Man erzählt, daß ein Mensch, der sich, lieber im Müßiggang durch schlechte Mittel, als durch Fleiß und Arbeit ernähren wollte, einen Bund mit dem bösen Geist gemacht habe. Der Mann wohnte an einem Wasser, und der Böse versprach ihm, alles bare Geld, das er[16] im Hause habe, zu verdoppeln, wenn er damit über die Brücke gehe, und verlange nichts dafür, als daß er ein 24-Kreuzerstück davon ins Wasser werfe, wenn er wieder über die Brücke zurückgehe, und das dürfe er wiederholen, seinetwegen sooft er wolle. Der Einfältige schlägt mit Freuden ein, sucht alles bare Geld im Hause zusammen, macht die erste Probe, und diesmal scheint der schwarze Feind ehrlich zu sein, denn er hält Wort, und der andere natürlicherweise auch.

Wie oft und lange mag nun der Glückliche seinen Gang über die Brücke hin und her wiederholen? Solange es gut tut, solange er etwas hinüberzutragen hat, dreimal in allem. Denn als er zum drittenmal mit seiner verdoppelten Barschaft zurückkehrte: und das drittemal den ausbedungenen Brückenzoll ins Wasser warf; so hatte der böse Feind sein Geld alles rein und bar bis auf den letzten roten Heller, und der arme Betrogene ging leer nach Haus, und hatte nichts mehr in den Strom zu gehen, wenn er über die Brücke ging, als Tränen um seine letzte verlorne Barschaft. – Wer rechnen kann, wird's bald heraushaben, wie viel der Betrogene zum erstenmal Geld über den Strom zu tragen hatte, und daß alles natürlich zuging. Und mancher, den die Erfahrung auch schon klug gemacht hat, wird denken: Akkurat so geht's! Die Auflösung wird bald nachfolgen.[17]

 

Von den Prozessionsraupen

Oft fürchten wir, wo nichts zu fürchten ist, ein andermal sind wir leichtsinnig nahe bei der Gefahr. In unsern Eichwäldern hält sich eine Art von graufarbigen haarigen Raupen auf, die sich in sehr großer Anzahl zusammenhalten, und in ganzen großen Zügen dicht aneinander und aufeinander von einem Baum auf den andern wandern, deswegen nennt man sie Prozessionsraupen. Oft sieht man sie langsam auf der Erde fortkriechen, oder an den Eichenstämmen hinaufziehen; sie teilen sich bisweilen wie ein Strom in zwei und mehrere Arme, ziehn eine Strecke weit so fort, vereinigen sich dann wieder und schließen einen leeren Raum in der Mitte, wie[17] eine Insel zwischen sich ein: Oft sieht man an der Länge eines ganzen Stammes hin eine unzählige Menge leere Bälge, welche sie bei der Häutung hängen ließen. Wer im Sommer oft in Eichwälder kommt, wird sich erinnern, dieses schon gesehen zu haben. Daß solche ganze Züge von gefräßigen Raupen an den Blättern der Bäume, wo sie hinkommen, große Verwüstungen anrichten, und das Gedeihen und die Gesundheit der Bäume hindern können, ist leicht zu erachten; doch ist das nicht das schlimmste, sondern sie können sogar dem menschlichen Körper gefährlich werden, wenn man ihnen zu nahe kommt, sie mutwillig beunruhigt, oder gar aus Unvorsichtigkeit mit einem entblößten Teil des Körpers berührt und drückt. Sie dulden es nicht ungestraft, wenn sie sich rächen können. Man hat schon einige traurige Beispiele an Leuten erlebt, denen solches widerfahren ist. Sie bekamen bald starke Geschwulst, heftige und schmerzhafte Entzündungen an der Stelle des Körpers, wo sie diese Raupen mit bloßer Haut berührten, und nach dem Zeugnis erfahrner Ärzte könnte daraus noch größeres Unheil entstehen, wenn man nicht mit zweckmäßigen Heilmitteln zuvorkäme. Aber wie das zugehen mag. Die Raupen lassen augenblicklich ihre kurzen, steifen stechenden Haare gehen, und drücken und schießen sie gleichsam wie Pfeile ihrem Feind in die zarte Haut des Körpers. Dies ist das Mittel, welches die Natur auch diesen verachteten Tieren zu ihrer Verteidigung gegeben hat. Mehrere andere Arten von Haarraupen tun es auch. Aber bei den Prozessionsraupen ist die Menge gefährlich. Der Körper bekommt unzählig viele kleine unsichtbare Wunden; in jeder bleibt der feine reizende Pfeil stecken, und viel kleine Ursachen zusammen tun eine große Wirkung, was man auch sonst im menschlichen Leben so oft erfährt, und doch so wenig bedenkt. Man soll also mit diesen Tieren keinen unnötigen Mutwillen treiben; wenn man Ursache hat, an einem Baum hinaufzuklettern, soll man aufschauen, was daran ist; man soll in der Nähe von Eichbäumen halbnackte Kinder nicht auf den Boden setzen, ohne ihn zuerst zu besichtigen, und sie warnen, daß sie es nicht selber tun. Es ist leichter, Schaden zu verhüten, als wieder gutzumachen.[18]

 

Fortsetzung über die Erde und Sonne

Nachdem in der vorhergegangenen Predigt zuerst von der Erde und hernach von der Sonne, jede für sich geredet worden ist, so wollen wir nur noch mit wenigem hören, wie sie untereinander in guter Freundschaft leben, und wie aus ihrer Liebe zueinander Tag und Nacht, Märzveilchen, Erndekränze, Wein und gefrorne Fensterscheiben entstehen.

Da die unermeßlich große Sonne in einer so unermeßlich weiten Entfernung von uns weg ist, so hat es den Sternforschern schon lange nicht mehr einleuchten wollen, daß sie unaufhörlich und je in 24 Stunden um die kleine Erde herumspringen soll in einer unbegreiflichen Kraft und Geschwindigkeit, nur damit wir in diesem kurzen Zeitraum einmal Morgen und Mittag, Abend und Nacht bekämen, und wandelnde Sterne. Denn die Naturkündiger haben sich überzeugt, daß alles, was geschieht, auf eine viel einfachere und leichtere Art auch geschehen könnte. Allein ein rechtschaffner Sternseher, Kopernikus genannt, hat bewiesen, daß es nicht nur so geschehen könnte, wie die Naturforscher denken, sondern daß es wirklich so geschieht, und die göttliche Weisheit hat früher daran gedacht, als die menschliche.

Der geneigte Leser wird jetzt erfahren, was Kopernikus behauptet und bewiesen hat, wird aber ersucht, zuerst alles zu lesen, ehe er den Kopf schüttelt, oder gar lacht.

Erstlich, sagt Kopernikus, die Sonne, ja selbst die Sterne haben gegen die Erde weiters keine Bewegung, sondern sie stehen für uns so gut als still.

Zweitens, die Erde dreht sich in 24 Stunden um sich selber um. Nämlich, man stelle sich vor, wie wenn von einem Punkt der Erdkugel durch ihr Zentrum bis zum entgegengesetzten Punkt eine lange Spindel oder Achse gezogen wäre. Diese zwei Punkte nennt man die Pole. Gleichsam um diese Achse herum dreht sich die Erde in 24 Stunden, nicht nach der Sonne, sondern gegen die Sonne, und wenn ein langer roter Faden ohne Ende, ich will sagen am 21. März von der Sonne herab auf die Erde reichte, und mittags um 12 Uhr, an einen Kirschbaum oder an einem Kruzifix auf dem Felde angeknüpft[19] würde, so würde die Erdkugel diesen Faden in 24 Stunden einmal ganz um sich herum gezogen haben, und so jeden andern Tag.

Auf diese einfache Weise geschieht das nämliche, was geschehen würde, wenn die Sonne in der nämlichen Zeit, einen Kreisgang von 132 Millionen Meilen rings um die feststehende Erde herum wandeln müßte. Nämlich die eine Hälfte der Erdkugel ist gegen die Sonne gekehrt, und hat Tag, und eine Hälfte ist von der Sonne abgekehrt gegen die Sterne hinaus, und hat Nacht, aber nie die nämliche, sondern wie die Erdkugel sich gleichsam an ihrer Achse gegen die Sonne dreht, löst sich immer an dem einen Rand der finstern Hälfte ein wenig von der Nacht in die Dämmerung auf, bis man dort die ersten Strahlen der Sonne erblicken kann, und meint, sie gehe auf, und an der andern Seite der erleuchteten Hälfte wird's immer später und kühler, bis man die Sonne nicht mehr sieht, und meint, sie sei untergegangen, und der Morgen und Mittag und Abend, das heilige Osterfest und sein Glockengeläute wandeln in 24 Stunden um die Erde herum, und erscheinen nie an allen Orten zu gleicher Zeit, sondern in Wien zum Beispiel 24 Minuten früher als in Paris.

Drittens, sagt Kopernikus, während die Erde den Morgen und den Abend, und zu seiner Zeit das heilige Osterfest in 24 Stunden gleichsam um sich herum spinnt, bleibt sie nicht an dem nämlichen Ort, im unermeßlichen Weltraum stehen, sondern sie bewegt sich unaufhörlich, und mit unbegreiflicher Geschwindigkeit in einer großen Kreislinie, zwischen der Sonne und den Sternen fort, und kommt in 365 Tagen und ungefähr 6 Stunden um die Sonne herum, und wieder auf den alten Ort.

Deswegen und weil alsdann nach 365 Tagen, und ungefähr 6 Stunden alles wieder so wird, und alles wieder so steht, wie es vor ebensoviel Zeit auch gestanden ist, so rechnet man 365 Tage zu einem Jahr, und spart die 6 Stunden vier Jahre lang zusammen, bis sie auch 24 Stunden ausmachen, denn man darf nichts von der kostbaren Zeit verloren gehn lassen. Deswegen rechnet man je auf das 4. Jahr einen Tag mehr, und nennt es das Schaltjahr.[20]

Die Sache fängt an, dem verständigen Leser einzuleuchten, und er wäre bald bekehrt, wenn er nur auch etwas von dem Drehen und Laufen der Erdkugel verspüren könnte! Deswegen und

Viertens, sagt der Hausfreund, man kann die Bewegung eines Gefährtes, auf welchem man mitfahrt, eigentlich nie an dem Gefährte selbst erkennen, sondern man erkennt sie an den Gegenständen rechts und links, an den Bäumen und Kirchtürmen, welche stehenbleiben, und an denen man nach und nach vorbeikommt.