Und das Wams Samt mit frohlockenden Lichtern und dumpfen gesättigten Tiefen. Samt auch die engen knappen Ärmel bis zum Handgelenk. Um die Hüften ein Gürtel, spitz zum Schoß, starr aus gleißenden Rotgoldschuppen, die Schuhe rotes Leder mit geschmeidigen Sohlen und Rubinspangen.

Er streichelte die Seide und rieb sie, bis sie elektrisch knisterte. Und koste das üppige Rot mit den Augen im Spiegel.

Es wird sich freuen!

Es wird jauchzen!

Und er hörte des Kindes Lachen wie schmächtige gläserne Glocken.

Er streichelte von neuem die Seide, bis sie wie Schaumgold knisterte und immer erregter wurde.

Ganz allmählich hielt er an. Seine Nasenflügel vibrierten. Er roch in die Luft, ging rasch, und stieß die alten Kleider in eine Ecke.

Dieser brandige Dunst!

Sonst war es ihm nie so aufgefallen! Und er goß von neuem in die Ärmelfalten und in den Hals von der Maiglockenessenz.

Rasch fort.

Den weiten schwarzen spanischen Mantel über.

Ein geschlossener Wagen – – fort.

Der Kutscher kannte ihn.

Er fuhr ihn immer.

Aber schon in der dritten Straße wieder dieser Geruch. Er mußte aus seinem Fleische kommen. Er hielt die Hände vor den Mund, hauchte hinein. Aber sein Atem war rein. Doch – ganz deutlich, als er die Handflächen beroch – es kam aus den Poren.

Sein Kind – nein, er durfte es so nicht küssen.

Er klopfte an die Vorderscheibe, der Kutscher bückte sich, er zog an der Gurte, das Fenster fiel nieder.

Bei einer Parfümerie soll er halten.

Hyazinthenduft oder Jasmin. Das mußte alles andere durchwirken. Der Kutscher brachte Jasmin.

Und er schüttete es im rüttelnden Wagen über Hände, Gesicht, goß es in die Schuhe und in den Nacken, bis nur noch ein Stechen und Raufen um ihn war, und er ganz wund von den keifenden Düften.

Nach einer Viertelstunde über die letzte Brücke draußen, am Ende der Stadt. Die schwarzen Kandelaber an den Brückenköpfen eben angezündet. Wie große gepreßte Goldklumpen hing das gelbe Licht in der scharfen Abendbläue.

An der roten Kaserne vorbei. Lärm, Gejohle in der Kantine. Schlaffe, schmauchende Soldaten bei der Wache am Eingang.

Dann eine pfeilgerade Chaussee, weiß, spitz in die Ferne getrieben, darüber die Ulmenwölbung, ein fortlaufender grüner Tunnel. Laubgebauschte, weiche Berge, gelbe Felder, ein träges Tal, der Fluß, und drüben wieder Berge, Weinberge.

Beim vierzigsten Ulmenbaume halt. Der Kutscher wußte das. Er verzählte sich nie. Aber heute – beim zweiundvierzigsten erst.

»Es war zu lange her, seit ich Sie fuhr,« entschuldigte er, lüftete den Wachstuchhut und wischte die Schweißfunken von der Stirn.

Der stumme Mann nickte nur und stieg vorsichtig aus. Sprang über den Chausseegraben beim dritten Baume, gleich rechts in einen dünnen Weg zwischen hohen Ähren. Gerade mit den Augen sah er noch über die braunen Halmenköpfe.

Er hörte den Wagen umwenden.

Noch einen Baum weiter gefahren und man hätte ihn drüben vom Paradies sehen müssen. Der Wagen knirschte immer ferner auf der Landstraße – dann wurde es ganz still.

Die Grannen hingen gebeugt, nur in leisem schwachen Schwanken. Die Hitze preßte dumpfen Korngeruch aus den Ähren, und unten zwischen den Halmschäften war die Erde aschgrau und in Rissen geborsten.

Der stumme Mann schlug den Mantel auf und ließ ihn nachschleifen. Von dem Scharlach ging ein lauernder Schein hellrötlich an den steifen Halmen entlang, mit jedem Schritt klirrte das Rot an andere Halme. Eine Lerche zog sich hinauf in den Himmel, ihre Töne plätscherten nieder, aber sie rieselten nur durch die Stille, zerstörten sie nicht.

Drüben, weit im graugelben Feld trieb dunkles, gedrängtes Grün hoch, in Kuppeln, in Säulen, aus dem flachen niedern Halmboden steilsteigend zusammengepreßt, wie eine schroffe hohe Insel.

Vor dem schwarzgrünen gestauten Laub standen violette Dunstschichten, in langen dünnen Strichen. Oben in Laubklüften zwischen runden blaudunklen Kronen sammelten sich grüne flaumige Dämpfe, kreisten, quollen aus der Laubtiefe und goren wieder zurück. Manchmal, blitzschnell, mitten darin, zersprang ein Smaragdlicht und dann den Augenblick danach, schwieg alles und lag still, – und die Laubfarbe ward röchelnder, stumpf, und die violetten Schichten erschöpft weißgelb.

Der stumme Mann schüttelte den Kopf:

Das war sonst nie gewesen!

Er blieb öfters stehen, zog die Hutkrempe über die Augen, der scharfe Abendstrahl blendete.

Aber auch als er näher kam, blieben die zitternden Dünste und die grünen puffenden Dampfknäule in den Laubbrüchen.

Noch die Akazienallee.

Schweres Schilf, und blaue Lilien und schwarzgraue Lilien am Wege entlang. Die Lilien, die blauen immer üppiger gegen das Ende der Allee und die Blütentrauben in den Akazien schäumender.

Dann am silbernen Gitter.

Zu beiden Seiten eine blühende Lanzenwand um den Park.