»Warum folgst du mir, Junge?«, fragte der Wolfpriester.
»Weil ich Euch Fragen stellen will.« Der alte Mann schüttelte den Kopf, aber er lächelte und enthüllte dabei seine furchterregenden Fänge.
»Es sind immer Fragen, Fragen in deinem Alter, nicht wahr?
Dann frag.«
»Warum seid Ihr hergekommen? Oder vielmehr, warum habt Ihr uns dafür bezahlt, Euch herzubringen? Hättet Ihr nicht stattdessen Eure Magie benutzen können?«
»Ich verfüge nicht über Magie, Junge. Nicht so, wie du es meinst.«
»Aber Euer Talisman ... wie Ihr den Drachen getötet habt ...«
»Das war keine Magie. Der >Talisman< war eine Waffe, wie eine Axt oder ein Speer, nur komplizierter.«
»Eine Waffe?«
»Gewiss.«
»Dann seid Ihr kein Zauberer?«
»Russ behüte, nein! Ich kenne einige, die du als Zauberer bezeichnen würdest, Junge, und ich würde nicht für alles Eisen auf diesen Inseln mit ihnen tauschen wollen.«
»Warum nicht?«
»Sie tragen eine furchtbare Bürde.«
Ragnar schwieg. Es schien auf der Hand zu liegen, dass der alte Mann nicht mehr preisgeben wollte. Ragnar war sicher, dass Raneks eiserner Talisman mächtige Magie enthielt, mochte der Wolfpriester sagen, was er wollte. Sie marschierten weiter durch die Straßen und an geöffneten Läden vorbei. Als er einen eingehenderen Blick in diese Läden warf, sah er, dass es sich um Werkstätten mit Schmiedeöfen handelte. Die Schatten wurden vom Schein rotglühenden Metalls aufgehellt.
Er konnte das Klirren von Hammer auf Amboss hören, das ihm verriet, dass in diesen Werkstätten die Waren der Eisenmeister gefertigt wurden.
»Ihr habt meine erste Frage nicht beantwortet«, sagte Ragnar, selbst über seine Kühnheit erstaunt.
»Ich weiß nicht, ob ich sie auf eine Weise beantworten kann, die du verstehen würdest - oder ob ich sie überhaupt beantworten soll.«
»Warum nicht?«
Das dröhnende Lachen des alten Mannes hallte durch die Gassen. Ragnar sah, wie alle sich zu ihnen umdrehten, um dann das Zeichen des Hammers zu beschreiben und rasch wegzuschauen.
»Du lässt dich nicht leicht entmutigen, nicht wahr, Junge?«
»Nein.«
»Warum auch? Ich hatte einen Auftrag. Es gab einen Unfall.
Mein Gefährt wurde zerstört. Ich musste hierher zurück und Verbindung mit meinen ... Brüdern aufnehmen. Um eine so große Entfernung möglichst schnell zu überwinden, brauchte ich das Schiff deines Vaters, und für seine Hilfe wird er belohnt.«
»Was war das für ein Auftrag?«
»Das kann ich dir nicht sagen«, erwiderte Ranek in einem Tonfall, der keinen Widerspruch duldete.
»War es für die Götter?«
»Es war für meine Götter.«
»Sind nicht alle Götter gleich? Jeder auf den Inseln verehrt Russ und den Allvater.«
»Ich auch, aber anders als ihr.«
»Wie kann das sein?«
»Eines Tages findest du das vielleicht heraus, Junge.«
»Aber nicht heute?«
»Nein. Nicht heute.«
Sie betraten einen großen Platz auf dem Hügel. Er war von gewaltigen Häusern umgeben. Ein jedes war so breit, dass sie geduckt wirkten, obwohl sie die Größe eines Mannes um das Zehnfache übertrafen. Die Mauern waren auf seltsame Art verziert. In die gewaltigen Steinblöcke waren ineinander greifende Zahnräder gemeißelt. Metallrohre zogen sich durch das Mauerwerk wie Ansammlungen riesiger Würmer, die an einer Stelle aus der Erde ragten und an anderer wieder darin eintauchten. Ruß schwärzte die Mauern, und aus den Rohren waren einst Abwässer gesickert und hatten große Flecken in der Farbe von Rost auf den Mauern hinterlassen. Von drinnen ertönte der Lärm monströser Maschinen, ein Klirren und Rattern, als hämmerten Riesen auf gewaltige Ambosse.
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