Zum Tode verwundet, sprang er auf den andern los und kämpfte, bis das Leben ihn verließ, die Glieder ihm versagten und es ihm dunkel vor den Augen wurde.

Und die ganze Zeit über saß die Wölfin da und schaute zufrieden drein. Sie freute sich über den Kampf; dies war das Liebeswerben der Wildnis, die Liebestragödie der natürlichen Welt, eine Tragödie nur für die, welche starben, denn für die Überlebenden war es Triumph und Sieg.

Als der junge Führer regungslos auf dem Schnee lag, ging der Einäugige mit großen Schritten zu der Wölfin hin. Seine Haltung war ein Gemisch von Triumph und Vorsicht. Er erwartete augenscheinlich eine Abweisung und war ebenso augenscheinlich überrascht, als jene ihm nicht ärgerlich die Zähne wies. Zum erstenmal begegnete die Wölfin ihm freundlich. Sie beschnüffelte ihn, sie ließ sich sogar herab, um ihn herumzuspringen und wie ein Hündchen mit ihm zu spielen, und er, trotz seiner grauen Haare und großen Erfahrung, betrug sich ebenso kindisch und vielleicht noch ein bißchen närrischer.

Schon waren die besiegten Nebenbuhler und die mit roten Lettern in den Schnee geschriebene Liebesgeschichte vergessen, bis auf einen Augenblick vergessen, wo der Einäugige stillstand, um sich die Wunden zu lecken. Dabei kräuselten sich seine Lippen, entblößten sich die Zähne, sein Haar auf Nacken und Schultern hob sich empor, und zum Sprunge geduckt stemmte er die Pfoten fest auf den Boden, so daß die Krallen sich tief in den Schnee drückten. Doch im nächsten Augenblick war alles vorbei, und er sprang der Wölfin nach, die ihm durch die Wälder voraneilte.

Darauf trabten sie wie gute Freunde, die sich vertragen haben, dicht nebeneinanderher. Die Tage verstrichen, und sie blieben beisammen, jagten zusammen, töteten ihre Beute und verzehrten sie gemeinsam. Einige Zeit darauf schien die Wölfin ruhelos zu werden. Es war, als suchte sie etwas, was sie nicht finden konnte. Die Höhlungen unter gefallenen Bäumen schienen sie anzuziehen, und sie verbrachte viel Zeit damit, unter den Schneegruben in den Felsen und in den Höhlen an steilen Flußufern herumzustöbern. Einauge hatte kein Interesse daran, aber er folgte ihr gutmütig bei der Suche, und wenn ihre Untersuchungen sich zu sehr in die Länge zogen, so pflegte er sich hinzulegen und zu warten, bis sie bereit war, weiterzuwandern.

Sie blieben nie lange an einem Orte, sondern wanderten quer durch das Land, bis sie den Mackenzie erreichten, dessen Laufe sie langsam folgten, wenn sie ihn auch oft verließen, um an kleinen Nebenflüssen nach Wild zu suchen. Dennoch kehrten sie immer nach dem Hauptstrome zurück. Manchmal trafen sie auf Wölfe, gewöhnlich in Paaren, allein kein freundlicher Verkehr wurde angeknüpft, keine Freude über das Zusammentreffen, kein Verlangen, sich zu Rudeln zu vereinigen, gezeigt. Zuweilen trafen sie einen einsamen Wolf, der dann begierig war, sich Einauge und seiner Gefährtin anzuschließen, was dieser übel aufnahm. Stand sie dann aber zähnefletschend und mit gesträubtem Haar Schulter an Schulter mit ihm, so pflegte der einsame Freier sich zurückzuziehen und einsam seinen Weg fortzusetzen.

Als sie an einem hellen Mondscheinabend durch die öden Wälder liefen, blieb Einauge plötzlich stehen. Seine Schnauze richtete sich empor, der Schwanz wurde steif, und die Nasenlöcher weiteten sich, als er die Witterung einsog. Auch hob er nach Art der Hunde einen Fuß in die Höhe. Er war sich nicht klar über die Sache und bemühte sich, die Kunde, welche die Luft ihm brachte, zu verstehen. Bei seiner Gefährtin dagegen hatte ein gleichgültiges Schnüffeln genügt, und sie trabte ruhig weiter, um auch ihn zu beruhigen. Er folgte ihr zwar, war aber immer noch im unklaren und blieb dann und wann stehen, um sich die Warnung zu deuten.

Die Wölfin glitt vorsichtig bis an den Rand einer großen, von Bäumen umgebenen Lichtung. Eine Weile stand sie allein, dann kam Einauge leise heran, alle Sinne gespannt, jedes Haar am Körper argwöhnisch gesträubt. So standen sie dicht nebeneinander, lauernd, horchend, witternd. Hundegekläff drang an ihr Ohr, dann Kehllaute von Männerstimmen, schrilles Weiberschelten und einmal das gellende Geschrei eines Kindes. Bei den großen Zelten aus Fell war wenig zu sehen, ausgenommen die Flammen des Feuers, dann und wann durch vorbeiwandelnde Gestalten verdeckt, und der Rauch, der langsam in die ruhige Luft emporstieg. Doch in ihre Nase stiegen die tausendfachen Gerüche eines Indianerlagers, die eine Geschichte erzählten, die zwar für Einauge unverständlich war, der Wölfin jedoch in allen Einzelheiten bekannt.

Sie war seltsam aufgeregt und sog die Luft mit wachsendem Interesse ein; Einauge jedoch verriet Besorgnis und machte den Versuch weiterzugehen. Sie drehte sich zu ihm, berührte wie beruhigend seinen Hals mit der Schnauze und blickte nach dem Lager hinüber. Wiederum schaute sie wie sinnend drein, aber diesmal ohne die Gier des Hungers. Sie zitterte vor Verlangen, vorwärts zu gehen, am Feuer sich zu wärmen, mit den Hunden sich zu balgen und zwischen den umherwandernden Männern hin und her zu laufen.

Einauge bewegte sich ungeduldig neben ihr, und seine Unruhe ging auch auf sie über.