Terzky.

 

ILLO.

Wie ist es mit dem Piccolomini?

TERZKY.

Ich denke, gut. Er hat nichts eingewendet.

ILLO.

Er ist der einzge, dem ich nicht recht traue,

Er und der Vater – Habt ein Aug auf beide!

TERZKY.

Wie siehts an Eurer Tafel aus? Ich hoffe,

Ihr haltet Eure Gäste warm?

ILLO.

Sie sind

Ganz kordial. Ich denk, wir haben sie.

Und wie ichs Euch vorausgesagt – Schon ist

Die Red nicht mehr davon, den Herzog bloß

Bei Ehren zu erhalten. Da man einmal

Beisammen sei, meint Montecuculi,

So müsse man in seinem eignen Wien

Dem Kaiser die Bedingung machen. Glaubt mir,

Wärs nicht um diese Piccolomini,

Wir hätten den Betrug uns können sparen.

TERZKY.

Was will der Buttler? Still!

 

 

Vierter Auftritt

Buttler zu den Vorigen.

 

BUTTLER von der zweiten Tafel kommend.

Laßt Euch nicht stören.

Ich hab Euch wohl verstanden, Feldmarschall.

Glück zum Geschäfte – und was mich betrifft,

 

Geheimnisvoll.

 

So könnt Ihr auf mich rechnen.

ILLO lebhaft.

Können wirs?

BUTTLER.

Mit oder ohne Klausel! gilt mir gleich!

Versteht Ihr mich? Der Fürst kann meine Treu

Auf jede Probe setzen, sagt ihm das.

Ich bin des Kaisers Offizier, solang ihm

Beliebt, des Kaisers General zu bleiben,

Und bin des Friedlands Knecht, sobald es ihm

Gefallen wird, sein eigner Herr zu sein.

TERZKY.

Ihr treffet einen guten Tausch. Kein Karger,

Kein Ferdinand ists, dem Ihr Euch verpflichtet.

BUTTLER ernst.

Ich biete meine Treu nicht feil, Graf Terzky,

Und wollt Euch nicht geraten haben, mir

Vor einem halben Jahr noch abzudingen,

Wozu ich jetzt freiwillig mich erbiete.

Ja, mich samt meinem Regiment bring ich

Dem Herzog, und nicht ohne Folgen soll

Das Beispiel bleiben, denk ich, das ich gebe.

ILLO.

Wem ist es nicht bekannt, daß Oberst Buttler

Dem ganzen Heer voran als Muster leuchtet!

BUTTLER.

Meint Ihr, Feldmarschall? Nun, so reut mich nicht

Die Treue, vierzig Jahre lang bewahrt,

Wenn mir der wohlgesparte gute Name

So volle Rache kauft im sechzigsten! –

Stoßt euch an meine Rede nicht, ihr Herrn.

Euch mag es gleichviel sein, wie ihr mich habt,

Und werdet, hoff ich, selber nicht erwarten,

Daß euer Spiel mein grades Urteil krümmt –

Daß Wankelsinn und schnell bewegtes Blut,

Noch leichte Ursach sonst den alten Mann

Vom langgewohnten Ehrenpfade treibt.

Kommt! Ich bin darum minder nicht entschlossen,

Weil ich es deutlich weiß, wovon ich scheide.

ILLO.

Sagts rund heraus, wofür wir Euch zu halten –

BUTTLER.

Für einen Freund! Nehmt meine Hand darauf,

Mit allem, was ich hab, bin ich der Eure.

Nicht Männer bloß, auch Geld bedarf der Fürst.

Ich hab in seinem Dienst mir was erworben,

Ich leih es ihm, und überlebt er mich,

Ists ihm vermacht schon längst, er ist mein Erbe.

Ich steh allein da in der Welt, und kenne

Nicht das Gefühl, das an ein teures Weib

Den Mann und an geliebte Kinder bindet,

Mein Name stirbt mit mir, mein Dasein endet.

ILLO.

Nicht Eures Gelds bedarfs – ein Herz, wie Euers,

Wiegt Tonnen Goldes auf und Millionen.

BUTTLER.

Ich kam, ein schlechter Reitersbursch, aus Irland

Nach Prag mit einem Herrn, den ich begrub.

Vom niedern Dienst im Stalle stieg ich auf,

Durch Kriegsgeschick, zu dieser Würd und Höhe,

Das Spielzeug eines grillenhaften Glücks.

Auch Wallenstein ist der Fortuna Kind,

Ich liebe einen Weg, der meinem gleicht.

ILLO.

Verwandte sind sich alle starken Seelen.

BUTTLER.

Es ist ein großer Augenblick der Zeit,

Dem Tapfern, dem Entschloßnen ist sie günstig.

Wie Scheidemünze geht von Hand zu Hand,

Tauscht Stadt und Schloß den eilenden Besitzer.

Uralter Häuser Enkel wandern aus,

Ganz neue Wappen kommen auf und Namen,

Auf deutscher Erde unwillkommen wagts

Ein nördlich Volk sich bleibend einzubürgern.

Der Prinz von Weimar rüstet sich mit Kraft,

Am Main ein mächtig Fürstentum zu gründen,

Dem Mansfeld fehlte nur, dem Halberstädter

Ein längres Leben, mit dem Ritterschwert

Landeigentum sich tapfer zu erfechten.

Wer unter diesen reicht an unsern Friedland?

Nichts ist so hoch, wornach der Starke nicht

Befugnis hat, die Leiter anzusetzen.

TERZKY.

Das ist gesprochen wie ein Mann!

BUTTLER.

Versichert euch der Spanier und Welschen,

Den Schotten Leßly will ich auf mich nehmen.

Kommt zur Gesellschaft! Kommt!

TERZKY.

Wo ist der Kellermeister?

Laß aufgehn, was du hast! die besten Weine!

Heut gilt es. Unsre Sachen stehen gut.

 

Gehen, jeder an seine Tafel.

 

 

Fünfter Auftritt

Kellermeister mit Neumann vorwärts kommend. Bediente gehen ab und zu.

 

KELLERMEISTER.

Der edle Wein! Wenn meine alte Herrschaft,

Die Frau Mama, das wilde Leben säh,

In ihrem Grabe kehrte sie sich um! –

Ja! Ja! Herr Offizier! Es geht zurück

Mit diesem edeln Haus – Kein Maß noch Ziel!

Und die durchlauchtige Verschwägerung

Mit diesem Herzog bringt uns wenig Segen.

NEUMANN.

Behüte Gott! Jetzt wird der Flor erst angehn.

KELLERMEISTER.

Meint Er? Es ließ' sich vieles davon sagen.

BEDIENTER kommt.

Burgunder für den vierten Tisch!

KELLERMEISTER.

Das ist

Die siebenzigste Flasche nun, Herr Leutnant.

BEDIENTER.

Das macht, der deutsche Herr, der Tiefenbach

Sitzt dran.

 

Geht ab.

 

KELLERMEISTER zu Neumann fortfahrend.

Sie wollen gar zu hoch hinaus. Kurfürsten

Und Königen wollen sies im Prunke gleich tun,

Und wo der Fürst sich hingetraut, da will der Graf,

Mein gnädger Herre, nicht dahintenbleiben.

 

Zu den Bedienten.

 

Was steht ihr horchen? Will euch Beine machen.

Seht nach den Tischen, nach den Flaschen! Da!

Graf Palffy hat ein leeres Glas vor sich!

ZWEITER BEDIENTER kommt.

Den großen Kelch verlangt man, Kellermeister,

Den reichen, güldnen, mit dem böhmschen Wappen,

Ihr wißt schon welchen, hat der Herr gesagt.

KELLERMEISTER.

Der auf des Friedrichs seine Königskrönung

Vom Meister Wilhelm ist verfertigt worden,

Das schöne Prachtstück aus der Prager Beute?

ZWEITER BEDIENTER.

Ja, den! Den Umtrunk wollen sie mit halten.

KELLERMEISTER mit Kopfschütteln, indem er den Pokal hervorholt und ausspült.

Das gibt nach Wien was zu berichten wieder!

NEUMANN.

Zeigt! Das ist eine Pracht von einem Becher!

Von Golde schwer, und in erhabner Arbeit,

Sind kluge Dinge zierlich drauf gebildet.

Gleich auf dem ersten Schildlein, laßt mal sehn!

Die stolze Amazone da zu Pferd,

Die übern Krummstab setzt und Bischofsmützen,

Auf einer Stange trägt sie einen Hut,

Nebst einer Fahn, worauf ein Kelch zu sehn.

Könnt Ihr mir sagen, was das all bedeutet?

KELLERMEISTER.

Die Weibsperson, die Ihr da seht zu Roß,

Das ist die Wahlfreiheit der böhmschen Kron.

Das wird bedeutet durch den runden Hut

Und durch das wilde Roß, auf dem sie reitet.

Des Menschen Zierat ist der Hut, denn wer

Den Hut nicht sitzenlassen darf vor Kaisern

Und Königen, der ist kein Mann der Freiheit.

NEUMANN.

Was aber soll der Kelch da auf der Fahn?

KELLERMEISTER.

Der Kelch bezeugt die böhmsche Kirchenfreiheit,

Wie sie gewesen zu der Väter Zeit.

Die Väter im Hussitenkrieg erstritten

Sich dieses schöne Vorrecht übern Papst,

Der keinem Laien gönnen will den Kelch.

Nichts geht dem Utraquisten übern Kelch,

Es ist sein köstlich Kleinod, hat dem Böhmen

Sein teures Blut in mancher Schlacht gekostet.

NEUMANN.

Was sagt die Rolle, die da drüberschwebt?

KELLERMEISTER.

Den böhmschen Majestätsbrief zeigt sie an,

Den wir dem Kaiser Rudolf abgezwungen,

Ein köstlich unschätzbares Pergament,

Das frei Geläut und offenen Gesang

Dem neuen Glauben sichert, wie dem alten.

Doch seit der Grätzer über uns regiert,

Hat das ein End, und nach der Prager Schlacht,

Wo Pfalzgraf Friedrich Kron und Reich verloren,

Ist unser Glaub um Kanzel und Altar,

Und unsre Brüder sehen mit dem Rücken

Die Heimat an, den Majestätsbrief aber

Zerschnitt der Kaiser selbst mit seiner Schere.

NEUMANN.

Das alles wißt Ihr! Wohl bewandert seid Ihr

In Eures Landes Chronik, Kellermeister.

KELLERMEISTER.

Drum waren meine Ahnherrn Taboriten,

Und dienten unter dem Prokop und Ziska.

Fried sei mit ihrem Staube! Kämpften sie

Für eine gute Sache doch – Tragt fort!

NEUMANN.

Erst laßt mich noch das zweite Schildlein sehn.

Sieh doch! das ist, wie auf dem Prager Schloß

Des Kaisers Räte Martinitz, Slawata

Kopf unter sich herabgestürzet werden.

Ganz recht! Da steht Graf Thurn, der es befiehlt.

 

Bedienter geht mit dem Kelch.

 

KELLERMEISTER.

Schweigt mir von diesem Tag, es war der drei

Und zwanzigste des Mais, da man eintausend

Sechshundert schrieb und achtzehn. Ist mirs doch,

Als wär es heut, und mit dem Unglückstag

Fings an, das große Herzeleid des Landes.

Seit diesem Tag, es sind jetzt sechzehn Jahr,

Ist nimmer Fried gewesen auf der Erden –

 

An der zweiten Tafel wird gerufen.

 

Der Fürst von Weimar!

 

An der dritten und vierten Tafel.

 

Herzog Bernhard lebe!

 

Musik fällt ein.

 

ERSTER BEDIENTER.

Hört den Tumult!

ZWEITER BEDIENTER kommt gelaufen.

Habt ihr gehört? Sie lassen

Den Weimar leben!

DRITTER BEDIENTER.

Östreichs Feind!

ERSTER BEDIENTER.

Den Lutheraner!

ZWEITER BEDIENTER.

Vorhin da bracht der Deodat des Kaisers

Gesundheit aus, da bliebs ganz mäuschenstille.

KELLERMEISTER.

Beim Trunk geht vieles drein. Ein ordentlicher

Bedienter muß kein Ohr für so was haben.

DRITTER BEDIENTER beiseite zum vierten.

Paß ja wohl auf, Johann, daß wir dem Pater

Quiroga recht viel zu erzählen haben,

Er will dafür uns auch viel Ablaß geben.

VIERTER BEDIENTER.

Ich mach mir an des Illo seinem Stuhl

Deswegen auch zu tun, so viel ich kann,

Der führt dir gar verwundersame Reden.

 

Gehen zu den Tafeln.

 

KELLERMEISTER zu Neumann.

Wer mag der schwarze Herr sein mit dem Kreuz,

Der mit Graf Palffy so vertraulich schwatzt?

NEUMANN.

Das ist auch einer, dem sie zu viel trauen,

Maradas nennt er sich, ein Spanier.

KELLERMEISTER.

's ist nichts mit den Hispaniern, sag ich Euch,

Die Welschen alle taugen nichts.

NEUMANN.

Ei! Ei!

So solltet Ihr nicht sprechen, Kellermeister.

Es sind die ersten Generale drunter,

Auf die der Herzog just am meisten hält.

 

Terzky kommt und holt das Papier ab, an den Tafeln entsteht eine Bewegung.

 

KELLERMEISTER zu den Bedienten.

Da Generalleutenant steht auf. Gebt acht!

Sie machen Aufbruch. Fort und rückt die Sessel.

 

Die Bedienten eilen nach hinten, ein Teil der Gäste kommt vorwärts.

 

 

Sechster Auftritt

Octavio Piccolomini kommt im Gespräch mit Maradas, und beide stellen sich ganz vorne hin auf eine Seite des Proszeniums. Auf die entgegengesetzte Seite tritt Max Piccolomini, allein, in sich gekehrt, und ohne Anteil an der übrigen Handlung. Den mittlern Raum zwischen beiden, doch einige Schritte mehr zurück, erfüllen Buttler, Isolani, Götz, Tiefenbach, Colalto und bald darauf Graf Terzky.

 

ISOLANI während daß die Gesellschaft vorwärts kommt.

Gut Nacht! – Gut Nacht, Colalto – Generalleutnant,

Gut Nacht! Ich sagte besser, guten Morgen.

GÖTZ zu Tiefenbach.

Herr Bruder! Prosit Mahlzeit!

TIEFENBACH.

Das war ein königliches Mahl!

GÖTZ.

Ja, die Frau Gräfin

Verstehts. Sie lernt' es ihrer Schwieger ab,

Gott hab sie selig! Das war eine Hausfrau!

ISOLANI will weggehen.

Lichter! Lichter!

TERZKY kommt mit der Schrift zu Isolani.

Herr Bruder! Zwei Minuten noch. Hier ist

Noch was zu unterschreiben.

ISOLANI.

Unterschreiben

So viel Ihr wollt! Verschont mich nur mit Lesen.

TERZKY.

Ich will Euch nicht bemühn. Es ist der Eid,

Den Ihr schon kennt. Nur einige Federstriche.

 

Wie Isolani die Schrift dem Octavio hinreicht.

 

Wies kommt! Wens eben trifft! Es ist kein Rang hier.

 

Octavio durchläuft die Schrift mit anscheinender Gleichgültigkeit. Terzky beobachtet ihn von weitem.

 

GÖTZ zu Terzky.

Herr Graf! Erlaubt mir, daß ich mich empfehle.

TERZKY.

Eilt doch nicht so. – Noch einen Schlaftrunk – He!

 

Zu den Bedienten.

 

GÖTZ.

Bins nicht imstand.

TERZKY.

Ein Spielchen.

GÖTZ.

Exkusiert mich!

TIEFENBACH setzt sich.

Vergebt, ihr Herrn. Das Stehen wird mir sauer.

TERZKY.

Machts Euch bequem, Herr Generalfeldzeugmeister!

TIEFENBACH.

Das Haupt ist frisch, der Magen ist gesund,

Die Beine aber wollen nicht mehr tragen.

ISOLANI auf seine Korpulenz zeigend.

Ihr habt die Last auch gar zu groß gemacht.

 

Octavio hat unterschrieben und reicht Terzky die Schrift, der sie dem Isolani gibt. Dieser geht an den Tisch zu unterschreiben.

 

TIEFENBACH.

Der Krieg in Pommern hat mirs zugezogen,

Da mußten wir heraus in Schnee und Eis,

Das werd ich wohl mein Lebtag nicht verwinden.

GÖTZ.

Ja wohl! Der Schwed frug nach der Jahrszeit nichts.

 

Terzky reicht das Papier an Don Maradas; dieser geht an den Tisch zu unterschreiben.

 

OCTAVIO nähert sich Buttlern.

Ihr liebt die Bacchusfeste auch nicht sehr,

Herr Oberster! Ich hab es wohl bemerkt.

Und würdet, deucht mir, besser Euch gefallen

Im Toben einer Schlacht, als eines Schmauses.

BUTTLER.

Ich muß gestehen, es ist nicht in meiner Art.

OCTAVIO zutraulich näher tretend.

Auch nicht in meiner, kann ich Euch versichern,

Und mich erfreuts, sehr würdger Oberst Buttler,

Daß wir uns in der Denkart so begegnen.

Ein halbes Dutzend guter Freunde höchstens

Um einen kleinen, runden Tisch, ein Gläschen

Tokaierwein, ein offnes Herz dabei

Und ein vernünftiges Gespräch – so lieb ichs!

BUTTLER.

Ja, wenn mans haben kann, ich halt es mit.

 

Das Papier kommt an Buttlern, der an den Tisch geht zu unterschreiben. Das Proszenium wird leer, so daß beide Piccolomini, jeder auf seiner Seite, allein stehenbleiben.

 

OCTAVIO nachdem er seinen Sohn eine Zeitlang aus der Ferne stillschweigend betrachtet, nähert sich ihm ein wenig.

Du bist sehr lange ausgeblieben, Freund.

MAX wendet sich schnell um, verlegen.

Ich – dringende Geschäfte hielten mich.

OCTAVIO.

Doch, wie ich sehe, bist du noch nicht hier?

MAX.

Du weißt, daß groß Gewühl mich immer still macht.

OCTAVIO rückt ihm noch näher.

Ich darf nicht wissen, was so lang dich aufhielt?

 

Listig.

 

– Und Terzky weiß es doch.

MAX.

Was weiß der Terzky?

OCTAVIO bedeutend.

Er war der einzge, der dich nicht vermißte.

ISOLANI der von weitem achtgegeben, tritt dazu.

Recht, alter Vater! Fall ihm ins Gepäck!

Schlag die Quartier ihm auf! Es ist nicht richtig.

TERZKY kommt mit der Schrift.

Fehlt keiner mehr? Hat alles unterschrieben?

OCTAVIO.

Es habens alle.