"Ich finde solch ein Ereignis eher seltsam als traurig," schrieb er später. "Wer gibt mir das Recht, traurig zu sein, wo ich noch nicht aufgehört habe mich zu wundern?"

 

Immer mehr fühlte er, daß sein eigentlicher Beruf die Schriftstellerei sei. Als ihm 1843 bei Verwandten Emersons in Staten Island nahe bei New York eine Erzieherstelle angeboten wurde, willigte er ein, weil er dadurch Gelegenheit erhalten konnte, mit hervorragenden Literaten und Verlegern New Yorks in persönliche Beziehungen zu treten. Auch hoffte er, eine hartnäckige Bronchitis durch die Luftveränderung zu vertreiben. Soviel wie möglich war er auch hier im Freien. Das Meer machte einen gewaltigen Eindruck auf ihn. Einige herrliche Stanzen legen davon Zeugnis ab. Bald lauschte er dem Branden der See, bald dem Brausen der Großstadt. Trotz freundlicher Bemühungen angesehener Leute zeigten sich in New Kork keine günstigen Aussichten. Ein längerer Aufenthalt wurde ihm verleidet. Im Herbst 1843 finden wir ihn schon wieder in seinem geliebten Concord. Er fabrizierte aufs neue Bleistifte, gab aber diese Beschäftigung hernach bald ganz auf, als seiner Hände Arbeit eine Auszeichnung erhielt – diese Kunst beherrschte er, jetzt hieß es, ein neues Feld der Tätigkeit bemeistern. Torrey hat recht, wenn er sagt: "Natur, Menschen, Bücher, Musik – alles diente Thoreau nur dazu, an sich selbst zu bauen." Aber immer mehr fühlte er, daß seine Lebenskunst, die stets darin bestanden hatte, möglichst wenig zu bedürfen, ihn mit jener Muße nicht beschenkte, deren er dringend bedurfte, um Gedachtes und Geschautes in sich zu verarbeiten. Emersons "Dial" konnte nur ausnahmsweise einmal Honorar bezahlen; Landvermessungen, Tischlerei und Hilfeleistungen für die Farmer der Umgegend nahmen viel Zeit in Anspruch, brachten aber wenig Lohn. Mit anderen Worten: der fortwährende Kampf um einen noch so bescheidenen Lebensunterhalt, der Einfluß der transzendentalen Schule, der Drang, individueller Freiheit in jeder Hinsicht sich zu erfreuen, brachten allmählich in Thoreau den Plan zur Reife, eine Phase seiner transzendentalen Philosophie praktisch zu erproben: die Vereinfachung des Lebens. Schon 1839 hatte er in sein Tagebuch geschrieben: "Ich möchte meinen Instinkten leben, einen ungetrübten Eindruck in die Natur bekommen und mit allen mir verwandten Elementen in freundlichem Einklang stehen." Und einige Jahre später (1841) schrieb er: "Ich möchte am See in der Stille wohnen, wo mir nur das Rauschen des Windes im Röhricht erklingt. Ich werde gewinnen, wenn ich alles Äußerliche von mir abschüttele. Meine Freunde fragen mich, was ich dort treiben werde? Werde ich nicht genug damit zu tun haben, die Jahreszeiten zu beobachten?"

 

Der Waldenteich in Concords Nähe war mit seinen frühesten Kindheitserinnerungen verknüpft. Als Jüngling war er oft in dunkeln Nächten zu seinem steinigen Ufer gepilgert und hatte bei hell loderndem Feuer Bricken gefischt. Nicht selten hatte er auch an blauen Sommertagen ein altes Boot auf dem Teich bestiegen und sich träumend von Wind und Wellen treiben lassen. Fast ebenso sympathisch war ihm die etwa zweieinhalb Meilen von Concord entfernte Hollowell Farm. Für das halbverfallene, graue Häuschen, das mitten in einem Hain roter Ahornbäume nahe am Flusse lag, bot er dem damaligen Besitzer zehn Dollars. Als aber der Kontrakt aufgesetzt werden sollte, wurde des Farmers Frau andern Sinnes – "jedermann hat solch eine Frau," schreibt Thoreau – und der Verkauf zerschlug sich. So wurde denn 1845 das Ufer des Waldenteiches endgültig gewählt.

 

Hören wir Thoreau selbst: "Als ich mir klar darüber wurde, daß meine lieben Mitbürger mir kein Bureau im Rathaus, keine Pfarre oder irgend einen Broterwerb anbieten würden, daß ich vielmehr mir selbst helfen müsse, wandte ich mein Augenmerk mehr denn je den Wäldern zu. Dort war ich besser bekannt. Als ich zum Waldenteich wanderte, beabsichtigte ich dort weder billig noch teuer zu leben, sondern möglichst ungehindert Privatgeschäfte zu tun. ... Ich zog in die Wälder, weil ich den Wunsch hatte, mit Überlegung zu leben, alle Wirkenskraft und Samen zu schauen und zu ergründen, ob ich nicht lernen könnte, was ich lehren sollte, um beim Sterben vor der Entdeckung bewahrt zu bleiben, daß ich nicht gelebt hatte. Ich wollte nicht das Leben, was kein Leben war. Das Leben ist so kostbar.