Andere grüssten, wie wenn sie sagen würden: »Ich grüsse Dich! Ho! Warum denn nicht?! Es ist ja ein Kur-Ort, ein Rendez-vous der Welt!«

Katja sass da, mit ihren goldenen Haaren und den wunderbaren sanften Augen – – – – –.

Niemand kümmerte sich um sie.

Die Frau Mama, die schöne Frau Mama, stützte die Ellbogen auf den Tisch und schaute auf die Bäume mit den breiten Blättern, auf den schimmernden See, in die Augen des Herrn von – – –.

Um sieben Uhr schickte man Katja schlafen.

Sie sagte sanft: »adieu Mami – – –.«

Die junge Dame antwortete nicht – – –. Sie stützte die Ellbogen auf den Tisch und schaute auf die Bäume mit den breiten Blättern, auf den schimmernden See, in die Augen des Herrn von – – –.

Die Esplanade wurde dunkel.

Die wunderschöne junge Dame ging langsam die Allee entlang – – –.

Niemand kümmerte sich um sie. Bis dahin Prinzessin des Lebens und jetzt, wenn der Abend kommt, einsam – – –! Und in der Nacht vielleicht wieder Prinzessin, Königin, Göttin – – –.

Abenddämmerung, Frieden – – –.

Eltern sitzen auf den Bänken, ein wenig ermüdet von den Landparthieen; Kinder denken ernst an das Souper und junge Menschen, die sich lieb haben, führen leise Gespräche und fühlen sich riesig glücklich – – –. Sie haben die Empfindung: »Es ist eine unvergessliche Stunde in meinem Leben – – –.«

Immer haben sie solche unvergessliche Stunden, diese jungen Leute, die sich lieb haben.

Die jungen Mädchen denken: »Vielleicht wird es so sein – – –. Ich werde einst sagen: »Weisst Du noch, wie wir damals Abend's auf der Esplanade sassen?! Da sagte ich: ›Wie der See im Dunkel verschwimmt und dennoch leuchtet – –!‹ Und Du sagtest: ›Wie Du – – –!‹ Damals warst Du wie ein Dichter!«

Und dann kommt die Mutter, dieses unseelige Geschöpf, das vor der Seele Schildwache steht und sagt: »Ellie« oder »Marion« oder »Riquetta«, »ich glaube, es wird kühl«, oder »es ist spät, ich glaube, wir gehen nach Hause – – –.«

Und die jungen Männer sagen: »auf Wiedersehen Fräulein, kommen Sie morgen Früh auf die Esplanade?!«

Und die Fräulein sagen »vielleicht – – –.«

Die Fräulein sagen immer »vielleicht«, aber sie meinen »bestimmt!« – – –

Die Esplanade wurde leer.

Eine junge wunderschöne Dame setzte sich auf eine Bank.

Der See sang ein sanftes Lied – – –.

Da sang ihre müde stolze Seele mit, den einzigen Laut der Liebe, den sie hatte: »adieu Mami – –.«

 

Fünfunddreissig

 

Ein gelbbrauner Strohhut mit Veilchensträusschen und Veilchenblättern an langen dünnen grünen Stielen. Das Kleid aus Rohseide, mit einem breiten hellbraunen Sammtgürtel Der Griff des Schirmes ein Bergkristall, Oktaëder, an einem braunen Zuckerrohr. Flachsblonde Haare. Schnürstiefel aus rothem Juften. Das fünfzehnjährige Töchterchen hat braunrothe Haare, braune Augen und wunderbare Hände.

Der Gatte fährt mit dem Töchterchen am See.

Die Dame mit den flachsblonden Haaren bleibt allein zurück.

Sie stützt das Kinn in die Hand und blickt auf die Seefläche hinaus – – –.

Sie fühlt, dass ich sie bewundere – – –.

Plötzlich aus den Grenzen schönen Familienlebens hinausgezerrt in das Meer des grossen Lebens, mit seinem grossen Mysterium – – –!

»Ich bin wie die Natur« fühlte sie. »Der See, der Wald, die gelbgefleckte Dillkrautwiese und ich –!

Etwas wird aus dem Mann – – –! Er bekommt Flügel und fliegt aus der Welt – – –. Aber er nimmt Uns mit, den schimmernden See, den ernsten dunklen Wald, die berauschend duftende Wiese und Uns – – Uns! Wir werden ein Theil seiner Seele und fliegen mit, in die Höhe, in die Ferne – – –.«

Der Gatte und das Töchterchen kamen zurück.

Die Dame legte um die Schultern des Mädchens einen weissen Shawl und machte rückwärts einen Knoten.

»Du bist erhitzt vom Rudern« sagte sie.

Dann legte sie ihre Hand auf die des Gatten und sagte scherzend: »Du alter Matrose – – –!«

Dann blickte sie mich an: »Du hast mich mitgenommen auf deine luftige Fahrt, du junger Matrose – ich danke Dir.

Mein guter edler Gatte, mein liebliches süsses Töchterchen – – –! Ich habe selber Flügel bekommen – –! Aber dahin fliegst Du nicht mit, du schwerfälliger Himmelsflieger – – –!«

Aber als sie am Arm des Gatten, das Töchterchen zärtlich an der Hand haltend, den Platz verliess, wandte sie sich um – – –.

Ich fühlte wie sie bat: »Nimm' mich noch einmal mit, du junger Matrose – – –!«

Und ich nahm sie mit, indem ich ihr einen Blick gab voll Bewunderung und Freundschaft – – –.

 

Roman am Lande

 

Georg, der wunderschöne Gärtnerbursche beim Handelsgärtner, liebt Frau R., villa R. mit dem Linden-Parke.

Seit vier Jahren verlässt er den Platz nicht, der vis-à-vis ist.

Morgens, Abends, kommen die Winde mit Lindengeruch – – –.

Der Platz ist schlecht, das Essen ist schlecht, der Herr ist schlecht – –.

Georg schläft im Glashaus. Alles ist offen und es duftet gut bei Nacht – –.

Verdammt! Seine Herrin kann nicht schlafen und im Glashaus blüht, athmet die Jugend – – –.

Er hat nur einen Gedanken: »Linden-Prinzessin« und »wann« und »wie« – – –!?

Da klirrt die Glashaus-Thüre – – – – – verdammt! Die Herrin!

Sie aber, die Prinzessin im Lindenpark, eilt ihm unaufhaltsam entgegen, auf dem Wege der Enttäuschungen, der Weisheit, der Zeit – – –.

»Sie hat mir Cigaretten gegeben«, sagte er einmal, »ich habe ihr die Hand geküsst – –.«

Dann schaut er wieder aus »vom Söller des Lebens« und sieht den weiten endlosen Weg – – –.

Verdammt! Die Herrin kann nicht schlafen und im Glashaus blüht, athmet die Jugend – – –.

Frau R. schläft, schläft – – –.

Verdammt – – –!

Morgens, Abends, kommen die Winde mit Lindengeruch – – –.

 

Sanct Wolfgang

 

Station Zahnradbahn, Schafbergbahn.

Weisser dicker Schotter bis an die Wiesen der Bauernhäuser. Kleine dünne Ahornbäume sind längs der Strecke hingepflanzt, mit Grasringen, auf welchen rothe Mohnblumen wachsen.

Die schiefe Lokomotive ist quasi zusammengeduckt, wie Einer, der sich grässlich anstrengt – – –

La femme incomprise mit den rothbraunen Haaren und dem seidenen lila-grün changirenden Kleide sass da und fuhr den Fichten-Berg hinauf und auf die gelblichen Alm-Wiesen mit dem Duft nach Ziegen, Kühen und feuchtem Moos, zwischen schwarzgrünen Legföhren hindurch bis dorthin wo das braunrothe Gerölle anfängt – – –. Sie sass da in ihrem lila-grün changirenden seidenen Kleide – – –.

Dann stand sie oben an dem Eisengeländer und sah auf die siebzehn Seen – – –.

Die Sonne ging unter und als Jemand sagte: »Der helle Streifen ist der Chiemsee – –«, sagte sie: »ah – – –?!«

Zwischen ihr, der lebendig gewordenen Natur und dieser todten im Abendglanze war keine Liebe – –!

 

Unten, an der Station der Zahnradbahn, auf dem weissen dicken Schotter, der wie ein Lammfell über den grünen Boden gebreitet schien, vor den kleinen dünnen Ahornbäumen mit den Grasringen, stand ein junges Mädchen mit einem weissen Flanellkleide und pflückte die rothen Mohnblumen – – –.

Sie sah dem kleinen zusammengeduckten Ungeheuer nach, das sich in den Fichten-Berg eingrub.

Schreckliche Rauchwolken verbreiteten einen Gestank, wie ihn die Fabelthiere zurückliessen – – –.

Das junge Mädchen warf einen Blick auf den wunderbar reinen Berggipfel – – –.

Sie ging auf die Terrasse des Hôtels, band das dicke Mohnblumenbouquet an das seidene Moiré-Gürtelband und sass still da – –.

Sie sah auf das einfache Holzgeländer der Terrasse, das harzig duftete, auf das gelbe stille Stationsgebäude, auf den weissen Schotter längs des Bahngeleises, auf die mageren Ahornbäumchen mit den künstlichen Grasringen, auf den braunen Weg mit den gelblichen Birken, auf die Wiesen mit den schwarzen Maulwurfshügeln, auf die weisse Tafel »Station Zahnradbahn« – – –.

Dann sah sie zärtlich auf ihr Bouquet herab und ordnete es mit den wunderbar feinen Händen – –.

Zwischen ihr, der lebendig gewordenen Natur und dieser todten im Abendschatten war Liebe – – –!

 

Assarow und Madame Oyasouki

 

Ich sass in dem kleinen lieben Café.

Ich hörte zwei Männer leise sprechen.

»Enfant – –«, sagte der Eine, »je te plains –.« »Adieu – –«, sagte der Andere, »Du verstehst mich nicht mehr – –. Niemand versteht mich – –.«

Der Freund sah ihn an: »Enfant – – –! Je te plains – –.«

Ich sass bei »Zehden«, Confiseur.

Da trank Madame Oyasouki Thee mit Rum. Assarow sass da – – l'enfant.

»Und jetzt nach den verrauschten Stürmen, lieben Sie ihren Mann nicht anders?! Ich meine ›am Ziel der Wünsche‹?! War es nicht der Sturm, der Kampf, der ihrer Neigung Wärme, Grösse gab?! Pardon – – –.«

Sie trank die Tasse aus und fühlte: »Er liebt mich – – –!«

Wie etwas Selbstverständliches, Angenehmes, Ehrendes fühlte sie das – –.

»Nein« sagte sie mit einer unermesslichen Sanftmuth, »die ruhige sichere Liebe ist die Liebe. Da hört man auf zu denken, fast zu fühlen. Es ist das Leben selbst geworden, etwas Organisches – –. Wie man nicht fühlt, dass man ein Herz hat und es dennoch schlägt und schlägt und uns erhält – –! Man braucht sich nicht zu kümmern, es ist da!«

Er sagte: »Sie sind weise, gütig. Man muss Sie lieb haben.«

Ich blickte die Dame an: »Wie wird es werden – –?!«

Sie fühlte das – – –.

»Was wirst Du mit dem ›Kinde‹ machen« fragte ich, »Du Wunderliebliche – –?! Tödte Ihn – –!«

Da sagte sie: »Oh, ich muss gehen – –, Commissionen machen – –.«

»Tödte Ihn – –!« sagte ich zu ihr.

Sie stand da in ihrer braunen Schönheit – –. »Tödte Ihn!«

Da sagte sie: »Herr Assarow, bitte – –« und gab ihm die Hand.

Er blickte ihr nach – – –.

Ich dachte an den Herren, der gesagt hatte »enfant« und »je te plains –«. Ich verstand es.

Frauen treffen nicht wie der Fleischer das Kalb: Ein Zug von rechts nach links und fertig – –. Kein Laut – –. Fertig.

Die aber stossen zu – –. »So ziehe durch!«

Da gehen sie, Commissionen machen, werfen das Messer weg, reichen die Hand, gehen wie träumend –.

Verblute langsam – – –!

Enfant – –! Je te plains – – –.

 

Spätsommer-Nachmittag

 

»Ich kann nur anziehen, nicht fesseln – – –« sagte sie.

Sie trug ein hellblaues weites Kleid mit weissen winzigen Pünktchen, einen braunen Strohhut mit weissen Nelken – – –.

»Da oben ist ein schöner Waldweg – – –« sagte Er, »überall kleine Felder von Disteln und lila Blumen und Birken; man geht schnurgerade und unten schlägt der Fluss weissen Schaum – –,«

Sie sah Ihn an wie wenn man sagt: »Da möchtest Du mit mir sein und den Duft meines Kleides einathmen – – –!?«

Aber sie gingen nicht den schnurgeraden Weg mit den kleinen Lichtungen von Disteln, lila Blumen und Birken, sondern sie tranken Kaffee en grande société auf der feuchten Wiese an einem rothbraunen Tische und spielten dann Federball – –.

Die Haare des jungen Mädchen wurden feucht und zarte Ringellöckchen schwebten an den Schläfen – –.

Sie war sehr schön – – –.

Es begann zu regnen – – –.

Die ungemähten Wiesen rochen stark wie Waldmeister im Mai. Die braunen Wege begannen zu glänzen wie Glasererkitt. Die Kieselhaufen an der Strasse wurden reingewaschen und die Pappeln erzitterten und tranken Regen – – –.

Sie trug den schönen Strohhut mit den weissen Nelken in der Hand und Er hielt den Schirm über ihre braunen Haare wie eine gute sorgsame Mama –

Dann gingen sie in das Klavierzimmer des Casino.

Ein kahler dunkler Raum, der nach Keller roch – – –.

Der Bruder des Mädchens spielte Chopin, étude As dur.

Es war wie See-Wellen, die singen, herangleiten und zerrinnen – – –.

Es wurde ganz dunkel.

Draussen an dem Fenster verneigten sich die Kastanienblätter vor den Windstössen und der Sturm machte: sch sch sch – –. In der Ferne schimmerte eine Glaslaterne – –.

Drinnen glitt die As dur-Etüde heran, legte sich an die Herzen und zerrann – – –.

Der Herr und die Dame rauchten – –.

Man sah nur die glühenden Spitzen der Cigarretten – –.

Er sass ganz nahe bei ihr und bebte – – –.

»Tanzen wir – – –« sagte sie.

Draussen verneigten sich die Kastanienblätter vor den Windstössen, die Cigarretten leuchteten auf dem Fensterbrett, der Bruder spielte und die Zwei tanzten im Dunkel langsam, lautlos dahin – – –.

Später sagte sie: »Wie heisst diese Etüde, die Du da früher gespielt hast.