Es ist wunderbar, wie's manchmal ist, als redete ein Engel aus den Kindern. Dein Ännchen kann uns allen ein Engel gewesen sein!«
Fritz Nettenmair lachte so ungeheuer über das Kind, daß sich Apollonius' Lachen wieder an dem seinen anzündete. Aber er wußte, es war ein Teufel, der aus dem Kinde geredet; ihm war das Kind ein Teufel gewesen und konnte es noch mehr werden. Und doch mußte er noch über das Kind lachen, über das joviale Kind mit seinem »verfluchten« Einfall. So sehr mußte er lachen, daß es gar nicht auffiel, wie zerstückt und krampfhaft klang, was er entgegnete. »Morgen meinetwegen oder heut nachmittag noch; jetzt hab' ich unmöglich Zeit. Jetzt begleit' ich dich nach Sankt Georg. Ich hab' einen nötigen Gang. Morgen! Über das verwünschte Kind!«
Apollonius hatte keine Ahnung, wie ernst das lachende »verwünscht« gemeint war. Er sagte, selbst noch über das Kind lachend: »Gut! So fragen wir morgen. Und dann wird alles anders werden. Ich freue mich wie das Kind, und du dich gewiß auch, Fritz. Es soll ein ganz ander Leben werden als seither!« Der gute Apollonius freute sich so herzlich über des Bruders Freude! Noch als er bereits wieder auf seinem Fahrzeuge um das Kirchendach flog.
Ebenso rastlos umschwankte seines Bruders Furcht das dunkle Etwas, das über ihm schwankte und ihn zu begraben drohte; noch emsiger hämmerte sein Herz an den brechenden Planen, den Sturz zu hindern; aber sein Gedankenschiff hing nicht zwischen Himmel und Erde, von des Himmels Licht bewahrt; es taumelte tiefer und immer tiefer, zwischen Erd' und Hölle, und die Hölle zeichnete ihn immer dunkler mit ihrer Glut.
*
Ännchen hatte die Mutter wieder umschlungen, die in der Laube saß. Sie sah wieder mit Apollonius' Augen zu ihr auf und erzählte ihr von ihm. Und kam sie nach Kinderweise von ihm ab, so leitete die Mutter mit unbewußter Kunst sie wieder zu ihm zurück. Dann rauschte es einen Augenblick in den Blättern der Laube hinter ihr. Sie dachte, es sei der Wind, oder hörte es gar nicht; vielleicht, weil es nicht von Apollonius sprach. Hätte sie hingesehen, sie wäre entsetzt aufgesprungen von der Bank. Was die Blätter rauschen machte, war das stürmische Erzittern einer geballten Faust. Darüber stand ein rotes Gesicht, verzerrt von der Anstrengung, die die gehobene Faust zurückhielt, sonst hätte sie das lächelnde Gesicht des Kindes getroffen, das, so jung, schon eine Kupplerin war. Das lächelnde, vatermörderische Gesicht! Das Kind hat ein blaues Kleidchen an; blau ist die Lieblingsfarbe Apollonius'. Sein Kind trägt seines Todfeindes Livree. Und die Mutter – o, Fritz Nettenmair kann sich noch auf die Zeit besinnen, wo sie täglich so gekleidet ging wie heute. Und fürchtet sie das nicht? Glaubt sie, was damals vorgegangen, gibt ihr ein Recht, ihn nicht zu fürchten? Ein Recht, in Schande zu leben, weil es seine Schande ist? Das alles reißt an der gehobenen Hand.
Jetzt sagt die Mutter vor sich hin und hat das Mädchen vergessen: »Der arme Apollonius!« – Was hält die Faust zurück? – »Ich muß Fritz sagen, wie er mich dauert. Er ist so gut. Nicht, Ännchen?« Ännchen singt und hört die Frage nicht. Sie bedarf auch keiner Antwort. »Fritz ist zornig auf ihn, weil er mich einmal gekränkt hat. Ich hab's lang vergessen. Er ist anders, und Fritz tut ihm unrecht, wenn er meint, er ist noch immer so.
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