Das sieht aus nach Verlegenheit. Und die
darf es nach der Erbschaftsgeschichte nicht mehr geben. Und gibt's
auch nicht. Ich glaube, daß ich's schaffe.«
»Gut. Aber wie?«
»Bis zum 30. hab ich noch die Feuerkassengelder.«
»Die reichen nicht.«
»Nein. Aber doch beinah. Und den Rest deck ich mit einem
kleinen Wechsel. Ein großer geht nicht, aber ein kleiner
ist gut und eigentlich besser als bar.«
Sie nickte.
Dann trennte man sich, ohne daß weiter ein Wort gewechselt
worden wäre.
Was zwischen ihnen zu sagen war, war gesagt und jedem seine Rolle
zugeteilt. Nur fanden sie sich sehr verschieden hinein, wie schon
die nächste Minute zeigen sollte.
Hradscheck, voll Beherrschung über sich selbst, ging in den
Laden, der gerade voll hübscher Bauernmädchen war, und
zupfte hier der einen am Busentuch, während er der andern
die Schürzenbänder aufband. Einer Alten aber gab er
einen Kuß. »Einen Kuß in Ehren darf niemand wehren
- nich wahr, Mutter Schickedanz?«
Mutter Schickedanz lachte.
Der Frau Hradscheck aber fehlten die guten Nerven, deren
ihr Gatte sich rühmen konnte. Sie ging in ihr Schlafzimmer,
sah in den Garten und überschlug ihr Leben. Dabei murmelte
sie halb unverständliche Worte vor sich hin und schien, den
Bewegungen ihrer Hand nach, einen Rosenkranz abzubeten. Aber es
half alles nichts. Ihr Atem blieb schwer, und sie riß endlich
das Fenster auf, um die frische Luft einzusaugen.
So vergingen Stunden. Und als Mittag kam, kamen nur Hradscheck
und Ede zu Tisch.
Fünftes Kapitel
Es war Ende November, als an einem naßkalten Abende der
von der Krakauer Firma angekündigte Reisende vor Hradschecks
Gasthof vorfuhr. Er kam von Küstrin und hatte sich um ein
paar Stunden verspätet, weil die vom Regen aufgeweichten
Bruchwege beinah unpassierbar gewesen waren, am meisten im Dorfe
selbst. Noch die letzten dreihundert Schritt von der Orthschen
Windmühle her hatten ein gut Stück Zeit gekostet, weil
das ermüdete Pferd mitunter stehenblieb und trotz allem Fluchen
nicht weiter wollte. Jetzt aber hielt der Reisende vor der Ladentür,
durch deren trübe Scheiben ein Lichtschein auf den Damm fiel,
und knipste mit der Peitsche.
»Hallo; Wirtschaft!«
Eine Weile verging, ohne daß wer kam. Endlich erschien der
Ladenjunge, lief aber, als er den Tritt heruntergeklappt hatte,
gleich wieder weg, »weil er den Knecht, den Jakob, rufen
wolle«.
»Gut, gut. Aber flink... Is das ein Hundewetter!«
Unter solchen und ähnlichen Ausrufungen schlug der jetzt
wieder alleingelassene Reisende das Schutzleder zurück, hing
den Zügel in den frei gewordenen Haken und kletterte, halb
erstarrt und unter Vermeidung des Tritts, dem er nicht recht zu
trauen schien, über das Rad weg auf eine leidlich trockene,
grad vor dem Ladeneingange durch Aufschüttung von Müll
und Schutt hergerichtete Stelle. Wolfsschur und Pelzmütze
hatten ihm Kopf und Leib geschützt, aber die Füße
waren wie tot, und er stampfte hin und her, um wieder Leben ins
Blut zu bringen.
Und jetzt erschien auch Jakob, der den Reisenden schon von früher
her kannte.
»Jott, Herr Szulski, bi so 'n Wetter! Un so 'ne Weg! I, doa
kümmt joa keen Düwel nich.«
»Aber ich«, lachte Szulski.
»Joa, blot Se, Herr Szulski. Na, nu geihen S' man
in de Stuw. Un dat Fellisen besorg ick. Un will ook glieks en
beten wat inböten. Ick weet joa: de Giegelstuw, de geele,
de noah de Kegelboahn to.«
Während er noch so sprach, hatte Jakob den Koffer auf die
Schulter genommen und ging, dem Reisenden vorauf, auf die Treppe
zu; als er aber sah, daß Szulski, statt nach links hin in
den Laden, nach rechts hin in das Hradschecksche Wohnzimmer eintreten
wollte, wandt er sich wieder und sagte: »Nei, nich doa, Herr
Szulski. Hradscheck is in de Wienstuw... Se weeten joa.«
»Sind denn Gäste da?«
»Versteiht sich.
1 comment