Ganz weit darüber flogen Wolken. Aber so fern, nur wie schwacher Rauch, und kein Wolkenschatten fiel über die Blüten unten. Der blaue Nebel der Düfte im Garten leuchtete aus sich selbst.
Aber die Wolken draußen flogen immer gereizter und Sturm stürzte hoch über die Gartenbläue. Doch hier in die Tiefe drang es nur als ein Fächeln, sang in den Äolsharfen, in den rosigen Muschelhörnern zwischen den Säulen der Halle, und die Blüten draußen wiegten sich und stäubten feinen glimmernden Puder.
Der stumme Mann krümmte sich und schauerte. Er stopfte sich die Seide in die Ohren und kroch in die Pfühle, und sein Herz stöhnte:
Es ist nicht wahr, es ist nicht wahr! – mein Kind! Du wirst kommen – du mußt – Wie ihr mich martert, ihr höhnischen Fratzen – es ist heilig hier, alles heilig hier – fort – ich bin nicht euch – –
Aber der Scharlach grinste:
Du gehörst uns, ganz uns. Alles gehört uns.
Da wühlte er sich noch tiefer in die Pfühle, so tief, daß er durch das weiche Rosenpolster den kühlen Muschelboden fühlte. Dann lag er erschöpft. Die Muschelplatten vibrierten mit den Tönen der Äolsharfen. Er zählte ihr feines Schwingen und dabei schlief er ein.
Im Traume sah er sein Kind im Küssen durch die Bäume gehen, und jeder Kuß auf das Laub, das sein Scharlach erhitzt hatte, rann als Blutstrahl durch den durchsichtigen Körper des Kindes. Nach jedem Kuß reckte sich der Leib und die Brüste schwollen. Der Knospenreif über seinem Haupte erhitzte sich und die Knospen sprangen im Rubinlicht auf.
Dann kam es wieder den Weg zurück, es trat aus den Bäumen, da war das gläserne Kleid von seinem Leibe geschmolzen. Der Boden rauchte hinter ihm, und zehrte die Bläue von dem Laube und die Bläue aus der Luft. Über den Baumwänden schwollen die Wetterwolken, geduckt, gelbbraun mit weißen knisternden Augen.
Und das Kind kam über den Blütenschaum näher. Zu allen Seiten runzelten sich die Blüten und zerkrümelten grau versengt.
Es kam näher zur Halle.
Der Herzschlag der Sphinxe loderte fiebernder, ein breiter schütternder Schlag, – dann erstarrten sie, ihre Herzen zerfielen in Asche.
Er hatte sich bei dem Schlage umgewälzt. Ein röchelnder Branddunst von qualmendem Fleische – knirschende Hitze gegen sein Gesicht. Das Kind stand vor ihm.
Es preßte sich in heißen Linien gegen seine geschlossenen Augen.
Es bog sich über ihn. Die Augen gierig schwarz wie Tollkirschen. Vom Rubinreif über ihr tropfte die Glut und rann in roten Schlangen am Haar nieder, das wachsbleiche Haar hing purpurn in triefenden Bränden. In ihrem Körper verschlangen sich gierige Adernetze und die Spitzen der Brüste glühten.
Vater?!
Sie umschlang ihn.
Er wehrte ihr.
Aber sie kroch über ihn. Und ihr Leib drängte bebend und geschmeidig wie heiße Gallerte an ihn.
Sie sprachen nicht.
Sie küßten sich die Gedanken in das Herz. Und ihre Umarmungen, ihre Küsse waren Klagen und Tränen.
Draußen klirrte das Laub eisern, der Sturm rollte die Luft in polternden Blöcken, prallte zur Tiefe, begrub die Stille, und die Muschelhörner kreischten und barsten und die Äolsharfen zersprangen in Seufzern. Die Bläue erstickte, nur die Dolden glommen an den Korallenstäben, der Phosphor rann in Feuertränen an den Säulen nieder. Von allen Blüten der Decke tropfte warmes Blut und zerspritzte pochend über den weißen Muschelboden.
Ich habe dich vergiftet, mein Kind! Ich selbst –!
Ich habe dich aus meinem Blute geboren und muß dich nun mit meinem Blute töten, – mein Kind, – mein Kind! –
Es hörte nicht mehr. Es war eine Gier über das blasse Geschöpf gekommen, es warf sich über den stummen Mann, zerschnitt mit den Zähnen seine Pulse und sog lüstern sein Blut. Und die Brüste blähten sich und die glühenden Spitzen fraßen den Scharlach von seinem Leibe.
Er sträubte sich, rang dagegen, aber sie ließ ihn nicht, bis sie satt und erschöpft.
Er hob sich zitternd, mit den letzten schluchzenden Kräften und legte sie behutsam in die Pfühle.
Gelbe Wetterwolken krochen wie Hyänen durch die Säulen.
Er betrachtete immer sein Kind. Er mochte, er konnte es nicht verlassen. Wenn er erwachte, würde es ihm neue Marter bringen, und endlich den Tod, aber er wich nicht.
Die gelben hohlen Wolken krochen näher.
Er wollte das Kind wecken, daß es ihn töte mit seinen Küssen.
Aber es blieb reglos. Er horchte. Das Herz war still. Der Körper erstarrt.
Langsam hob er den steifen toten Leib auf.
Draußen bissen sich weiße Feuer am Himmel.
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