Denn, versteht, das, was gedacht wird, soll denken, ein Kasus, der einen sonst ganz vernünftigen Menschen wohl toll machen könnte.
AGNES. Wieso?
SIMON. Siehst du, jetzt verstehst du mich gar nicht, weil du auf die Gedanken noch gar nicht gekommen bist. – Siehst du, ich denke, und mit dem Zeuge, womit ich denke, soll ich denken, wie dieses Zeug selbst beschaffen sei. Es ist pur unmöglich. Denn das, was denkt, kann nicht durch sich selbst gedacht werden.
AGNES. Es ist wahr, darüber könnte man wirklich toll werden.
SIMON. Nun seht ihr, und doch fragt ihr immer noch, warum ich melancholisch bin? Ein Arzt tritt ein.
ARZT. Verzeiht, meine Fräulein, ich ritt eben vorbei – wie geht es Euch, Ritter?
SIMON. Gut, insoweit, ich habe Eure Sachen gebraucht, es hilft für den Magen, aber nicht für den Verstand.
ARZT. Wie kommt Ihr darauf, daß die Medizin für den Verstand sein könnte?
SIMON. Aber je besser mein Magen wird, je schwächer wird mein Verstand.
ARZT. Das ist nicht anders.
SIMON. So werd' ich ja aber auf der einen Seite nur krank, wenn auf der andern die Gesundheit anschießt.
ARZT. Freilich wohl.
SIMON. So ist man am Ende in der schönsten Blüte der Gesundheit, wenn man schon in den letzten Zügen liegt.
ARZT. Das kann wohl sein.
SIMON zu den Schwestern. Nun, seht ihr, und man soll nicht melancholisch werden.
ARZT. Der Magen ist nichts als ein Gegenbild zum Kopfe, ja, ich möchte sagen, ein Vater des Kopfs. Wenn der Magen tüchtig denkt und sieh an den Speisen übt und immer neue fordert und dieses wiederholten Studiums nicht überdrüssig werden kann, so steht der Kopf unter der Vormundschaft und ist gleichsam nur ein Bedienter seines Herrn Vaters. Wird er mündig gesprochen und die Herrschaft fällt ihm zu, so fällt er gierig über die Nahrung her, die ihm gefällt, er denkt unermüdet und sucht immer nach neuen Ideen, indes sein armer alter Vater unter ihm zusammenschrumpfet und es am Ende sehr übelnimmt, wenn man ihm nur irgendeine Speise zumutet.
AGNES lacht überlaut. Noch nie habe ich eine so lustige Philosophie gehört; – der Magen ein Vater – der Verstand eine Zwiebel.
ARZT fühlt Simons Puls. Ihr habt nicht gut geschlafen.
SIMON. Ach nein – es liegt mir beständig etwas im Kopfe. –
ARZT. Was denn?
SIMON. Seht, der Mensch kann alle Anlagen entwickeln, die in ihm liegen, alle seine dunkeln Empfindungen aufklären – ob man es denn gar nicht bis zum Prophezeien sollte bringen können.
ARZT. Ja, lieber Ritter –
SIMON. Es hat aber doch schon Propheten gegeben, und vielleicht hat man ihrer noch jetzt, und vielleicht kann man einer werden, wenn man nur auf den wahren Weg gerät.
ARZT. Das ist nur Schimäre.
SIMON.
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