Das habe sie denn auch getan, und grad als
sie den Kien gespalten, sei Jakob gekommen und hab ihr so im Vorübergehn
gesagt, »daß er den Pohlschen geweckt habe; der Pohlsche
hab aber 'nen Dodenschlaf gehabt und habe gar nich geantwortet.
Und da hab er an die Dür gebullert.«
All das erzählte Male hintereinander fort, und als der Pastor
zum Schlusse frug, ob sie nicht noch weiter was wisse, sagte sie:
»Nein, weiter wisse sie nichts, oder man bloß noch
das eine, daß die Kanne, wie sie das Kaffeegeschirr herausgeholt
habe, beinah noch ganz voll gewesen sei. Und sei doch ein greuliches
Wetter gewesen und kalt und naß. Und wenn sonst einer des
Morgens abreise, so tränk er mehrstens oder eigentlich immer
die Kanne leer, un von Zucker übriglassen wär gar keine
Rede nich. Und manche nähmen ihn auch mit. Aber der Pohlsche
hätte keine drei Schluck getrunken, und sei eigentlich alles
noch so gewesen, wie sie's reingebracht habe. Weiter wisse sie
nichts.«
Danach ging sie, und der dritte, der nun kam, war Jakob.
»Nun, Jakob, wie war es?« fragte Eccelius; »du
weißt, um was es sich handelt. Was du Malen und mir schon
vorher gesagt hast, brauchst du nicht zu wiederholen. Du hast
ihn geweckt, und er hat nicht geantwortet. Dann ist er die Treppe
heruntergekommen, und du hast gesehn, daß er sich an dem
Geländer festhielt, als ob ihm das Gehn in dem Pelz schwer
würde. Nicht wahr, so war es?«
»Joa, Herr Pastor.«
»Und weiter nichts?«
»Nei, wider nix. Un wihr man blot noch, dat he so 'n beten
lütt utsoah, un...«
»Und was?«
»Un dat he so still wihr un seggte keen Wuhrd nich. Un as ick to em seggen deih:
>Na adjes, Herr Szulski
Nach dieser Aussage trat auch Jakob ab, und die Pfarrköchin
brachte den Kaffee. Vowinkel nahm eine der Tassen und sagte, während
er sich an das Fensterbrett lehnte: »Ja, Freund, die Sache
steht doch schlimmer, als du wahrhaben möchtest, und
fast auch schlimmer, als ich erwartete.«
»Mag sein«, erwiderte der Pastor. »Nach meinem
Gefühl indes, das ich selbstverständlich deiner besseren
Erfahrung unterordne, bedeuten all diese Dinge gar nichts oder
herzlich wenig. Der Junge, wie du gesehn hast, konnte vor Angst
kaum sprechen, und aus der Köchin Aussage war doch eigentlich
nur das eine festzustellen, daß es Menschen gibt, die viel,
und andre, die wenig Kaffee trinken.«
»Aber Jakob!«
Eccelius lachte. »Ja, Jakob. >He wihr en beten to
lüttun he wihr
en beten to still
»Ich will es nicht, aber ich fürchte, daß ich
es muß. Jedenfalls haben sich die Verdachtsgründe durch
das, was ich eben gehört habe, mehr gemehrt als gemindert,
und ein Verfahren gegen den so mannigfach Belasteten kann nicht
länger mehr hinausgeschoben werden. Er muß in Haft,
wär es auch nur, um einer Verdunklung des Tatbestandes vorzubeugen.«
»Und die Frau?«
»Kann bleiben. Überhaupt werd ich mich auf das Nötigste
beschränken, und um auch jetzt noch alles Aufsehen zu vermeiden,
hab ich vor, ihn auf meinem Wagen, als ob es sich um eine Spazierfahrt
handelte, mit nach Küstrin zu nehmen.«
»Und wenn er nun schuldig ist, wie du beinah glaubst oder
wenigstens für möglich hältst? Ist dir eine solche
Nachbarschaft nicht einigermaßen ängstlich?«
Vowinkel lachte. »Man sieht, Eccelius, daß du kein
Kriminalist bist. Schuld und Mut vertragen sich schlecht zusammen.
Alle Schuld lähmt.«
»Nicht immer.«
»Nein, nicht immer. Aber doch meist. Und allemal da, wo das
Gesetz schon über ihr ist.«
Zehntes Kapitel
Die Verhaftung Hradschecks erfolgte zehn Tage vor Weihnachten.
Jetzt war Mitte Januar, aber die Küstriner Untersuchung rückte
nicht von der Stelle, weshalb es in Tschechin und den Nachbardörfern
hieß. »Hradscheck werde mit nächstem wieder entlassen
werden, weil nichts gegen ihn vorliege.« Ja, man begann auf
das Gericht und den Gerichtsdirektor zu schelten, wobei sich's
selbstverständlich traf, daß alle die, die vorher am
leidenschaftlichsten von einer Hinrichtung geträumt hatten,
jetzt in Tadeln und Schmähen mit gutem Beispiel vorangingen.
Vowinkel hatte viel zu dulden; kein Zweifel. Am ausgiebigsten
in Schmähungen aber war man gegen die Zeugen, und der Angriffe
gegen diese wären noch viel mehr gewesen, wenn man nicht
gleichzeitig über sie gelacht hätte. Der dumme Ladenjunge,
der Ede, so versicherte man sich gegenseitig, könne doch
nicht für voll angesehen werden und die Male mit ihren Sommersprossen
und ihrem nicht ausgetrunkenen Kaffee womöglich noch weniger.
Daß man bei den Hradschecks oft einen wunderbaren Kaffee
kriege, das wisse jeder, und wenn alle die, die das durchgetrichterte
Zichorienzeug stehnließen, auf Mord und Totschlag hin verklagt
und eingezogen werden sollten, so säße bald das halbe
Bruch hinter Schloß und Riegel. »Aber Jakob und der
alte Mewissen?« hieß es dann wohl. Indes auch von diesen
beiden wollte die plötzlich zugunsten Hradschecks umgestimmte
Majorität nichts wissen. Der dußlige Jakob, von dem
jetzt so viel gemacht werde, ja, was hab er denn eigentlich beigebracht?
Doch nichts weiter als das ewige »He wihr so 'n beten still.«
Aber du lieber Himmel, wer habe denn Lust, um Klock fünf
und bei steifem Südost einen langen Schnack zu machen? Und
nun gar der alte Mewissen, der, solang er lebe, den Himmel für
einen Dudelsack angesehen habe? Wahrhaftig, der könne viel
sagen, eh man's zu glauben brauche.
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