TERZKY rufend.

Nun! Wer unterschreibt noch?

BUTTLER zu Terzky.

Zähl nach! Just dreißig Namen müssens sein.

TERZKY.

Ein Kreuz steht hier.

TIEFENBACH.

Das Kreuz bin ich.

ISOLANI zu Terzky.

Er kann nicht schreiben, doch sein Kreuz ist gut,

Und wird ihm honoriert von Jud und Christ.

OCTAVIO pressiert, zu Max.

Gehn wir zusammen, Oberst. Es wird spät.

TERZKY.

Ein Piccolomini nur ist aufgeschrieben.

ISOLANI auf Max zeigend.

Gebt acht! Es fehlt an diesem steinernen Gast,

Der uns den ganzen Abend nichts getaugt.

 

Max empfängt aus Terzkys Händen das Blatt, in welches er gedankenlos hineinsieht.

 

 

Siebenter Auftritt

Die Vorigen. Illo kommt aus dem hintern Zimmer, er hat den goldnen Pokal in der Hand und ist sehr erhitzt, ihm folgen Götz und Buttler, die ihn zurückhalten wollen.

 

ILLO.

Was wollt ihr? Laßt mich.

GÖTZ UND BUTTLER.

Illo! Trinkt nicht mehr.

ILLO geht auf den Octavio zu und umarmt ihn, trinkend.

Octavio! Das bring ich dir! Ersäuft

Sei aller Groll in diesem Bundestrunk!

Weiß wohl, du hast mich nie geliebt – Gott straf mich,

Und ich dich auch nicht! Laß Vergangenes

Vergessen sein! Ich schätze dich unendlich,

 

Ihn zu wiederholten Malen küssend.

 

Ich bin dein bester Freund, und, daß ihrs wißt!

Wer mir ihn eine falsche Katze schilt,

Der hats mit mir zu tun.

TERZKY beiseite.

Bist du bei Sinnen?

Bedenk doch, Illo, wo du bist!

ILLO treuherzig.

Was wollt Ihr? Es sind lauter gute Freunde.

 

Sich mit vergnügtem Gesicht im ganzen Kreise umsehend.

 

Es ist kein Schelm hier unter uns, das freut mich.

TERZKY zu Buttler, dringend.

Nehmt ihn doch mit Euch fort! Ich bitt Euch, Buttler.

 

Buttler führt ihn an den Schenktisch.

 

ISOLANI zu Max, der bisher unverwand, aber gedankenlos in das Papier gesehen.

Wirds bald, Herr Bruder? Hat Ers durchstudiert?

MAX wie aus einem Traum erwachend.

Was soll ich?

TERZKY UND ISOLANI zugleich.

Seinen Namen drunter setzen.

 

Man sieht den Octavio ängstlich gespannt den Blick auf ihn richten.

 

MAX gibt es zurück.

Laßts ruhn bis morgen. Es ist ein Geschäft,

Hab heute keine Fassung. Schickt mirs morgen.

TERZKY.

Bedenk Er doch –

ISOLANI.

Frisch! Unterschrieben! Was!

Er ist der jüngste von der ganzen Tafel,

Wird ja allein nicht klüger wollen sein,

Als wir zusammen? Seh Er her! Der Vater

Hat auch, wir haben alle unterschrieben.

TERZKY zum Octavio.

Braucht Euer Ansehn doch. Bedeutet ihn.

OCTAVIO.

Mein Sohn ist mündig.

ILLO hat den Pokal auf den Schenktisch gesetzt.

Wovon ist die Rede?

TERZKY.

Er weigert sich, das Blatt zu unterschreiben.

MAX.

Es wird bis morgen ruhen können, sag ich.

ILLO.

Es kann nicht ruhn. Wir unterschrieben alle,

Und du mußt auch, du mußt dich unterschreiben.

MAX.

Illo, schlaf wohl.

ILLO.

Nein! So entkömmst du nicht!

Der Fürst soll seine Freunde kennenlernen.

 

Es sammeln sich alle Gäste um die beiden.

 

MAX.

Wie ich für ihn gesinnt bin, weiß der Fürst,

Es wissens alle, und der Fratzen brauchts nicht.

ILLO.

Das ist der Dank, das hat der Fürst davon,

Daß er die Welschen immer vorgezogen!

TERZKY in höchster Verlegenheit zu den Kommandeurs, die einen Auflauf machen.

Der Wein spricht aus ihm! Hört ihn nicht, ich bitt euch.

ISOLANI lacht.

Der Wein erfindet nichts, er schwatzts nur aus.

ILLO.

Wer nicht ist mit mir, der ist wider mich.

Die zärtlichen Gewissen! Wenn sie nicht

Durch eine Hintertür, durch eine Klausel –

TERZKY fällt schnell ein.

Er ist ganz rasend, gebt nicht acht auf ihn.

ILLO lauter schreiend.

Durch eine Klausel sich salvieren können.

Was Klausel? Hol der Teufel diese Klausel –

MAX wird aufmerksam und sieht wieder in die Schrift.

Was ist denn hier so hoch Gefährliches?

Ihr macht mir Neugier, näher hinzuschaun.

TERZKY beiseite zu Illo.

Was machst du, Illo? Du verderbest uns!

TIEFENBACH zu Colalto.

Ich merkt es wohl, vor Tische las mans anders.

GÖTZ.

Es kam mir auch so vor.

ISOLANI.

Was ficht das mich an?

Wo andre Namen, kann auch meiner stehn.

TIEFENBACH.

Vor Tisch war ein gewisser Vorbehalt

Und eine Klausel drin, von Kaisers Dienst.

BUTTLER zu einem der Kommandeurs.

Schämt euch, ihr Herrn! Bedenkt, worauf es ankommt.

Die Frag ist jetzt, ob wir den General

Behalten sollen oder ziehen lassen?

Man kanns so scharf nicht nehmen und genau.

ISOLANI zu einem der Generale.

Hat sich der Fürst auch so verklausuliert,

Als er dein Regiment dir zugeteilt?

TERZKY zu Götz.

Und Euch die Lieferungen, die an tausend

Pistolen Euch in einem Jahre tragen?

ILLO.

Spitzbuben selbst, die uns zu Schelmen machen!

Wer nicht zufrieden ist, der sags! Da bin ich!

TIEFENBACH.

Nun! Nun! Man spricht ja nur.

MAX hat gelesen und gibt das Papier zurück.

Bis morgen also!

ILLO vor Wut stammelnd und seiner nicht mehr mächtig, hält ihm mit der einen Hand die Schrift, mit der andern den Degen vor.

Schreib – Judas!

ISOLANI.

Pfui, Illo!

OCTAVIO, TERZKY, BUTTLER zugleich.

Degen weg!

MAX ist ihm rasch in den Arm gefallen und hat ihn entwaffnet, zu Graf Terzky.

Bring ihn zu Bette!

 

Er geht ab. Illo, fluchend und scheltend, wird von einigen Kommandeurs gehalten, unter allgemeinem Aufbruch fällt der Vorhang.

 

 

Fünfter Aufzug

 

Szene: Ein Zimmer in Piccolominis Wohnung.

Es ist Nacht.

 

Erster Auftritt

Octavio Piccolomini. Kammerdiener leuchtet. Gleich darauf Max Piccolomini.

 

OCTAVIO.

Sobald mein Sohn herein ist, weiset ihn

Zu mir – Was ist die Glocke?

KAMMERDIENER.

Gleich ists Morgen.

OCTAVIO.

Setzt Euer Licht hieher – Wir legen uns

Nicht mehr zu Bette, Ihr könnt schlafen gehn.

 

Kammerdiener ab. Octavio geht nachdenkend durchs Zimmer. Max Piccolomini tritt auf, nicht gleich von ihm bemerkt, und sieht ihm einige Augenblicke schweigend zu.

 

MAX.

Bist du mir bös, Octavio? Weiß Gott,

Ich bin nicht schuld an dem verhaßten Streit.

– Ich sahe wohl, du hattest unterschrieben;

Was du gebilliget, das konnte mir

Auch recht sein – doch es war – du weißt – ich kann

In solchen Sachen nur dem eignen Licht,

Nicht fremdem folgen.

OCTAVIO geht auf ihn zu und umarmt ihn.

Folg ihm ferner auch,

Mein bester Sohn! Es hat dich treuer jetzt

Geleitet, als das Beispiel deines Vaters.

MAX.

Erklär dich deutlicher.

OCTAVIO.

Ich werd es tun.

Nach dem, was diese Nacht geschehen ist,

Darf kein Geheimnis bleiben zwischen uns.

 

Nachdem beide sich niedergesetzt.

 

Max! Sage mir, was denkst du von dem Eid,

Den man zur Unterschrift uns vorgelegt?

MAX.

Für etwas Unverfänglichs halt ich ihn,

Obgleich ich dieses Förmliche nicht liebe.

OCTAVIO.

Du hättest dich aus keinem andern Grunde

Der abgedrungnen Unterschrift geweigert?

MAX.

Es war ein ernst Geschäft – ich war zerstreut –

Die Sache selbst erschien mir nicht so dringend –

OCTAVIO.

Sei offen, Max. Du hattest keinen Argwohn –

MAX.

Worüber Argwohn? Nicht den mindesten.

OCTAVIO.

Danks deinem Engel, Piccolomini!

Unwissend zog er dich zurück vom Abgrund.

MAX.

Ich weiß nicht, was du meinst.

OCTAVIO.

Ich will dirs sagen:

Zu einem Schelmstück solltest du den Namen

Hergeben, deinen Pflichten, deinem Eid

Mit einem einzgen Federstrich entsagen.

MAX steht auf.

Octavio!

OCTAVIO.

Bleib sitzen. Viel noch hast du

Von mir zu hören, Freund, hast Jahre lang

Gelebt in unbegreiflicher Verblendung.

Das schwärzeste Komplott entspinnet sich

Vor deinen Augen, eine Macht der Hölle

Umnebelt deiner Sinne hellen Tag –

Ich darf nicht länger schweigen, muß die Binde

Von deinen Augen nehmen.

MAX.

Eh du sprichst,

Bedenk es wohl! Wenn von Vermutungen

Die Rede sein soll – und ich fürchte fast,

Es ist nichts weiter – Spare sie! Ich bin

Jetzt nicht gefaßt, sie ruhig zu vernehmen.

OCTAVIO.

So ernsten Grund du hast, dies Licht zu fliehn,

So dringendern hab ich, daß ich dirs gebe.

Ich konnte dich der Unschuld deines Herzens,

Dem eignen Urteil ruhig anvertraun,

Doch deinem Herzen selbst seh ich das Netz

Verderblich jetzt bereiten – Das Geheimnis,

 

Ihn scharf mit den Augen fixierend.

 

Das du vor mir verbirgst, entreißt mir meines.

MAX versucht zu antworten, stockt aber und schlägt den Blick verlegen zu Boden.

OCTAVIO nach einer Pause.

So wisse denn! Man hintergeht dich – spielt

Aufs schändlichste mit dir und mit uns allen.

Der Herzog stellt sich an, als wollt er die

Armee verlassen; und in dieser Stunde

Wirds eingeleitet, die Armee dem Kaiser

– Zu stehlen und dem Feinde zuzuführen!

MAX.

Das Pfaffenmärchen kenn ich, aber nicht

Aus deinem Mund erwartet ichs zu hören.

OCTAVIO.

Der Mund, aus dem dus gegenwärtig hörst,

Verbürget dir, es sei kein Pfaffenmärchen.

MAX.

Zu welchem Rasenden macht man den Herzog!

Er könnte daran denken, dreißigtausend

Geprüfter Truppen, ehrlicher Soldaten,

Worunter mehr denn tausend Edelleute,

Von Eid und Pflicht und Ehre wegzulocken,

Zu einer Schurkentat sie zu vereinen?

OCTAVIO.

So was nichtswürdig Schändliches begehrt

Er keineswegs – Was er von uns will,

Führt einen weit unschuldigeren Namen.

Nichts will er, als dem Reich den Frieden schenken;

Und weil der Kaiser diesen Frieden haßt,

So will er ihn – er will ihn dazu zwingen!

Zufriedenstellen will er alle Teile,

Und zum Ersatz für seine Mühe Böhmen,

Das er schon innehat, für sich behalten.

MAX.

Hat ers um uns verdient, Octavio,

Daß wir – wir so unwürdig von ihm denken?

OCTAVIO.

Von unserm Denken ist hier nicht die Rede.

Die Sache spricht, die kläresten Beweise.

Mein Sohn! Dir ist nicht unbekannt, wie schlimm

Wir mit dem Hofe stehn – doch von den Ränken,

Den Lügenkünsten hast du keine Ahnung,

Die man in Übung setzte, Meuterei

Im Lager auszusäen. Aufgelöst

Sind alle Bande, die den Offizier

An seinen Kaiser fesseln, den Soldaten

Vertraulich binden an das Bürgerleben.

Pflicht- und gesetzlos steht er gegenüber

Dem Staat gelagert, den er schützen soll,

Und drohet, gegen ihn das Schwert zu kehren.

Es ist so weit gekommen, daß der Kaiser

In diesem Augenblick vor seinen eignen

Armeen zittert – der Verräter Dolche

In seiner Hauptstadt fürchtet – seiner Burg;

Ja, im Begriffe steht, die zarten Enkel

Nicht vor den Schweden, vor den Lutheranern,

– Nein! vor den eignen Truppen wegzuflüchten.

MAX.

Hör auf! Du ängstigest, erschütterst mich.

Ich weiß, daß man vor leeren Schrecken zittert;

Doch wahres Unglück bringt der falsche Wahn.

OCTAVIO.

Es ist kein Wahn. Der bürgerliche Krieg

Entbrennt, der unnatürlichste von allen,

Wenn wir nicht, schleunig rettend, ihm begegnen.

Der Obersten sind viele längst erkauft,

Der Subalternen Treue wankt; es wanken

Schon ganze Regimenter, Garnisonen.

Ausländern sind die Festungen vertraut,

Dem Schafgotsch, dem verdächtigen, hat man

Die ganze Mannschaft Schlesiens, dem Terzky

Fünf Regimenter, Reiterei und Fußvolk,

Dem Illo, Kinsky, Buttler, Isolan

Die bestmontierten Truppen übergeben.

MAX.

Uns beiden auch.

OCTAVIO.

Weil man uns glaubt zu haben,

Zu locken meint durch glänzende Versprechen.

So teilt er mir die Fürstentümer Glatz

Und Sagan zu, und wohl seh ich den Angel,

Womit man dich zu fangen denkt.

MAX.

Nein! Nein!

Nein, sag ich dir!

OCTAVIO.

O! öffne doch die Augen!

Weswegen glaubst du, daß man uns nach Pilsen

Beorderte? Um mit uns Rat zu pflegen?

Wann hätte Friedland unsers Rats bedurft?

Wir sind berufen, uns ihm zu verkaufen,

Und weigern wir uns – Geisel ihm zu bleiben.

Deswegen ist Graf Gallas weggeblieben –

Auch deinen Vater sähest du nicht hier,

Wenn höhre Pflicht ihn nicht gefesselt hielt.

MAX.

Er hat es keinen Hehl, daß wir um seinetwillen

Hieher berufen sind – gestehet ein,

Er brauche unsers Arms, sich zu erhalten.

Er tat so viel für uns, und so ists Pflicht,

Daß wir jetzt auch für ihn was tun!

OCTAVIO.

Und weißt du,

Was dieses ist, das wir für ihn tun sollen?

Des Illo trunkner Mut hat dirs verraten.

Besinn dich doch, was du gehört, gesehn.

Zeugt das verfälschte Blatt, die weggelaßne,

So ganz entscheidungsvolle Klausel nicht,

Man wollte zu nichts Gutem uns verbinden?

MAX.

Was mit dem Blatte diese Nacht geschehn,

Ist mir nichts weiter, als ein schlechter Streich

Von diesem Illo. Dies Geschlecht von Mäklern

Pflegt alles auf die Spitze gleich zu stellen.

Sie sehen, daß der Herzog mit dem Hof

Zerfallen ist, vermeinen ihm zu dienen,

Wenn sie den Bruch unheilbar nur erweitern.

Der Herzog, glaub mir, weiß von all dem nichts!

OCTAVIO.

Es schmerzt mich, deinen Glauben an den Mann,

Der dir so wohlgegründet scheint, zu stürzen.

Doch hier darf keine Schonung sein – du mußt

Maßregeln nehmen, schleunige, mußt handeln.

– Ich will dir also nur gestehn – daß alles,

Was ich dir jetzt vertraut, was so unglaublich

Dir scheint, daß – daß ich es aus seinem eignen,

– Des Fürsten Munde habe.

MAX in heftiger Bewegung.

Nimmermehr!

OCTAVIO.

Er selbst vertraute mir – was ich zwar längst

Auf anderm Weg schon in Erfahrung brachte:

Daß er zum Schweden wolle übergehn,

Und an der Spitze des verbundnen Heers

Den Kaiser zwingen wolle –

MAX.

Er ist heftig,

Es hat der Hof empfindlich ihn beleidigt,

In einem Augenblick des Unmuts, seis!

Mag er sich leicht einmal vergessen haben.

OCTAVIO.

Bei kaltem Blute war er, als er mir

Dies eingestand; und weil er mein Erstaunen

Als Furcht auslegte, wies er im Vertraun

Mir Briefe vor, der Schweden und der Sachsen,

Die zu bestimmter Hülfe Hoffnung geben.

MAX.

Es kann nicht sein! kann nicht sein! kann nicht sein!

Siehst du, daß es nicht kann! Du hättest ihm

Notwendig deinen Abscheu ja gezeigt,

Er hätt sich weisen lassen, oder du

– Du stündest nicht mehr lebend mir zur Seite!

OCTAVIO.

Wohl hab ich mein Bedenken ihm geäußert,

Hab dringend, hab mit Ernst ihn abgemahnt,

– Doch meinen Abscheu, meine innerste

Gesinnung hab ich tief versteckt.