Grüne Malvenzepter, Zepter bei Zepter, mit roten, und blaßgrünen, und rosigen und weißen Blütenrosetten.
Der stumme Mann suchte an den bunten Pfeilern und wollte dem Kinde eine ganz weiße Malve mitbringen. Aber ganz weiß keine. Die weißen alle mit feinem roten Geäder oder einem grauen Insektenbiß.
Er ging hinein.
Seinen Mantel ab – und ins Gebüsch gelegt, behutsam, und dann mit rauschenden Schritten leise über den blauglimmernden Rasen.
Kein Laut in dem Garten.
Rings die Bäume mit bläulichen Blättern. Eine Bläue wie aus schneidenden Säuren.
Über den Blättern ein Vibrieren, goldgrüne Käfer und durchsichtige Libellen in haardünnem singenden Flug.
Sonst kein Laut in dem Garten.
Kein Laut sonst.
Und mit jedem Schritte wechselten die Düfte, erst zartbitter von Pappelblättern, dann Myrten und Duft von Reseda und Ananas. Wie opalrosige Milchstrahlen flossen die Düfte an ihm vorbei.
Überall, wo er ging, schluckte das Laub den Scharlachschein seines Gewandes.
Er schüttelte wieder verwundert den Kopf. Er befühlte ein Blatt, das er gestreift, es war warm, und ein leichtes Pochen in den Adern.
Aber oben zwischen den Bäumen nichts. Durch die Kronen keine Dämpfe mehr, – und zurück – auch draußen nichts mehr, keine Dunstschichten, – stiller gespannter Hyazinthenhimmel, nur rötlicher, insichgekauerter als sonst.
Aber hinter ihm, durch den Rasen, in der Bläue des Grases standen seine Fußspuren rot, das Gras wie in Glut gefacht, und darüber zitterten dünne Dampfringe. Wo sein Fuß einen Tulpenbecher berührt hatte, stieg vom Grunde ein Rauchfaden, steil wie eine dünne modergraue Schlange.
Er ging schneller.
Die Stille und die Hitze, Düfte und Farben schwollen.
In einer feuchtschillernden Grotte hoben sich zwei Schwäne, zischten, schlugen mit den Flügeln und stoben auf. Ganz weit fielen sie knatternd nieder.
Einige Federn lagen an der warmen Stelle. Er hob sie auf. Um den Kiel lief eine rote Windung und die Spitze war auch rot.
Er schüttelte wieder den Kopf.
Wo ist mein Weiß! Mein heiliges Weiß! –
Ein weiter blütenüberschwollener Platz. Ringsum starr stockend der violette Laubwall. Im Blütenschaum die Häupter zweier Sphinxe, aus ernstem Lapislazuli, tiefblau, andächtig, wie ein eherner Nachthimmel.
Über die elfenbeinblassen Blüten zuckt das Herzpochen der Sphinxe, jeder Herzschlag ein wimmerndes Lila, ein Fluglicht aus ihren Augen, aus ihren Brüsten über die elfenbeinblassen Blüten.
Purpurbraune Moosstufen zu einer Blütenhalle. Weiße einfache Alabastersäulen, von Säule zu Säule rote Korallenstäbe. Die Decke des Saales dasselbe violette Laub wie im Garten und dazwischen triefende Granatblüten und Drachenblüten und Blutdolden, und aus allen Dolden sickert ein bläulicher Phosphorglimmer und strählt die Säulen.
Der Phosphor schwimmt in der Halle, und die Luft ein leuchtender blauer Nebel, alle Linien darin zart und grübelnd verschwommen.
Der stumme Mann trat tiefer hinein. Da begann in der Bläue ein Zittern, ein fieberndes Rieseln, der Scharlach an ihm sog die Helle und es sank alles an ihm nieder, glimmerte auf den Fäden der Seide, auf den Haarspitzen des Samtes und zerrann.
Bald war die Luft rings kahl und klar. Die Formen in der Klarheit scharf und unerschütterlich. Nur an den Pfeilern klopfte noch der blaue Phosphor, aber gelähmter und dürftiger.
Der stumme Mann zitterte.
Mein Kind? – Wo bist du? –
Mein Kind? –
Es regte sich nichts. Nur der Phosphor rann nieder, und draußen pochte der Herzschlag der Sphinxe über die Blüten. Aber sonst hing alles steif und gläsern.
Auf den silbernen Muschelplatten des Fußbodens blauseidne Pfühle, gefüllt mit duftigen Rosenblättern.
Der stumme Mann lag und starrte hinaus in den blauen Garten, und sein Scharlach bräunte die blaue Seide, der Jasminduft an ihm zerfraß den scheuen Rosenduft und alle Düfte rings.
Über dem Blütenplatz fort, drüben im matten Baumdunkel ein dünnes Licht.
Der stumme Mann zitterte. Seine Brauen bogen sich, die Augen vorgepreßt standen rund und steif.
Mein Kind – mein Kind!
Wie ein blasser Eisfunke ging es fern durch die Bäume.
Kam näher.
Eine durchsichtige Gestalt.
Ein Kindergesicht.
Horchende Augen, wie blauer Marmor und Milch. Leuchtende wachsbleiche Haare über Schulter und Nacken. Von den Schultern ein mondblaues Gewand, in geraden Falten wie silberne senkrechte Regenstrahlen und durch das schwache keusche Blau, der Leib in träumendem Meerschaumweiß.
Über dem Haupte kreiste langsam ein dünner Reif aus silbernen Blütenknospen.
Die Gestalt schwebte lautlos durch die Bäume. Die dunklen Zweige und Äste schimmerten matt durch den hellen Leib. Der Reif schwebte immer mit ihr.
Der stumme Mann preßte die Finger an die Schläfen. Sein Herz wurde eisig. Seine Augen folgten stöhnend dem Gange des Kindes.
Es bückte sich oft.
Es küßte die Erde.
Und ging denselben Weg zurück, den er gekommen, und die Zweige, die er gestreift, und die Blüten küßte es, und sein Licht zerging in der Ferne.
Der stumme Mann kroch in sich zusammen. Die Falten auf der Stirn klemmten sich grauer und tiefer. Die Finger griffen in das Wangenfleisch. Er kämpfte und stemmte sich gegen ein würgendes Grau, das sein Herzblut stockte.
Über dem Garten wölbte sich die Bläue wie eine Kristallkuppel.
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