Das
hochanschließende Kleid, das sie trug, war auch heute schlicht
und dunkelfarbig (sie wußte, daß Schwarz sie kleidete),
der blanke Ledergürtel aber wurde durch eine Bronzeschnalle
von auffälliger Größe zusammengehalten, während
in ihren Ohrringen lange birnenförmige Bummeln von venezianischer
Perlenmasse hingen. Sie wirkten anspruchsvoll und störten
mehr, als sie schmückten. Aber für dergleichen gebrach
es ihr an Wahrnehmung, wie denn auch der mit Schildpatt ausgelegte
Nähtisch, trotz all seiner Eleganz, zu den beiden hellblauen
Atlassofas nicht recht passen wollte. Noch weniger zu dem weißen
Trumeau. Links neben ihr, auf dem Fensterbrett, stand ein Arbeitskästchen,
darin sie, gerade als Hradscheck eintrat, nach einem Faden suchte.
Sie ließ sich dabei nicht stören und sah erst auf,
als der Eintretende, halb scherzhaft, aber doch mit einem Anfluge
von Tadel, sagte: »Nun, Ursel, schon in Staat? Und nichts
zu tun mehr in der Küche?«
»Weil es fertig werden muß.«
»Was?«
»Das hier.« Und dabei hielt sie Hradscheck ein Samtkäppsel
hin, an dem sie gerade nähte. »Wenig mit Liebe.«
»Für mich?«
»Nein. Dazu bist du nicht fromm und, was du lieber hören
wirst, auch nicht alt genug.«
»Also für den Pastor?«
»Geraten.«
»Für den Pastor. Nun gut. Kleine Geschenke erhalten
die Freundschaft, und die Freundschaft mit einem Pastor kann man
doppelt brauchen. Es gibt einem solch Ansehen. Und ich habe mir
auch vorgenommen, ihn wieder öfter zu besuchen und mit Ede
sonntags umschichtig in die Kirche zu gehen.«
»Das tu nur; er hat sich schon gewundert.«
»Und hat auch recht. Denn ich bin ihm eigentlich verschuldet.
Und ist noch dazu der einzige, dem ich gern verschuldet hin. Ja,
du siehst mich an, Ursel. Aber es ist so. Hat er dich nicht auf
den rechten Weg gebracht? Sage selbst. Wenn Eccelius nicht war,
so stecktest du noch in dem alten Unsinn.«
»Sprich nicht so. Was weißt du davon? Ihr habt ja gar
keine Religion. Und Eccelius eigentlich auch nicht. Aber er ist
ein guter Mann, eine Seele von Mann, und meint es gut mit mir
und aller Welt. Und hat mir zum Herzen gesprochen.«
»Ja, das versteht er; das hat er in der Loge gelernt. Er
rührt einen zu Tränen. Und nun gar erst die Weiber.«
»Und dann halt ich zu ihm«, fuhr Ursel fort, ohne der
Unterbrechung zu achten, »weil er ein gebildeter Mann ist.
Ein guter Mann, und ein gebildeter Mann. Und offen gestanden,
daran hin ich gewöhnt.«
Hradscheck lachte. »Gebildet, Ursel, das ist dein drittes
Wort. Ich weiß schon. Und dann kommt der Göttinger
Student, der dir einen Ring geschenkt hat, als du vierzehn Jahr
alt warst (er wird wohl nicht echt gewesen sein), und dann kommt
vieles nicht oder doch manches nicht... verfärbe dich
nur nicht gleich wieder..., und zuletzt kommt der Hildesheimer
Bischof. Das ist dein höchster Trumpf, und was Vornehmeres
gibt es in der ganzen Welt nicht. Ich weiß es seit lange.
Vornehm, vornehm. Ach, ich rede nicht gern davon, aber deine Vornehmheit
ist mir teuer zu stehn gekommen.«
Ursel legte das Samtkäppsel aus der Hand, steckte die Nadel
hinein und sagte, während sie sich mit halber Wendung von
ihm ab- und dem Fenster zukehrte: »Höre, Hradscheck,
wenn du gute Tage mit mir haben willst, so sprich nicht so.
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