empfehlen brauche. – Dich, Fiorilla, schicke ich nach Bibiena.
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