Vier von ihnen weideten auf einem besonderen Platz, das waren jedenfalls die Offizierspferde, die besten von allen. Er sprang hinzu, löste die Fessel des einen, schwang sich auf und galoppierte davon, ehe noch einer der Vaqueros erfuhr, um was es sich handle.
Die Dragoner hatten heute abend den ‚Fürsten des Felsens‘ kennengelernt.
Sternau ritt nicht direkt nach der Pyramide. Er wußte, daß man auf den Hufschlag seines Pferdes hören werde, und wandte sich daher der entgegengesetzten Richtung zu, machte nachher einen weiten Bogen und kam, da er sich so fern wie möglich von der Estanzia halten mußte, erst spät zu der Pyramide.
Als man dort das Pferdegetrappel hörte, sah er sich plötzlich von den Wachen der Apachen umringt. Die Wilden rufen keinen Menschen an. Wäre dieser Reiter nicht Sternau gewesen, so hätte er sterben müssen, ohne daß eine Silbe gesprochen worden wäre.
„Wo sind die Häuptlinge?“ fragte er.
Er wurde zu ihnen geführt. Unmittelbar am westlichen Fuß des Bauwerks entsprang eine Quelle, man hatte sie entdeckt, und nun wurden die Pferde dort getränkt; die Häuptlinge hatten sich dort niedergelassen. Das war dieselbe Quelle, welche in früheren Zeiten den im Inneren der Pyramide befindlichen Brunnen gespeist hatte. Dort war das Wasser versiegt und hatte aus einem geognostischen Grund einen direkten Ausgang nach außen suchen müssen.
Sternau teilte mit, was er gesehen und gehört hatte. Es war sicher, daß diese Nacht nicht die mindeste Störung vorkommen, aber ebenso sicher war es, daß man morgen die Apachen aufsuchen würde, und so fragte es sich, was in einem solchen Fall zu tun sei. Sich zurückziehen wollte keiner; alle wollten den Platz behaupten, die einen, weil sie nicht gehen wollten, ohne ihre Lieben zu erlösen, und die anderen in Folge des regen Ehrgefühles, welches die Apachen auszeichnet.
Die Dragoner brauchte oder wollte man nicht fürchten. Vielleicht hätten die Roten doch anders gedacht, wenn nicht der ‚Fürst des Felsens’ und ‚Donnerpfeil‘ bei ihnen gewesen wären. Und die Comanchen, welche eintreffen wollten, bekamen es jedenfalls sehr bald mit den Apachen zu tun, welche das ‚Fliegende Pferd‘ nachsenden wolle.
„Wir bleiben hier“, entschied auch Sternau, und das galt. „Wir können unmöglich gehen“, fuhr er fort, „ohne zu wissen, ob die unsrigen zu retten sind, oder nicht. Dieser alte Opferplatz bietet uns eine Position, wie sie bequemer, fester und sicherer gar nicht gedacht werden kann. Wir haben Wasser für uns und die Pferde, die Büsche geben uns Deckung, es fehlt uns nur der Proviant. Und dieser ist sehr leicht beschafft, wir dürfen ja nur eine Anzahl Rinder herbeitreiben. Von Mitternacht an sind die Vaqueros nicht mehr auf der Weide, sie werden uns nicht stören.“
Das wurde getan. In sehr kurzer Zeit hatte man eine genügende Anzahl Rinder da, um die Apachen auf zwei Wochen lang mit Fleisch zu versehen, und das Areal, auf dessen Mittelpunkt die Pyramide stand, war groß genug, diesen Rindern mit sämtlichen Pferden Futter zu gewähren.
Nun legte sich jeder, der nicht zu wachen hatte, in seine Decke gewickelt zur Erde, um sich für die Anstrengungen des kommenden Tages zu stärken. ‚Donnerpfeil‘, ‚Bärenherz‘ und ‚Büffelstirn‘ schliefen nicht. Sie dachten an die Gefangenen, welche jedenfalls im Inneren der Pyramide steckten, und die Sorge um diese ließ sie nicht schlafen.
Schon mit Tagesanbruch weckten sie Sternau, ohne den sie nichts unternehmen mochten. Dieser war ihnen auch sofort zu Willen.
Diese vier Männer stellten sich an den Punkt, den der Mexikaner ihnen gestern Abend gezeigt hatte, und als sie die Erde untersuchten, fanden sie Spuren, welche deutlich nach der südöstlichen Ecke der Pyramide führten. Sie folgten diesen Spuren durch das Gebüsch, dann aber gab es grasigen Boden, auf welchem sie vollständig verschwanden. Es war zu lange Zeit vergangen, und so hatte sich das Gras wieder aufgerichtet.
Das war schlimm. Die vier scharfsichtigen Männer, denen es wohl selten einer gleich tat, standen ratlos da; es wurde alles versucht, aber vergeblich. Nun mußten die Apachen herbei. Das ganze Gebüsch, die Umfassung der Pyramide, die vier Seiten und die stumpf gewordene Spitze des alten Bauwerkes, alles wurde auf das genaueste untersucht, doch man fand nichts.
Es war ein Gefühl der Verzweiflung, welches sich der vier Männer bemächtigte, aber man beschloß, die Untersuchung von neuem zu beginnen. Man war wieder im vollen Zuge, als plötzlich von der Höhe der Pyramide ein lauter Ruf erscholl. Man blickte empor. ‚Grizzlytöter‘ stand oben, winkte, daß man sich verstecken solle, und kam selbst mit größter Schnelligkeit herunter.
„Was gibt es?“ fragte Sternau.
„Reiter“, lautete die Antwort.
„Wo?“
„Von der Hacienda her. Es sind ihrer viele, und sie kommen im Galopp.“
Ja, die Dragoner waren im Anzug.
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