Sie, die gewohnt waren, in allen Fällen willig und bereit
zu sein, fehlten auch diesmal nicht und eilten, sich in der Stadt nach
den jüngsten und schönsten Mädchen zu erkundigen; denn ihr Patron, da
er einmal nach dieser Ware lüstern ward, sollte auch die beste finden
und besitzen.
Er selbst feierte so wenig als seine Abgesandten. Er ging, fragte,
sah und hörte und fand bald, was er suchte, in einem Frauenzimmer, das
in diesem Augenblick das schönste der ganzen Stadt genannt zu werden
verdiente, ungefähr sechzehn Jahre alt, wohlgebildet und gut erzogen,
deren Gestalt und Wesen das Angenehmste zeigte und das Beste versprach.
Nach einer kurzen Unterhandlung, durch welche der vorteilhafteste
Zustand sowohl bei Lebzeiten als nach dem Tode des Mannes der Schönen
versichert ward, vollzog man die Heirat mit großer Pracht und Lust,
und von diesem Tage an fühlte sich unser Handelsmann zum erstenmal im
wirklichen Besitz und Genuß seiner Reichtümer. Nun verwandte er mit
Freuden die schönsten und reichsten Stoffe zur Bekleidung des schönen
Körpers, die Juwelen glänzten ganz anders an der Brust und in den
Haaren seiner Geliebten als ehemals im Schmuckkästchen, und die Ringe
erhielten einen unendlichen Wert von der Hand, die sie trug.
So fühlte er sich nicht allein so reich, sondern reicher als bisher,
indem seine Güter sich durch Teilnehmung und Anwendung zu vermehren
schienen. Auf diese Weise lebte das Paar fast ein Jahr lang in der
größten Zufriedenheit, und er schien seine Liebe zu einem tätigen und
herumstreifenden Leben gegen das Gefühl häuslicher Glückseligkeit
gänzlich vertauscht zu haben. Aber eine alte Gewohnheit legt sich so
leicht nicht ab, und eine Richtung, die wir früh genommen, kann wohl
einige Zeit abgelenkt, aber nie ganz unterbrochen werden.
So hatte auch unser Handelsmann oft, wenn er andere sich einschiffen
oder glücklich in den Hafen zurückkehren sah, wieder die Regungen
seiner alten Leidenschaft gefühlt, ja er hatte selbst in seinem Hause
an der Seite seiner Gattin manchmal Unruhe und Unzufriedenheit
empfunden. Dieses Verlangen vermehrte sich mit der Zeit und
verwandelte sich zuletzt in eine solche Sehnsucht, daß er sich äußerst
unglücklich fühlen mußte und zuletzt wirklich krank ward.
"Was soll nun aus dir werden?" sagte er zu sich selbst. "Du erfährst
nun, wie töricht es ist, in späten Jahren eine alte Lebensweise gegen
eine neue zu vertauschen. Wie sollen wir das, was wir immer getrieben
und gesucht haben, aus unsern Gedanken, ja aus unsern Gliedern wieder
herausbringen? Und wie geht es mir nun, der ich bisher wie ein Fisch
das Wasser, wie ein Vogel die freie Luft geliebt, da ich mich in einem
Gebäude bei allen Schätzen und bei der Blume aller Reichtümer, bei
einer schönen jungen Frau eingesperrt habe? Anstatt daß ich dadurch
hoffte, Zufriedenheit zu gewinnen und meiner Güter zu genießen, so
scheint es mir, daß ich alles verliere, indem ich nichts weiter
erwerbe. Mit Unrecht hält man die Menschen für Toren, welche in
rastloser Tätigkeit Güter auf Güter zu häufen suchen; denn die
Tätigkeit ist das Glück, und für den, der die Freuden eines
ununterbrochenen Bestrebens empfinden kann, ist der erworbene Reichtum
ohne Bedeutung. Aus Mangel an Beschäftigung werde ich elend, aus
Mangel an Bewegung krank, und wenn ich keinen andern Entschluß fasse,
so bin ich in kurzer Zeit dem Tode nahe.
Freilich ist es ein gewagtes Unternehmen, sich von einer jungen,
liebenswürdigen Frau zu entfernen. Ist es billig, um ein reizendes
und reizbares Mädchen zu freien und sie nach einer kurzen Zeit sich
selbst, der Langenweile, ihren Empfindungen und Begierden zu
überlassen? Spazieren diese jungen, seidnen Herren nicht schon jetzt
vor meinen Fenstern auf und ab? Suchen sie nicht schon jetzt in der
Kirche und in Gärten die Aufmerksamkeit meines Weibchens an sich zu
ziehen? Und was wird erst geschehen, wenn ich weg bin? Soll ich
glauben, daß mein Weib durch ein Wunder gerettet werden könnte? Nein,
in ihrem Alter, bei ihrer Konstitution wäre es töricht zu hoffen, daß
sie sich der Freuden der Liebe enthalten könnte. Entfernst du dich,
so wirst du bei deiner Rückkunft die Neigung deines Weibes und ihre
Treue zugleich mit der Ehre deines Hauses verloren haben."
Diese Betrachtungen und Zweifel, mit denen er sich eine Zeitlang
quälte, verschlimmerten den Zustand, in dem er sich befand, aufs
äußerste. Seine Frau, seine Verwandten und Freunde betrübten sich um
ihn, ohne daß sie die Ursache seiner Krankheit hätten entdecken können.
Endlich ging er nochmals bei sich zu Rate und rief nach einiger
überlegung aus: "Törichter Mensch! du lässest es dir so sauer werden,
ein Weib zu bewahren, das du doch bald, wenn dein übel fortdauert,
sterbend hinter dir und einem andern lassen mußt. Ist es nicht
wenigstens klüger und besser, du suchst das Leben zu erhalten, wenn du
gleich in Gefahr kommst, an ihr dasjenige zu verlieren, was als das
höchste Gut der Frauen geschätzt wird? Wie mancher Mann kann durch
seine Gegenwart den Verlust dieses Schatzes nicht hindern und vermißt
geduldig, was er nicht erhalten kann! Warum solltest du nicht den Mut
haben, dich eines solchen Gutes zu entschlagen, da von diesem
Entschlusse dein Leben abhängt?"
Mit diesen Worten ermannte er sich und ließ seine Schiffsgesellen
rufen. Er trug ihnen auf, nach gewohnter Weise ein Fahrzeug zu
befrachten und alles bereit zu halten, daß sie bei dem ersten
günstigen Winde auslaufen könnten. Darauf erklärte er sich gegen
seine Frau folgendermaßen:
"Laß dich nicht befremden, wenn du in dem Hause eine Bewegung siehst,
woraus du schließen kannst, daß ich mich zu einer Abreise anschicke!
Betrübe dich nicht, wenn ich dir gestehe, daß ich abermals eine
Seefahrt zu unternehmen gedenke! Meine Liebe zu dir ist noch immer
dieselbe, und sie wird es gewiß in meinem ganzen Leben bleiben. Ich
erkenne den Wert des Glücks, das ich bisher an deiner Seite genoß, und
würde ihn noch reiner fühlen, wenn ich mir nicht oft Vorwürfe der
Untätigkeit und Nachlässigkeit im stillen machen müßte. Meine alte
Neigung wacht wieder auf, und meine alte Gewohnheit zieht mich wieder
an. Erlaube mir, daß ich den Markt von Alexandrien wiedersehe, den
ich jetzt mit größerem Eifer besuchen werde, weil ich dort die
köstlichsten Stoffe und die edelsten Kostbarkeiten für dich zu
gewinnen denke. Ich lasse dich im Besitz aller meiner Güter und
meines ganzen Vermögens; bediene dich dessen und vergnüge dich mit
deinen Eltern und Verwandten! Die Zeit der Abwesenheit geht auch
vorüber, und mit vielfacher Freude werden wir uns wiedersehen."
Nicht ohne Tränen machte ihm die liebenswürdige Frau die zärtlichsten
Vorwürfe, versicherte, daß sie ohne ihn keine fröhliche Stunde
hinbringen werde, und bat ihn nur, da sie ihn weder halten könne noch
einschränken wolle, daß er ihrer auch in der Abwesenheit zum besten
gedenken möge.
Nachdem er darauf verschiedenes mit ihr über einige Geschäfte und
häusliche Angelegenheiten gesprochen, sagte er nach einer kleinen
Pause: "Ich habe nun noch etwas auf dem Herzen, davon du mir frei zu
reden erlauben mußt; nur bitte ich dich aufs herzlichste, nicht zu
mißdeuten, was ich sage, sondern auch selbst in dieser Besorgnis meine
Liebe zu erkennen."
"Ich kann es erraten", versetzte die Schöne darauf; "du bist
meinetwegen besorgt, indem du nach Art der Männer unser Geschlecht ein
für allemal für schwach hältst. Du hast mich bisher jung und froh
gekannt, und nun glaubst du, daß ich in deiner Abwesenheit
leichtsinnig und verführbar sein werde. Ich schelte diese Sinnesart
nicht, denn sie ist bei euch Männern gewöhnlich; aber wie ich mein
Herz kenne, darf ich dir versichern, daß nichts so leicht Eindruck auf
mich machen und kein möglicher Eindruck so tief wirken soll, um mich
von dem Wege abzuleiten, auf dem ich bisher an der Hand der Liebe und
Pflicht hinwandelte. Sei ohne Sorgen; du sollst deine Frau so
zärtlich und treu bei deiner Rückkunft wiederfinden, als du sie abends
fandest, wenn du nach einer kleinen Abwesenheit in meine Arme
zurückkehrtest."
"Diese Gesinnungen traue ich dir zu", versetzte der Gemahl, "und bitte
dich, darin zu verharren. Laß uns aber an die äußersten Fälle denken;
warum soll man sich nicht auch darauf vorsehen? Du weißt, wie sehr
deine schöne und reizende Gestalt die Augen unserer jungen Mitbürger
auf sich zieht; sie werden sich in meiner Abwesenheit noch mehr als
bisher um dich bemühen, sie werden sich dir auf alle Weise zu nähern,
ja zu gefallen suchen. Nicht immer wird das Bild deines Gemahls, wie
jetzt seine Gegenwart, sie von deiner Türe und deinem Herzen
verscheuchen. Du bist ein edles und gutes Kind, aber die Forderungen
der Natur sind rechtmäßig und gewaltsam; sie stehen mit unserer
Vernunft beständig im Streite und tragen gewöhnlich den Sieg davon.
Unterbrich mich nicht! Du wirst gewiß in meiner Abwesenheit, selbst
bei dem pflichtmäßigen Andenken an mich, das Verlangen empfinden,
wodurch das Weib den Mann anzieht und von ihm angezogen wird. Ich
werde eine Zeitlang der Gegenstand deiner Wünsche sein; aber wer weiß,
was für Umstände zusammentreffen, was für Gelegenheiten sich finden,
und ein anderer wird in der Wirklichkeit ernten, was die
Einbildungskraft mir zugedacht hatte. Werde nicht ungeduldig, ich
bitte dich, höre mich aus!
Sollte der Fall kommen, dessen Möglichkeit du leugnest und den ich
auch nicht zu beschleunigen wünsche, daß du ohne die Gesellschaft
eines Mannes nicht länger bleiben, die Freuden der Liebe nicht wohl
entbehren könntest, so versprich mir nur, an meine Stelle keinen von
den leichtsinnigen Knaben zu wählen, die, so artig sie auch aussehen
mögen, der Ehre noch mehr als der Tugend einer Frau gefährlich sind.
Mehr durch Eitelkeit als durch Begierde beherrscht, bemühen sie sich
um eine jede und finden nichts natürlicher, als eine der andern
aufzuopfern. Fühlst du dich geneigt, dich nach einem Freunde
umzusehen, so forsche nach einem, der diesen Namen verdient, der
bescheiden und verschwiegen die Freuden der Liebe noch durch die
Wohltat des Geheimnisses zu erheben weiß."
Hier verbarg die schöne Frau ihren Schmerz nicht länger, und die
Tränen, die sie bisher zurückgehalten hatte, stürzten reichlich aus
ihren Augen. "Was du auch von mir denken magst", rief sie nach einer
leidenschaftlichen Umarmung aus, "so ist doch nichts entfernter von
mir als das Verbrechen, das du gewissermaßen für unvermeidlich hältst.
Möge, wenn jemals auch nur ein solcher Gedanke in mir entsteht, die
Erde sich auftun und mich verschlingen, und möge alle Hoffnung der
Seligkeit mir entrissen werden, die uns eine so reizende Fortdauer
unsers Daseins verspricht.
1 comment